50 Jahre lang haben Chemie-Nobelpreisträger Richard Ernst (84) und seine Frau Magdalena (81) Kunst aus der Himalaya-Region gesammelt. Ihr Haus in Winterthur ZH bot kaum noch genug Platz für die wahrscheinlich grösste Tibet- und Nepal-Kunstsammlung der Welt. Jetzt trennen sie sich von rund 100 Werken – «wir sind zu alt, um uns weiter um die Sammlung zu kümmern», erklärt Richard Ernst im Gespräch mit BLICK. «Aber wir werden sie vermissen», meint er, schon ein bisschen wehmütig.
Nur ein paar wenige Stücke aus den Anfängen behalten sie. «Nicht die wertvollsten, aber solche, die uns sehr am Herzen liegen», sagt Magdalena Ernst. Im März wird die Sammlung als Höhepunkt der Asien-Auktionen von Sotheby’s in New York versteigert. Für 10 bis 15 Millionen Franken, schätzt Stefan Puttaert, Chef von Sotheby’s Zürich.
«Nicht alle Bilder waren so alt wie behauptet»
Der Chemie-Nobelpreisträger von 1991 hat die Sammlung mit wissenschaftlicher Akribie gepflegt. Zu Zeiten, als Buddha-Bilder und Mandalas in Europa bestenfalls als gepflegtes Kunsthandwerk galten, erkannten er und seine Frau deren künstlerischen Wert, der über die spirituelle Dimension hinausgeht und wurden zu international anerkannten Experten für Himalaya-Kunst.
Als Chemiker machte Ernst auch eigenhändig spektrale Pigment-Analysen, um das wahre Alter und die Herkunft seiner Bilder zu ermitteln. «Da gabs manchmal schon Überraschungen», lacht er heute. «Nicht jedes Bild war so alt, wie der Händler behauptet hatte. Aber es gab auch welche, die viel älter waren als wir glaubten.» Die meisten seiner Kunstwerke entstanden zwischen dem 12. und dem 18. Jahrhundert.
«Diese Kunst will ich sammeln»
Das erste Thankga, ein Rollbild, das Buddhisten zum Meditieren in die Stube hängen, kauften Ernsts 1968 bei der Rückkehr von einem langjährigen USA-Aufenthalt, auf einer Asienreise in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Es zeigt vier Arhats, buddhistische Würdige, in einer Blumenlandschaft. «Es war wunderschön, und mein Mann sagte: Diese Kunst will ich sammeln», erinnert sich Magdalena Ernst und lächelt.
Gekostet hats 35 US-Dollar, damals rund 140 Franken. Nicht wenig, findet Magdalena Ernst, angesichts eines Monatslohns von 1000 Dollar, den ihr Mann damals bei einer Start-up-Firma im Silicon Valley bekam. «Ich war halt immer mutig im Geld ausgeben», schmunzelt Richard Ernst, der später noch viel Geld in seine Sammelleidenschaft steckte. «Der Nobelpreis allein hat nicht für alles gereicht», verrät er. Das Preisgeld für die höchste Wissenschaftsauszeichnung beträgt rund eine Million Franken.
«Das zweite Bild war ein wüstes Ding»
Das Thangka aus Kathmandu blieb eines der wenigen Werke, die Richard und Magdalena Ernst direkt vor Ort erwarben. Schon das zweite Thangka kauften sie in einem Asia Shop am Zürcher Limmatquai. «Ein wüstes Ding», lacht Magdalena Ernst. «Aber er wollte es unbedingt. Da hat er’s halt zum Geburtstag bekommen. Und wir habens nie jemandem gezeigt.»
Die meisten ihrer Sammlerstücke fanden sie bei Antiquitäten- und Kunsthändlern in Europa und den USA. «Wir hätten es als Kunstraub empfunden, den Leuten im Himalaya-Gebiet etwas wegzunehmen», erklärt Richard Ernst. «Was wir kauften, war dort ohnehin schon weg.» Aber wenn jetzt reiche Asiaten die Werke aus seiner Sammlung zurückholen, würde ihn das freuen.