Heute wird der grosse Walo Lüönd 85 Jahre alt
«Ich habe den Tod meines Sohnes nie verkraftet!»

Publiziert: 13.04.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:00 Uhr
Interview: André Häfliger

Wie geht es Ihnen?
Walo Lüönd: Dem Alter entsprechend gut. Ich habe zum Glück keine Beschwerden, einzig das Laufen macht mir etwas Mühe, aber da hilft ein Gehstock.

Und Ihrer Gattin Eva-Maria?
Sehr gut. Seit dem 19. Januar sind wir 55 Jahre verheiratet. Das ging damals in Essen sehr schnell mit uns. Im September lernten wir uns kennen, vier Monate später trugen wir schon Eheringe. Und wir sind immer noch ein Herz und eine Seele.

Was bedeutet es, 85 zu werden?
Ich bin stolz und froh, ein so hohes Alter erreichen zu dürfen. Wenn man so alt sein darf, ändert sich allerdings nicht viel. Ausser, dass man immer mehr gute Freunde verliert. Deshalb sage ich: Solange ich gesund bin, ist mir jedes Alter recht.

Wie feiern Sie?
Wir haben an Ostern schon etwas vorgefeiert – bei einem feinen Gitzi-Essen. Am Geburtstag bleiben wir hier im Tessin, treffen uns den ganzen Tag gemütlich mit Freunden.

Was ist das Schöne am Alter?
Weiser, ruhiger und gelassener zu sein. Man steht über den ­Dingen, hat weiniger Ängste, ist dankbar für alles, was man erreichen konnte. Dazu schwelge ich täglich in zahllosen herrlichen Erinnerungen. Ich hatte ein tolles und ­erfülltes Leben!

Und das Schlimme daran?
Es ist nicht wirklich schön, alt zu werden. Auch ich erlebe es, wie mein Körper immer weniger mitmacht, wie ich zwangsläufig auf vieles verzichten muss. Um ganz gut zu schlafen, hilft nun halt manchmal eine Tablette. Aber klagen will ich nicht, ich habe viel Glück.

Wie alt wollen Sie werden?
Das bestimme nicht ich, aber es wäre schön, noch ein paar Jahre hierbleiben zu dürfen. 100 Jahre alt möchte ich nicht werden. Weil ich fürchte, dann zu viele Gebrechen zu haben.

Wann waren Sie am glücklichsten in Ihrem Leben?
In den 60ern, meine zehn Jahre in Berlin. Mauerbau, Kennedy-Besuch, heftige Protestbewegungen – das alles kriegten wir hautnah mit. Eine spannende, prägende Zeit. Ich war festes EnsembleMitglied an der Volksbühne – und damit auch viel in Deutschland unterwegs.

Die schwierigste Zeit im Leben?
Der Tod unseres erstgeborenen Sohnes Daniel im Jahr 1986. Er war als Schauspieler in München tätig und ist mit 30 freiwillig aus dem Leben geschieden. Niemand, auch seine engsten Freunde nicht, die am Abend vorher noch fröhlich mit ihm zusammen waren, konnte es begreifen. Wir brauchten Jahre, um diesen Schicksalsschlag einigermassen zu verkraften. Aber so richtig verkraftet habe ich ihn nie.

Was macht Ihr anderer Sohn, der 54-jährige Oliver?
Er wohnt mit seiner Partnerin Nanette im Kanton Aargau und ist als Elektrotechniker tätig. Sie hätten gerne Kinder – und wir Enkelkinder. Aber leider hat das bisher noch nicht geklappt.

Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Ja, sehr sogar! Ich bin gläubiger Katholik, gehe allerdings selten in die Kirche. Ich glaube aber an Gott als übergeordnete, lenkende Kraft. Weniger bedeuten mir die weltlichen Institutionen, ganz furchtbar finde ich die vielen Religionskriege, die es leider schon gegeben hat. Ich finde jeden Abend meine besinnlichen Momente beim Abendgebet. Das gibt mir viel Kraft.

Glauben Sie an Wiedergeburt?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nicht nur einmal auf dieser Welt leben. Vielleicht auch auf einem anderen Planeten, wer weiss. Ob als Mensch oder als Tier, eventuell als Pflanze. Wenn ich als Tier geboren werden sollte, dann am liebsten als freilebendes und wildes Pferd.

Der neue «Dällebach Kari» floppte im Kino. Eine Genugtuung für Sie?
Nein, ich bin kein zynischer Mensch. Ganz gewundert habe ich mich aber nicht. «Dällebach Kari» ist ein Klassiker. So was ist nur schwer wieder neu zu verfilmen. Man hat es gesehen – und will es vermutlich in neuen Versionen gar nicht wieder sehen. Oder vielleicht war es nach dem Musical, das ich übrigens sehr gut fand, einfach zu viel.

Würden Sie selber gerne noch einmal eine Rolle spielen?
Ja. Das ist ein Traum, den ich habe. Eine Anfrage für ein Filmprojekt, das nächstes Jahr realisiert werden soll, ist da. Ich spiele eine zu meinem Alter und meinem Typ passende Rolle. Mehr darf ich nicht verraten.

Haben Sie Angst vor dem Tod?
Nein, solange er nicht schmerzhaft ist. Ich stelle mir vor, dass man einfach plötzlich wegtritt. Am liebsten würde ich einschlafen und nicht mehr erwachen.

Und wenn Sie leiden müssten?
Das wäre schlimm! Dann, wenn ich oder meine engsten Angehörigen wüssten, dass ich keine Chance mehr hätte, wäre ich damit einverstanden, dass man mir eine Spritze oder einen Todesdrink gibt. Das habe ich aber nirgends schriftlich festgelegt – und bei Exit bin ich auch nicht dabei.

Schon ein Testament gemacht?
Nein, aber wir haben innerhalb der Familie mehr oder weniger alles mündlich besprochen. Vielleicht befasse ich mich zu wenig mit dem Tod.

Wo wollen Sie beerdigt werden?
Ich habe mich noch nicht entschieden. Nach über vier Jahrzehnten kann ich es mir aber schon vorstellen, hier im Tessin für immer zu ruhen.

Nie einsam im Tessin?
Manchmal fehlen mir die Freunde von früher, die weit weg sind, schon. Aber einsam fühle ich mich nie. Ich habe meine liebe Gattin, sicher ein Dutzend Bekannte und Freunde – mein Leben ist immer noch abwechslungsreich.

Wie abwechslungsreich?
Ich lese viel. Zeitungen, Biografien, die schon immer meine Lieblingsbücher waren. Weil man davon am meisten lernen kann. Ich habe gerade jene von Karl May gelesen. Am Fernsehen schaue ich vor allem Nachrichten und Reisedokumentationen. So schön, einen Ort zu sehen, wo man schon war! Kuba und die Fahrt auf dem Nil haben mir bisher am besten gefallen.

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