Hazel Brugger im Interview beim SonntagsBlick Magazin
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Kabarettistin und Moderatorin:Hazel Brugger im Interview beim SonntagsBlick Magazin

Hazel Brugger will nicht zurück in die Schweiz
«Eine Show bei SRF interessiert mich momentan null»

Hazel Brugger ist die erfolgreichste Schweizer Kaberettistin. Deshalb hat sie auch fast keine Zeit. Ein Gespräch im Auto über halbvolle Gläser, politische Korrektheit und die Frage, wann sie eine Show bei Netflix bekommt.
Publiziert: 23.11.2019 um 13:14 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2020 um 10:34 Uhr
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Hazel Brugger probiert in der Autobahnraststätte Würenlos Sonnenbrillen an – ein ganz normaler Tag im Leben eines Comedy-Stars.
Foto: STEFAN BOHRER
Benno Tuchschmid

Die Managerin von Hazel Brugger meldet sich ein paar Tage vor dem Interview-Termin per E-Mail. Brugger habe wenig Zeit. «Können Sie das Interview im Auto auf dem Weg von Zürich nach Basel führen?» Wir organisieren ein Auto. Drei Tage später setzt sich der derzeit grösste Schweizer Comedy-Star in der Zürcher Innenstadt auf den Beifahrersitz eines sehr grossen, sehr neuen Autos und schaut auf die Post-it-Zettelchen, die am Armaturenbrett kleben. «Sind das Ihre Notizen?», fragt Hazel Brugger. «Keine Angst, die brauchen Sie nicht. Ich werde so viel reden, dass all Ihre Fragen so oder so abgedeckt sind.» Hazel Brugger gilt als «böseste Frau der Schweiz». Die Liste der Menschen, die in Interviews mit ihr untergingen, ist lang und umfasst unter anderen Roger Schawinski und Jan Böhmermann. Keine Situation, in der man sich hinter dem Steuer eines unbekannten Autos im dichten A1-Verkehr wünscht.

Es piepst laut im Auto.

Hazel Brugger: Was ist das? Ein Sensor?

Ich glaube, es ist eine Geschwindigkeitswarnung.
Wirklich? Dann drücken Sie mal richtig aufs Gas!

Sie geben sehr wenige Interviews. Wieso?
Alle Fragen sind gestellt. Um ehrlich zu sein, ist das hier für mich einfach eine günstige Möglichkeit, um nach Basel zu kommen. Ich hab kein GA mehr und am Abend einen Auftritt. Wenn es Ihnen zu unlustig wird, können Sie im Fall auch einfach meine Show abschreiben.

Lieber nicht.
War nicht ernst gemeint. Manche deutschen Regionalzeitungen tun das aber tatsächlich. Das ist grässlich. Als ob man einen Porno beschreiben würde. Einfach nicht geil.

Sie leben seit drei Jahren in Köln. Fühlen Sie sich in Deutschland zu Hause?
Mittlerweile, ja. Es war ein Prozess. In der Schweiz gibt es Migros- und Coop-Kinder. In Köln ist die nächste Einkaufsmöglichkeit ein Rewe-Markt. Der entspricht mir überhaupt nicht, es ist irgendwie laut und hektisch dort, und die Einkaufskörbe stehen jede Woche an einem anderen Ort. Aber seit ich mich damit abgefunden habe, bin ich in Deutschland angekommen.

Sie sind in Deutschland ein Star …
Sagen wir es so: Ich bin in Deutschland berühmter als in der Schweiz.

Aber die Deutschen können nicht mal Ihren Namen richtig aussprechen. Bru-gg-er, mit zwei G, wie die Stadt im Aargau, nicht Brugar. Kämpfen Sie wenigstens dagegen an?
Nein. Ich müsste meinen Namen mit ck schreiben, damit die Deutschen es verstehen würden. Aber ich sag meinen Namen mittlerweile selber falsch. Ich hab nicht die Kraft, um gegen 80 Millionen Menschen anzukämpfen. Ich bin schon froh, dass Sie Hazel richtig aussprechen. Und nicht Hasel.

Gibts einen Unterschied zwischen deutschem und Schweizer Publikum?
Ist ein Klischee, aber das Schweizer Publikum ist tatsächlich langsamer. Ich will damit aber auf gar keinen Fall sagen, dass die Schweizer dümmer sind. Schon gar nicht im SonntagsBlick Magazin. Wie reisserisch wird dieses Interview eigentlich?

Sehr reisserisch.
Titel: Hazel Brugger wird im SUV rumgekarrt.

Nein, «Hazel Brugger verlangte einen SUV». Sie interviewen für die ZDF-«heute-show» die mächtigsten Politiker Deutschlands. Wie witzig sind die?
Pauschal kann man es so sagen: Mittepolitiker sind unwitzig. Rechte können alles sein.

Auf der Überholspur

Hazel Brugger (25) wuchs als Tochter eines Neuropsychologen und einer Englischlehrerin in Dielsdorf ZH auf. Mit 17 begann sie als Slam-Poetin aufzutreten. 2013 wurde sie Schweizer Meisterin. 2016 wurde sie als Kolumnistin des Jahres ausgezeichnet. 2017 gewann sie als jüngste Gewinnerin den Salzburger Stier für die Schweiz. Seit drei Jahren arbeitet Hazel Brugger regelmässig für die ZDF-«heute-show». Mit ihrer Show «Tropical» ist sie derzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs.

Hazel Brugger (25) wuchs als Tochter eines Neuropsychologen und einer Englischlehrerin in Dielsdorf ZH auf. Mit 17 begann sie als Slam-Poetin aufzutreten. 2013 wurde sie Schweizer Meisterin. 2016 wurde sie als Kolumnistin des Jahres ausgezeichnet. 2017 gewann sie als jüngste Gewinnerin den Salzburger Stier für die Schweiz. Seit drei Jahren arbeitet Hazel Brugger regelmässig für die ZDF-«heute-show». Mit ihrer Show «Tropical» ist sie derzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterwegs.

Linke sind immer witzig. Fast alle deutschen Politiker spielen gerne den passiven Teil, wenn Humor stattfindet. Das kann ich jetzt endlich mal mit einer grossen Leserschaft teilen: Die passive Rolle sollte im Humor mehr Anerkennung erhalten!

Wie meinen Sie das?
Im Jiddischen gibt es diese Geschichte von Schlamassel und Schlemihl. Der Erste ist jener, über den Suppe verschüttet wird. Der Zweite jener, der die Suppe ausgeschüttet hat.

Sie finden, Schlamassel wird zu wenig respektiert?
Ja. Das wird dann als Humorlosigkeit missverstanden. Man sagt ja immer, die Schweizer hätten keinen Humor. Das ist falsch. Schweizer kommen einfach nicht in einen Raum und ballern mit Witzen um sich. Das hat etwas mit Erziehung zu tun.

Hat Sie Ihr Erfolg eigentlich zahmer gemacht?
Ja, vielleicht manchmal. Aber es gibt auch Orte, wo ich absichtlich keinen Filter einbaue und einfach alles sage oder schreibe. Twitter zum Beispiel.

Vor kurzem schrieben Sie dort zum Beispiel: «Das Glas ist halbvoll – mit Scheisse».
(lacht) Das wurde dann als politische Satire gedeutet, weil ich es im Umfeld der Wahlen im deutschen Bundesland Thüringen schrieb, wo die AfD 23,4 Prozent holte. Dabei ging es im Tweet gar nicht um Politik.

Worum dann?
Um Gläser und Scheisse. Und um Hoffnungslosigkeit im Optimismus. Das war ein komplexer philosophischer Gedanke getarnt als dummer, politischer Gedanke. Genau das ist für mich die Essenz der Schweizer Comedy!

Sie gehen unter anderem auf Parteitage der AfD und machen Witze. Verharmlosen Sie damit nicht die extreme Rechte?
Schwierige Frage. Die AfD ist mittlerweile ja so etabliert, da kann es sich die «heute-show» als politische Satiresendung gar nicht erlauben, nicht über sie zu reden. Aber ich weiss nicht, ob das eine gute Antwort ist.

Das Auto piepst. Laut.

Ich denke, das Auto piepst, wenn ich die Spur nicht halte.
Sie sind rechts abgedriftet!

Wenn Sie mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel reden, suchen Sie dann etwas ausser einem Lacher?
Was ich mag, ist Politiker, die ihr Image und ihre Sprache permanent unter Kontrolle halten wollen, in kurzen, ungeplanten Momenten der Ehrlichkeit zu erwischen.

Aber es ist nicht Ihr Ziel, Alice Weidel verbal zu zerstören?
Vielleicht sehe ich das zu wenig als meine Aufgabe. Man muss aber schon auch sagen: Niemand schaut sich meine Sachen an, weil er sich unsicher ist, ob er AfD wählen soll. Was soll ich an Alice Weidel noch entlarven? Sie sagt ja alles offen. Erschreckend, aber faszinierend.

Wieso faszinierend?
Die hat, glaube ich, Zalando mitaufgebaut, arbeitete sechs Jahre in China, ist als deutsche Lesbe mit einer Schweizer Tamilin zusammen – und gleichzeitig rechtsradikal. Das ist biografisch schon hochinteressant.

Sie haben in einem Interview gesagt, Sie wollen in den nächsten 25 Jahren die deutschsprachige Comedy-Szene prägen.
Ja, weil es mich ehrlich und aufrichtig nervt, dass viele Menschen sagen: Ich lache gern, aber ich hasse Comedy.

Liegt das daran, dass es keine gute Comedy gibt oder die Menschen zu faul sind, sie zu finden?
Es ist nicht die Aufgabe der Konsumenten, gute Comedy zu suchen. Das Produkt muss einfach so präsent sein, dass man gar nicht mehr drum herumkommt. Man muss den Markt einfach zuschütten mit Dingen, die gut sind.

Der Ort für Comedy ist heute der US-Filmstreaming-Dienst Netflix. Die grössten Comedians der Welt präsentieren dort exklusiv neue Programme. Hat Netflix schon einmal mit Ihnen gesprochen?
Ja, vielleicht, kann sein, weiss ich nicht.

Sie werden also eine Show für Netflix produzieren?
Da kann ich nicht drüber reden.

Das heisst: Ja.
Kann sein, vielleicht heisst es aber auch einfach, dass ich nichts sagen will, um es mir nicht zu verspielen.

Alle berühmten Komödianten in den USA gehen irgendwann zum Film. Wann tun Sie das?
In den USA hat Kino einen höheren Stellenwert als die Bühne. Das ist bei uns nicht so. Ich zum Beispiel kenne quasi keinen Schweizer Schauspieler.

Sie könnten ja auch in einem deutschen Film mitspielen.
Dann wäre das höchste der Gefühle, dass ich Matthias Schweighöfers Mutter in einer Verwechslungskomödie spiele. Dann kommt aber niemand mehr zu meiner Show.

In der Schweiz wünschen sich ja vor allem alle, dass Sie bei SRF eine Late-Night-Show moderieren. Ist das eine Möglichkeit?
Eine Show bei SRF interessiert mich momentan null. Es gibt ja hier auch schon zwei coole Late-Night-Shows. Mich interessiert gerade vielmehr, wann und weshalb dieses Auto piepst! Seit ich in Deutschland bin, wünschen sich ein paar Menschen in der Schweiz die Hazel Brugger zurück. Das ist bei den meisten Verklärung. Wie wenn man sagt: Oh, wir müssen unbedingt nochmals mit dem Camper nach Korsika. Und wenn man dann dort ist, will man nur noch ins Hotel.

Das ist Ihre Art zu sagen: Ich bin zu gross für die Schweiz!
Nein, das würde ich nie sagen, und es geht übrigens noch deutlich grösser. Ich glaube einfach, dass es eine Sackgasse wäre, jetzt zurück in die Schweiz zu kommen. Läuft es dann schlecht, ist die Karriere vorbei. Läuft es gut, dann tu ich nichts anderes mehr. Wann sind wir eigentlich in Basel?

So in 15 Minuten. Wissen Sie, wer auch bald in Basel auftritt?
Louis CK, ich kann aber leider nicht hin.

Louis CK war so etwas wie Ihr Idol. Der US-Amerikaner galt als grösster Stand-up-Comedian der Welt, bis im Zuge der #MeToo-Debatte ans Tageslicht kam, dass er unter anderem vor zwei Berufskolleginnen masturbiert hatte. Darf man seine Shows noch besuchen?
Ich würde es so sagen: Man darf ihn weiterhin lustig finden, aber man muss auf gar keinen Fall Mitleid haben mit ihm.

Sie finden, dass man den Künstler und sein Werk trennen muss?
Nein, das finde ich nicht. Aber man soll Konsument und Künstler trennen. Man kann Wagner gut finden, ohne Juden zu hassen. Zumindest hoffe ich das, sonst haben wir ein gröberes Problem.

Ist es heute eigentlich schwierig, Comedy zu machen, weil jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird?
Ach, ich weiss nicht. Wer behauptet, dass man nichts mehr sagen dürfe, ist faul. Dann pass dich halt an! Das muss die Automobilbranche auch. Also hört auf zu weinen. Comedians, die sich über den Zeitgeist beklagen, sind meistens einfach nicht gut genug.

Dieses Auto steuert selbst.
Echt?

Ja, es hält die Spur.
Interessant. Das hatte ich noch nie. Wir hätten ja auch mit dem Zug nach Basel fahren können, aber das wäre langweiliger gewesen.

Hazel Brugger macht mit ihrem Programm «Tropical» ab dem 16. Januar auch in der Schweiz halt, unter anderem in Bern, Wil SG, St. Gallen und Zürich.
Weitere Daten und Infos unter www.hazelbrugger.com

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