Freundin von Esther Gemsch über die Folgen des Übergriffs von Regisseur Dieter Wedel
«Die Schandtat traumatisierte sie das Leben lang»

Schauspielerin Esther Gemsch (61, «Lüthi und Blanc») erhebt schwere Vorwürfe gegen den deutschen Erfolgsregisseur Dieter Wedel (75, «Der Schattenmann»). Er habe sie mit einem Vergewaltigungsversuch traumatisiert. Deswegen sei sie jahrelang nicht vor der Kamera gestanden. Wedel weist die Anschuldigungen zurück.
Publiziert: 28.01.2018 um 15:38 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:02 Uhr
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Gemschs Aussagen versetzten die Fernsehanstalten Deutschlands in Schock.
Foto: Mirko Ries
Matthias Mast

Vor 40 Jahren stieg Esther Gemsch (61) mit «Kleine frieren auch im Sommer» zum Star der Schweizer Filmszene auf. Ausländische Film- und Theatermacher wurden auf das junge Talent aufmerksam. Die Tür zur internationalen Karriere stand der Bernerin weit offen.

Doch zu Beginn der 80er-Jahre wurde es still um sie. Erst 1999 stand sie wieder für eine Fernsehsendung vor der Kamera: Die SRF-Erfolgserie «Lüthi und Blanc» machte Gemsch populär.
Bis dahin hatte sie Werbespots gedreht, als Synchronsprecherin gearbeitet und eine Familie gegründet: «Sie erwähnte immer wieder eine Schandtat, die sie traumatisierte und ihren beruflichen Werdegang sowie ihr ganzes Leben negativ beeinflusst habe», erinnert sich eine Freundin aus Bern.

«Gang durch die Hölle mit Wedel»

Diese Woche sprach Esther Gemsch erstmals öffentlich über diese Schandtat: «Ich habe mit Dieter Wedel einen Gang durch die Hölle gemacht», sagte sie der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit». Für den von Publikum und Kritik hochgelobten Regisseur («Der Schattenmann») stand sie 1980 für eine TV-Serie über den Leidensweg einer jungen Schauspielerin vor der Kamera.

Unter einem Vorwand habe Wedel sie in sein Hotelzimmer gelockt, berichtet Gemsch. Er habe sie aufs Bett geworfen und versucht, ihre Hose herunterzuziehen. «Er setzte sich rittlings auf mich, packte meinen Kopf bei den Haaren und schlug ihn immer wieder aufs Bett, einmal auch an die Wand und dann einmal auf die Bettkante. Er hat mir ins Gesicht gespuckt, seinen Speichel wieder abgeschleckt und gesagt: Wenn du mich küsst, kriegst du Schokolade.»

Auch weitere Schauspielerinnen beschuldigen Wedel

Gemschs Aussagen sowie jene von drei weiteren Schauspielerinnen, die Wedel sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung vorwerfen, versetzten die Fernsehanstalten Deutschlands in Schock. Die Chefs der Sender ZDF und ARD, für die Wedel zahlreiche Filme gedreht hatte, trafen sich zu Krisensitzungen.

Besetzungsgespräche unter vier Augen seien heute nicht mehr üblich, lautet eine offizielle Stellungnahme, und: «Grundsätzlich liegt die Verantwortung für die Organisation von Castings aber bei den Produzenten.»

Diese Verantwortung müsse wahrgenommen werden, betont Linda Geiser (82). Die Schauspielerin, die seit 56 Jahren in New York lebt, begann ihre Filmkarriere im gleichen Alter wie ­Esther Gemsch, mit der sie zusammen in «Lüthi und Blanc» vor der Kamera stand.

«Die Regeln der US-Schauspielergewerkschaft wären klar: Es gibt keine beruflichen Vieraugengespräche mit einem Regisseur oder Produzenten. Es muss immer eine Drittperson dabei sein», so Geiser, die 1964 mit der ersten Oben-ohne-Szene («Der Pfandleiher») US-Filmgeschichte schrieb.

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Esther Gemsch wirft dem deutschen Regisseur Dieter Wedel einen massiven sexuellen Angriff vor.
Foto: Mirko Ries

Wedel: «Schauspielerinnen müssen ein bisschen lieb sein»

Anlässlich seines 75. Geburtstags im vergangenen November gab Wedel dem Radiosender FFH ein Interview und äusserte sich dabei auch über seine Arbeit als Regisseur.

«Schauspielerinnen sind unter einem grossen Druck», sagte er. «Sie können die Julia nicht mit 30 spielen, die müssen sie mit 25 spielen, und plötzlich ist da einer, und der kann ihnen die Julia geben. Aber sie müssen ein bisschen lieb sein. Furchtbar, widerlich, schrecklich.»
Für Dieter Wedel gilt die Unschuldsvermutung.

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