«Holbeins - Der Greif»
«Holbeins - Der Greif»: Neue Amazon-Serie mit Sabine Timoteo

Am Freitag startet mit «Hohlbeins - Der Greif» die erste deutsche Fantasy-Serie seit «Die unendliche Geschichte». Die Schweizer Schauspielerin Sabine Timoteo sticht in der Romanverfilmung durch ihre Leistung aus der teils verwirrenden Handlung heraus.
Publiziert: 25.05.2023 um 14:45 Uhr
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Aktualisiert: 25.05.2023 um 15:27 Uhr
Spielt die wohl stärkste Figur in der deutschen Fantasy-Serie "Hohlbeins - Der Greif": Die Schweizer Schauspielerin Sabine Timoteo.

«Man kann Hass nicht mit Hass bekämpfen, Thomas.» Sagt der Vater. «Augen zu, durchatmen, entspannen.» Entspannt ist in «Der Greif» erstmal niemand. Weder der fünfjährige Mark, der lernt, dass alles aus Stein gefährlich werden kann und deshalb die Vase der Mutter wegwirft. Weder der Vater, der nicht mehr lange zu leben hat, was man spürt (und weiss, wenn man die Synopsis überflogen hat). Nur Thomas ist fasziniert vom schweren schwarzen Buch, aus dem der Vater vorliest. Es ist «die Chronik». Und der Vater ist überzeugt, dass man das Ungeheuer, das in der Nähe lauert, damit besiegen kann.

Aber von Anfang an: Krefelden, 1994. Die Drei Aussenseiterinnen und Aussenseiter Mark (Jeremias Meyer), Memo (Zoran Pingel) und Becky (Lea Drinda) entdecken in ihrer Freizeit bei der Kirche des Dorfes eine phantastische Welt. «Der Schwarze Turm» ist Bedrohung und Faszination zugleich. Dort unterjocht ein Monster alle Lebewesen, die ihm zwischen seine grausligen Hände gelangen, gnadenlos. Mark, das stellt sich heraus, als er 16 wird, ist der Einzige, der den Greif besiegen kann.

Die deutsche Fantasyserie lehnt sich eng an den gleichnamigen Roman von Wolfgang und Heike Hohlbein aus dem Jahr 1989 an. Das Schreibendenduo war 1982 mit «Märchenmond» bekannt geworden, «Der Greif» gilt als Klassiker, zumindest in der Fantasyszene. Wolfgang Hohlbein ist mit über 40 Millionen verkauften Büchern ein Schwergewicht im Genre. Er selber ist in Krefelden aufgewachsen, wo es nun in der Fantasy-Serie dieses Unwesen zu bekämpfen gibt.

Das Ungeheuer? Ist «der Greif». Und sein Team, die Gehörnten, die eine eigene Sprache sprechen, Horn. Am Set soll Regisseur Sebastian Marka Klick- und Schlaglaute imitiert haben, um den Cast in die klangliche Welt der Gehörtnen, den Vasallen des Schwarzen Turms, zu versetzen. Die Kreaturen kommunizieren in einer eigens (für den Dreh) entwickelten Sprache. Ein Dialektcoach half dem Cast, das am Ende sogar «Oh Tannenbaum» auf Horn singen konnte.

Man kann es sich gut vorstellen. Friede, Freude, Weihnachtskuchen. Denn so richtig unheimlich kommen die Wesen nicht herüber. Der Greif, in der Mythologie eine Kreuzung zwischen Löwe (der Körper) und Raubvogel (der Kopf und Krallen), je nach Region mit riesigen Federn, spitzem Schnabel und oft gewaltigen Flügeln abgebildet. Ein beliebtes Wappentier, und bestimmt auch ein tolles Vorbild für ein Monster. Nur eben hier nicht so gruselig umgesetzt. Und diese Zähne der vermeintlichen Ungestalten! Sie scheinen aus einem lustigen Comic entlehnt und man bezweifelt doch sehr, dass damit Menschenkinder geschmaust werden können.

«Sie müssen sie kennen», sagt der Vater nun aber trotzdem sehr bestimmt, als die Mutter anzweifelt, dass die Geschichte über diesen Greif, der in einem schwarzen Turm leben soll, für ihre Kinder geeignet sei. Die Chronik, so der Vater aber eindringlich, sei eben nicht einfach ein Märchenbuch. Sondern die Geschichte der Familie Zimmermann, in die sich die Mutter dummerweise eingeheiratet hat.

Was sich bald als «wahr» herausstellt, der Vater stirbt unter ungeklärten Umständen, und da steht sie nun, die Mutter, gespielt von Sabine Timoteo ("Der menschliche Faktor"), die wohl stärkste Figur in der sechsteiligen Serie. Es ist herrlich, wie Gefühle auf ihrem Gesicht abzulesen sind: Unglauben. Verwirrtheit. Die ganze Absurdität der Geschichte. Und erst einmal ein Lachen: «Das meinst du doch nicht ernst», sagt sie zu Beginn noch zu ihrem Ehemann (der noch lebt - und das ist eine weitere Schwachstelle der Serie: Sie hüpft von hier nach dort, örtlich und zeitlich gesprochen, was dem Handlungsstrang nicht die vermeintliche Spannung verleiht, sondern einfach mal verwirrt).

Es ist eine Paraderolle für die Schweizerin. Düstere Rollen, schwere Geschichten, innere Auseinandersetzungen: Sabine Timoteo liebt Figuren, die schwierig zu spielen sind, und diese lieben sie zurück, so macht es den Anschein. Mit «Melanies Chronik» wurde sie in Lettland Schauspielerin des Jahres 2017, daneben hat sie viele Preise gewonnen, unter anderem dreimal den Schweizer Filmpreis für verschiedene Rollen. In «Der Greif» spielt sie eine Pflegefachfrau - in den 90ern hiess das noch «Oberschwester» - und muss eigentlich während des gesamten Geschehens um ihre Kinder kämpfen. Die liebende Mutter, die mit den Zimmermanns leben muss.

Als Marks Bruder Thomas verschwindet, gesteht sich also auch sie ein, dass sie sich ernsthaft mit der Horrorgeschichte um den Schwarzen Turm auseinanderzusetzen hat. Als Becky, die Tochter eines Psychiaters (der Mark wegen seiner «Greif»-Fantasien behandelt) beginnt, Recherchen zu betreiben, tritt sie dieser wie eine Irre gegenüber - mit wirrem Haar, unstetem Gesichtsausdruck. Und beharrt darauf, den ganzen Unsinn sein zu lassen.

Das würde man als Zuschauerin oder Zuschauer auch manchmal gerne. Doch allein das Mienenspiel von Timoteo hindert einen daran, die Geschichte um den Greif sein zu lassen. Um es so auszudrücken: Auch die Mutter kann zum Monster werden. Nur sind bei ihr weder Masken noch Krallen vonnöten, um das Fürchten zu lehren.*

* Dieser Text von Nina Kobelt, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

(SDA)

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