Ach, was waren das für Zeiten, als die halbe Schweiz im Frühling nach Genf an den Autosalon pilgerte. Täglich gab es mehrere Extrazüge, Genf war für ein paar Tage der Nabel der Schweiz. «Der Autosalon gehört zu Genf wie der Jet d’Eau. Er vereinte das Land, brachte wichtige Leute aus aller Welt hierher und war eines der Highlights des Jahres», schwärmt Hausi Leutenegger (84). «Und die Partys, die es gab, jeden Abend im grossen, dann im kleinen Kreis, mit Abschluss immer in einem der Nachtklubs von Genf.»
Er, der in Genf als Ostschweizer «Bauchnuschti», wie er selber sagt, ein Millionenunternehmen mit Leiharbeit aus dem Boden gestampft hat, war einer der treusten Gäste des Megaevents (mit über 700'000 Besuchern): «Ich kaufte jedes Mal ein Auto, Unternehmer unterstützen sich gegenseitig.» Dass nun nach vier Jahren Pause wieder ein Salon in Genf stattfindet, organisiert von der Geneva International Motor Show GIMS, freut ihn. Aber: «Die neue Organisation hat eine Partnerschaft mit dem Emirat Katar, und es ist nicht mehr dasselbe. Was soll ein Salon mit einem Ableger in der Wüste? Geld ist da sicher vorhanden, aber die Seele, die ist in Genf.» Es seien gute Leute am Ruder, man müsse ihnen Zeit geben, um an die glorreiche Vergangenheit anknüpfen zu können. «Covid hat den Salon kaputt gemacht. Jetzt brauchts Zeit für den Wiederaufbau.»
«Meine Lebensversicherung»
Autos, das sind für Hausi Mittel zum Zweck. Er nennt rund zehn sein Eigen, verteilt auf seine verschiedenen Wohnsitze zwischen Freienbach SZ, Kanton Genf, Waadt, Wallis und Gran Canaria. Nur zu einer Marke hat er eine wirklich innige Beziehung: zu Mercedes. «Diese Autos sind meine Lebensversicherung. Ich fahre 40'000 Kilometer pro Jahr, besuche regelmässig alle Filialen meiner Firma.»
Heute ist er in Rolle GE am Genfersee. Gäste holt er am Bahnhof mit einem Mercedes S 500 ab. Die Sitze sind butterweich, im Radio läuft Musikwelle, ziemlich laut. Hausi versucht mehrmals erfolglos, den Ton abzustellen, lacht dabei fröhlich und mokiert sich über all die Knöpfe und Tablets, die das Bedienen eines Autos heutzutage zu einer halben Doktorarbeit machen. Sein Fahrstil ist so, wie er selber ist: Gas geben, abbremsen, Gas geben.
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In der Einfahrt seiner Villa La Cigale am See stehen ein weiterer schwarzer Mercedes (SL 63 AMG) und ein Bentley Cabrio. «Den Bentley hat mir mein Sohn Jean-Claude geschenkt. Der Garagist sagte ihm, das sei sein Auto für mich, also hat er es gekauft.» Das schicke Gefährt hat allerdings einen Nachteil: «Wenn ich auch nur ein bisschen Gas gebe, haut der ab wie eine Rakete. Drum benutze ich ihn nur, wenn ich auf den Golfplatz fahre.» Da ist es wieder, dieses Lachen, von dem, der sich selber nicht zu ernst nimmt, der weiss, dass sich Stärke auch daran misst, dass man Schwächen zugeben kann.
«Ich schlich mich weg»
Seit 1972 hat der Bob-Olympiasieger fast jeden Salon besucht. «Damals lud mich Direktor Ruedi Huser zum ersten Mal ein. Daraus ist eine innige Freundschaft entstanden.» Nur dreimal habe er seitdem gefehlt, zweimal wegen Dreharbeiten («wurde von Ruedi akzeptiert»), einmal, weil er auf Gran Canaria war. «Dieses eine Schwänzen hat mir dann drei Monate Schweigen von Ruedi eingebracht.» Monsieur Autosalon, wie Huser genannt wurde, starb 2009 knapp 77-jährig. «In meinem Alter muss ich mich daran gewöhnen, dass Freunde und Gefährten sterben. Das ist sehr traurig», sagt er nachdenklich. Wenn er Ruhe brauche, fahre er gern Auto, da könne er allein sein. Denn der Hausi, wie ihn die ganze Schweiz nennt, ist bekannt wie ein bunter Hund, wird überall angesprochen, jeder will ein Stück von ihm.
Das war auch zu den Glanzzeiten des Autosalons so – er, der Olympionike, Schauspieler («Commando Leopard», «Der Commander», einige «Tatort») und erfolgreicher Unternehmer, ist eine Attraktion. «Ruedi bat mich immer, bei der Eröffnung mit den Bundespräsidenten mitzugehen. Das machte ich gern, aber ich blieb nur bis kurz vor Schluss. Die geladenen Gäste wurden dann in den VIP-Bereich geleitet, ich schlich mich weg und ging bei Mercedes Wienerli und Brot essen.»
40 Liegestütze jeden Morgen
Andere Zeiten seien das gewesen, schöne Zeiten. Aber Hausi blickt nach vorn, genau wie im Business: Genügte früher ein Handschlag für einen Deal, müssen heute Formalitäten eingehalten werden, bevor überhaupt eine Offerte erstellt wird. Die Geschäfte seiner Hans Leutenegger AG mit rund 800 Angestellten hat er deshalb in die Hände von Sohn Jean-Claude, 52, Schwiegersohn Jean-Paul und die von CEO Urs Vögele (63) gelegt. Wie charakterisiert der seinen charismatischen Boss? «Ich schätze die Freiheit, die mir mein grosszügiger Patron gibt.» Und Sohn Jean-Claude meint: «Meine Schwester Corinne und ich haben Freude an der Energie und dem Enthusiasmus unseres Vaters.»
Langfristige Pläne will Hausi keine nennen. «Ich mache kein Programm mehr, denke nicht drüber nach, was nächstes Jahr ist.» Er geniesse jeden Tag, gehe jetzt dann wieder nach Gran Canaria. «Ich habe hart gearbeitet, Tag und Nacht, als ich meine Firma aufbaute. Ohne das geht es nicht. Dann begann es gut zu laufen, und ich bin so dankbar dafür. Das ist eben wichtig, man muss auch dankbar sein.» Und noch einen Rat hat er parat: «Vergesst den Sport nicht! Morgens als Erstes auf dem Rücken liegend Knie anziehen, sie links und rechts auf den Boden bringen. Danach mindestens zehn Liegestütz. Ich mache 40. So bleibt man fit – auch im Kopf.»