Sie haben harte Wochen hinter sich. Ihre Mutter starb am 21. März, Ihr Stargast Claudio Zuccolini steht in der Kritik. Wie geht es Ihnen?
Fredy Knie jr.: Der Tod meiner Mutter war ein Schlag – dass sie ausgerechnet am Morgen unserer Premiere starb, war besonders hart. Ich funktionierte einfach nur, realisierte erst Tage später, als wir mal keine Vorstellung hatten, dass sie nicht mehr da ist. Das war ein schwerer Moment. Aber man muss auch das Schöne sehen: Mutter wurde 92 Jahre alt und konnte, bis sie friedlich einschlafen durfte, von ihrem Partner zu Hause betreut werden.
Nach der Premiere prasselte von allen Seiten Kritik auf Ihren Stargast, Claudio Zuccolini, nieder.
Ich bin froh um Kritik – das ist mir lieber als Heuchelei. Mit unserem Zirkus stehen wir in der Öffentlichkeit. Trotzdem fand ich es nicht fair, dass Claudio Zuccolini im Nachhinein so heftig kritisiert wurde, wo er doch bereits wusste, dass er sein Programm umstellen muss.
Wie oft kommt es vor, dass ein Stargast sein Programm umstellen muss?
Mindestens die Hälfte aller Komiker hatte Startschwierigkeiten. Emil strich 1977 nach der Generalprobe von sich aus eine ganze Nummer. Auch das Duo Fischbach hat das 2004 getan. Es dauert mindestens ein bis zwei Wochen, bis das Programm funktioniert. Für unsere Komiker ist es eine ganz neue Herausforderung, in der Manege zu stehen. Alleine die Tatsache, dass sie auch im Rücken Zuschauer haben, kann sie irritieren. Und dann gilt natürlich, dass das Publikum nicht nur ihretwegen in den Knie kommt, sondern wegen des ganzen Programms. Deshalb müssen sie sich noch mehr beweisen als im Kleintheater.
Wie wichtig ist ein Komiker für den Circus Knie?
Wir würden das Zelt bestimmt auch ohne Komiker füllen. Aber die Leute möchten im Zirkus auch herzhaft lachen können. Wenn ich jedes Jahr einen neuen tollen Clown finden würde, würden wir wahrscheinlich nicht so oft, Stargäste aus der Komikerszene einladen. Aber die echten, die wirklich guten Zirkusclowns sind am aussterben, Clowns wie Gaston und Rolf gefielen auch den Erwachsenen. Clowns mit roter Nase, die zweimal über die eigenen Füsse stolpern, gibt es wie Sand am Meer. Doch die reichen nicht für eine Abendvorstellung. Mit den Komikern aber haben wir gute Erfahrungen gemacht.
Der Circus Knie ist für sie auch eine Chance, sich einem breiten Publikum vorzustellen.
Ja, die Komiker können sich in ein grosses Fenster stellen und sich profilieren. Bei Claudio Zuccolini war die Erwartungshaltung besonders hoch, da er schon vorher bekannt war.
Und trotzdem funktioniert sein Programm schon seit zwei Wochen nicht. Was ging schief?Das stimmt. Es fehlte womöglich der Mut, sofort zu reagieren. Massimo Rocchi beispielsweise hat 2003 schnell verstanden, dass sein Programm noch optimiert werden muss und stellte sofort um. Zuccolini hingegen hoffte, dass er das Bestehende verbessern kann. Obwohl ich ihm schon sehr früh sagte, dass es so nicht funktioniert. Ich war vielleicht zu gutmütig in dieser Hinsicht. Aber ich will auch niemanden unter zusätzlichen Druck setzen, sondern ihn lieber unterstützen. Ich bin schliesslich selbst Artist, ich stehe seit 62 Jahren in der Manege und weiss, wie einsam man da bisweilen ist. An Ostern sagte ich ihm dann aber, dass wir dringend etwas ändern müssen.
Warum liessen Sie ihn trotzdem in der TV-Show «Giacobbo/Müller» auftreten?
Das Schweizer Fernsehen wollte Zuccolini unbedingt in der Sendung haben. Im Nachhinein wäre es vermutlich besser gewesen, wenn er nicht schon wenige Tage nach Tourneestart im TV gewesen wäre. Dann hätte er mehr Luft gehabt, sich weiterzuentwickeln.
Haben Sie seine Proben eigentlich im Vorfeld besucht?
Ja, klar. Und wir hatten es uns eigentlich anders vorgestellt. Doch wir gaben Zuccolini die Chance, sich ausprobieren zu können. Man kann Komik nicht im Proberaum entwickeln, dazu braucht es ein Publikum. Und das ist nicht immer leicht einzuschätzen.
Wie sehr trifft Sie die Kritik?
Die Zuschauer sind dieses Jahr ganz besonders begeistert von unserem Programm. Aber natürlich schmerzt es, wenn einzelne Nummern nicht wunschgemäss ankommen. Wir wollen doch nichts anderes, als die Leute unterhalten.
Warum haben Sie Zuccolini nicht längst entlassen? Bei Almi waren Sie 2001 auch nicht so zimperlich.
Zwischen Almi und Zuccolini bestehen grosse Unterschiede. Bei Almi merkte ich, dass nicht genügend Potenzial für den Zirkus vorhanden ist. Aufzuhören war auch für ihn besser. Bei Zuccolini ist das anders. Er bekommt auch sehr viele gute Reaktionen. Und das wissen wir alle aus erster Hand. Mein Cousin Franco Knie und ich beantworten sämtliche Reklamationen per Brief. Das sind wir unserem Publikum schuldig. Wenn es gravierende Reaktionen sind, rufen meine Tochter Géraldine oder ich persönlich an. Der direkte Kontakt zum Publikum ist uns sehr wichtig. Wir sind kein anonymer Zirkus, wir sind mit der Schweiz und der Schweizer Bevölkerung eng verbunden.
Was werden Sie nun konkret an Zuccolinis Auftritten verändern?
Wir werden den Witz mit der Kanone nur noch einmal pro Show bringen. Zuccolini hat sich bei dieser Nummer spektakulärere Reaktionen erhofft, doch die sind nicht eingetroffen. Der Gag ist zwar gut, die Kinder haben Freude. Aber wir dürfen die Erwachsenen nicht vergessen.
Wird Hund Ivo bleiben?
Der Hund kann schon lustig sein. Ursus & Nadeschkin haben 2004 auch mit einem Hund gearbeitet. Der kam super an.
Aber lachen Sie wirklich über Sprüche wie «Numme essa hät er im Kopf. Deswäga fahrt er am liebschta mit dr S-Bahn»?
Als ich den Gag in der Probe hörte, dachte ich: Ja, das könnte schon für Lacher sorgen. Aber der Witz ist gestrichen. Zuccolini merkt mittlerweile, was ankommt und was nicht. Es gibt ja auch Unterschiede beim Publikum. Die Leute auf dem Land reagieren bei gewissen Pointen anders als in der Stadt. Als Giacobbo 2006 bei uns seine Fredi-Hinz-Nummer spielte, gab es vereinzelt negative Reaktionen. Wir könnten doch nicht einen so kaputten Typen in der Manege rumlatschen lassen, hiess es.
Und wie war es eigentlich damals bei Dimitri?
Als mein Vater Dimitri 1970 engagierte, erklärten ihn die Leute für verrückt. Ein Jahr vor jener Tournee machte Dimitri einen Probeauftritt in Thun. Als er die Manege betrat, wussten die Leute überhaupt nicht, was er da überhaupt macht. Aber das war eine wertvolle Erfahrung für ihn. So konnte er während Monaten sein Pantomimeprogramm ausarbeiten. Er wurde ein voller Erfolg.
Vielleicht hätten Sie Zuccolini auch mehr Zeit geben sollen?
Ich kann doch nicht jeden Komiker ein Jahr vorher zur Probe in die Manege bitten. Das würde den Rahmen sprengen. Und für uns beim Circus Knie gilt nach wie vor: Wenn man nichts riskiert, erreicht man nichts. Wir sind sicher, dass wir mit dem Programm und Zuccolini Erfolg haben werden. Man muss uns und ihm nur etwas Zeit geben.