Hans Erni (†106) ist tot
«Ich hatte nie vor, so alt zu werden»

Es war ein sehr langes und äusserst bewegtes Leben, das Hans Erni hatte. Der Luzerner Künstler wurde vom geförderten Staatskünstler zum gehassten Kommunisten zur geachteten Legende.
Publiziert: 22.03.2015 um 15:13 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 18:06 Uhr
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Der Maler, Zeichner, Bildhauer und Humanist Hans Erni zeigt sein schönstes Lachen, kurz vor seinem 106. Geburtstag.
Foto: Stefano Schröter

«Friedlich eingeschlafen», sei Hans Erni, teilte Tochter Simone Fornara-Erni zum Tod des Künstlers mit. Zu viel hat Hans Erni gesehen, als dass er die Welt nach 106 Jahren anders verlassen hätte. «Sich um das Ende zu kümmern, ist sinnlos. Jeder ist vom physischen Ende abhängig, niemand weiss, wann es kommt. Nachher existiert nichts mehr von den Zusammenhängen, die uns hier so wichtig sind. Ich habe kein menschenunwürdiges Leben gelebt. Daher kann ich in Ruhe gehen», sagte Hans Erni, der als Sohn einer Bäuerin und ­eines Dampfschiff-Maschinisten mit drei Brüdern und vier Schwestern in Luzern aufwuchs, einst. «Übrigens hatte ich gar nie vor, so alt zu werden.»

Gegenseitiger Respekt

Den Sinn des Lebens sah er in der «Idee des Zusammenlebens. Ich wünsche niemandem etwas Böses. So stehe ich auf und mit demselben Gedanken gehe ich auch schlafen. Respektvoll miteinander umzugehen, das Gute zu tun und das Schlechte zu überwinden, das ist doch, worum es geht.»

Dabei hätte Hans Erni durchaus Grund zum Groll gehabt. Seinen künstlerischen Durchbruch erlangte er 1939 mit dem Auftrag, für die Landesausstellung ein monumentales, 100 Meter langes Wandbild der Schweiz zu erschaffen. Damit avancierte Erni zum Staatskünstler – doch gleichzeitig wurde er zum Staatsfeind. Es war die Zeit, in welcher sich die geistige Landesverteidigung gegen Sozialismus und Kommunismus richtete. Erni, der nie einer Partei angehörte, wurde seine Freundschaft mit dem Schweizer Kommunisten Konrad Farner († 70) zum Verhängnis. In der Folge entzog man ihm den Auftrag für die neue Schweizer Banknotenserie, an welcher er mehrere Jahre gearbeitet hatte. Bereits gedruckte Noten wurden eingestampft. Noch 1950 erklärte der Bundesrat, Hans Erni werde keine staatlichen Aufträge mehr erhalten. Eine Einladung an die Biennale von São Paulo in Brasilien wurde verhindert.

Zwei Jahrzehnte lang geächtet

Während zwei Jahrzehnten war Erni von der Schweiz regelrecht geächtet. Politische Rehabilitation erlangte er erst Mitte der 60er-Jahre, als an einer Erni-Ausstellung in Schaffhausen zwei Bundesräte sowie die versammelte Armeespitze teilnahmen. 1989 entschuldigte sich Ruth Dreifuss (74) im Namen des Bundesrats für dessen frühere Rolle.

Erni, dessen Schwester Maria vor rund einem Jahr im Alter von 107 Jahren starb, meinte dazu gelassen: «Die Gesellschaft wollte aus mir einen Kommunisten machen und mich so vernichten. Was nicht ganz ge­lungen ist. (Hans Erni lächelt sanft, nimmt dann langsam einen Schluck frisch gepressten Orangensaft.) Ich wurde bekämpft, man wollte mir den Kopf abschlagen, es ging darum, mich still zu machen.»

Schon damals war Doris die Frau an seiner Seite. «Doris und ich haben sehr jung zusammen Volleyball gespielt. Was ursprünglich aus Fröhlichkeit, Sympathie und erotischer Spielerei entstand, entwickelte sich zu einem wunderschönen Zusammenleben. Wir haben unsere Liebe langsam aufgebaut. Vom ersten Tag an wuchsen wir mit- und anein­ander.» Zwei gemeinsame Kinder sind das Ergebnis dieser grossen Liebe.

Und immer, wenn er nach seinen Wünschen für die Zukunft gefragt wurde, antwortet Hans Erni: «Ich wünsche mir Zeit mit meiner Frau, meinen drei Kindern und meinen drei Enkeln. Das wäre mein grosses Glück.»

Dieses Glück ist nun vorbei. Und Hans Erni? «Ich kann mir den Himmel nicht vorstellen. Denn ich glaube nicht, dass ein Himmel existiert, der ernsthaft richtet oder vernichtet. Ich denke, wenn es mich putzt, ist es fertig.» (zeb)

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