Auf einen Blick
- Hausi Leutenegger wird 85 und verspricht seiner Frau, keine Homestorys mehr zu machen
- Er geniesst das Leben auf Gran Canaria und reflektiert über seine Vergangenheit
- Leutenegger spendete über 25 Millionen an Sportorganisationen und hatte 1000 Mitarbeiter
Jetzt ist Schluss! «Adios, Amigos.» Davon ist Hausi Leutenegger (85) überzeugt. «Diese Homestory ist die letzte. Das habe ich meiner Frau Anita versprochen. Und ich will nicht, dass sie mir noch davonläuft.» Der Thurgauer, der das Herz auf der Zunge trägt und gern Schwänke aus seinem Leben erzählt, wird am 16. Januar 85. Ist der Spuk vorbei, wird er am Pool eine Davidoff-Zigarre rauchen und endlich einmal ernsthaft Rückschau halten.
Was ist bloss mit dem lebenslustigen Jetsetter los? Ist Hausi, der keine zehn Meter spazieren kann, ohne dass jemand ein Selfie mit ihm will, etwa krank? Das Gegenteil ist der Fall. «Tief im Innersten bin ich ein einsamer Mensch. Ich habe es oft überspielt, war gispelig und rastlos. In meinem Alter ist jeder Tag ein Geschenk. Es ist gut, ruhiger zu werden und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.»
Leutenegger ist eine imposante Erscheinung. Schlanke Statur, üppige Lippen, sympathisches Lächeln. Den gepflegten Schnauz und sein grau meliertes Haar hält er mit einem Kamm in Form, den er verstohlen im Hosensack trägt. Dank 50 Liegestützen pro Tag ist der Profiturner und Bob-Olympiasieger noch immer in Schuss. Auch gesundes Selbstbewusstsein hilft. «Man sollte viel öfter zu sich sagen: Ich bin eifach en Sibesiech!» Sätze wie diese sind typisch. Es ist weder bluffig noch ironisch gemeint. Hausi bringt es einfach gern auf den Punkt.
Jeden Morgen um sieben hüpft er in den Pool und trinkt einen Appenzeller Alpenbitter. Das sei gut fürs Herz, ist der Golfer überzeugt. Früher trumpfte er mit Handicap 9,8 auf. Heute ist er «nur» noch zweimal pro Woche auf dem Championship-Platz anzutreffen, der an seine Acht-Zimmer-Villa grenzt.
Der Verzicht machte ihn stark
Es ist Januar. Kein Wölkchen trübt den blauen Himmel. Im Laufe des Nachmittags wird das Thermometer auf sagenhafte 25 Grad klettern. Vor 44 Jahren kaufte sich der Unternehmer vor den weltbekannten Dünen von Maspalomas ein Anwesen mit acht Zimmern. Gran Canaria bescherte Hausi Leutenegger viele Glücksmomente. «Ich geniesse das Leben auf der Sonnenseite. Hier unten hat es so viele alte Leute, da bin ich fast der Jüngste.»
Mit Stolz präsentiert er den prachtvollen Palmengarten. Munter zwitschern die Papageien in der Voliere drauflos. Vögel faszinieren den Naturfreund: «Weil sie frech und intelligent sind.» Der Arbeiter- und Bauernsohn wuchs in der hinterthurgauischen Gemeinde Höfli auf. «Mein erstes Haustier war eine Krähe namens Köbi. Der war vielleicht eine Nummer! Er hat die ganze Gegend terrorisiert und fiel vor lauter Neugier in den Kamin.»
Schwimmen lernte Hausi im nahen Bichelsee. «Der Badi-Eintritt kostete 20 Rappen. Meine Eltern hatten acht Kinder, Geld gabs keins. Ich musste mich reinschleichen.» Manche Kindheitserinnerungen machen ihn heute noch traurig, brannten sich ins Gedächtnis ein. Wie die Männer, die im «Tannzapfenland» jeden Abend mit dreckigem Gesicht und grimmiger Miene aus dem Arbeiterzug steigen und von ihren Chefs geplagt werden.
Vater Alois war einer von ihnen. Sein Monatslohn: 500 Franken. Der Kleinbauer musste dazuverdienen. Er war streng, zeigte keine Liebe. Am Wochenende mussten die Buben mit in den Wald zum Holzen. Mit Mutter Margrit war der Umgang herzlicher. «Sie war eine tolle Frau, hat gut zu uns Kindern geschaut. Trotzdem waren wir ein Niemand. Im Gottesdienst sassen die Reichen immer vorne in der Bank, die Armen standen hinten an. Als ich das begriff, war mir klar: Dieses Theater mach ich nicht lange mit.»
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Vom Chrampfer zum Multimillionär
Hausi war in der Schule kein Held, konnte aber rechnen wie ein Weltmeister. Und war eine Sportskanone, gewann als Turner einen Kranz nach dem andern. Wegen seines fröhlichen, gewinnenden Wesens wurde er schon bald eine regionale Berühmtheit. Natürlich gabs Wermutstropfen. Der Bub wird als «Tschingg» beschimpft, weil er damals schon braun gebrannt durch die Gegend stolzierte. Er machte eine Bauschlosser-Lehre.
Über die Worte seines Ausbildners muss er heute noch grinsen: «Hans, als Schlosser machst du keine Karriere. Geh nach Hollywood und dreh Filme. Wenn das nicht klappt, tritt als Clown im Circus Knie auf. Und wenn das auch nichts wird, geh nach Italien zur Mafia. Dort bist du in kürzester Zeit der Boss.»
Leutenegger wird Boss, allerdings in Genf und nicht in Kalabrien. Er stampft eine Temporär-Montagefirma mit 1000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 100 Millionen Franken aus dem Boden. «Ohne Bankkredit!» Lachend sagt er: «Mit 50 wurde mir das erste Mal schlecht, als ich das viele Geld auf meinem Konto sah.»
Der «Hopp-de-Bäse-Hausi» holt 1972 im Viererbob Olympiagold. Auch sein Traum von Hollywood erfüllt sich. Mit Klaus Kinski dreht er 1985 den Actionfilm «Kommando Leopard – knallharte Söldner in tödlicher Mission». Kinski über Leutenegger: «Er ist ein feiner Mensch, der nicht lügt und durch seine eigene Energie überzeugt.» Hausi wird zur Kultfigur, ist ganz grosses Kino. Und bleibt doch mit beiden Beinen am Boden. «Wer so einfach aufgewachsen ist wie ich, der bleibt es im Herzen ein Leben lang. Oder er fängt an zu spinnen.»
Hausi Leutenegger: «Ich bin immer nett zu allen»
Hausi verschenkt goldene Cartier-Kugelschreiber und Golfhandschuhe wie andere Visitenkarten und spendete über 25 Millionen an Sportorganisationen. Seine Grosszügigkeit ist legendär. Dabei hilft ihm seine Menschenkenntnis: «Ich schaue jemandem in die Augen und weiss, wie er tickt.»
Was gibt dem Glückspilz Halt, der wie Peter Pan durchs Leben zu schweben scheint, ohne älter zu werden? Die Nachfolge seiner Firma ist geregelt. Das Verhältnis zu seinen Kindern Corinne Anne (57) und Jean-Claude (52) innig. Einzig der Wunsch nach einer Handvoll Enkel blieb ihm versagt.
«Das Beten gibt mir Kraft. Ich gehe jeden Sonntag in die Kirche. Den Pfarrer kenne ich persönlich.» Hausis Lebensweg ist mit Schicksalsschlägen gepflastert. Beim Sport zog er sich schwere Verletzungen zu. 2008 starb seine erste Frau Elfriede an einem Hirntumor. Viele Freunde folgten. Denkt er an seine verstorbenen Geschwister, wird ihm noch schwerer ums Herz. «Dann frage ich mich: Wann bin ich dran?»
Die Jährchen, die ihm bleiben, möchte er ohne Gebrechen mit wachem Geist geniessen. Nach dem Motto: «Solange man auf der Erde ist, muss man positiv denken und vorausschauen. ‹Alles, was fürsi gaht, isch guet›», sagt Hausi «Schlitzohr» Leutenegger. «Das gilt auch für den Golfball.»