SonntagsBlick: Udo Jürgens stand mitten im Leben. Und ist so plötzlich von uns gegangen. War das der Tod, den er sich wünschte?
Freddy Burger: Udo hatte noch so viel vor. Sein Tod kommt für uns alle viel zu früh. Niemand kann wirklich fassen, dass er nicht mehr bei uns ist. Aber: So sterben zu dürfen, ohne Schmerzen, wie der Arzt es mir bestätigt hat: Das hat er sich gewünscht.
Hat er sich oft mit dem Sterben, dem Tod auseinandergesetzt?
In letzter Zeit mehr als auch schon. Aber das ist wohl auch nicht aussergewöhnlich mit 80. Es hat ihn auch sehr beschäftigt, er hat mitgelitten, wenn irgendwo auf der Welt etwas Schlimmes passierte.
War Udo Jürgens gesund?
Absolut. Bevor wir auf Tournee gingen, musste er ein ärztliches Attest machen. Auch für die Versicherung. Das Gleiche gilt für die grosse ZDF-Show vom 18. Oktober. Es war alles in Ordnung. Keine Anzeichen. Nichts.
Im letzten grossen, sehr persönlichen Interview Ende August, das wir heute im Magazin ungekürzt publizieren, sprach er von Schwindelattacken ...
... ja, aber so weit ich informiert bin, hatte das mit seinem Gleichgewichtsorgan im Ohr zu tun. Er war ja auf einem Ohr fast taub, nachdem er in der Jugend einen Schlag darauf bekommen hatte.
Sie waren 37 Jahre an seiner Seite. Als sein Manager. Als sein Freund. Wo waren Sie, als Udo Jürgens starb?
Udo und ich hatten uns ein paar Tage zuvor für dieses Jahr bereits verabschiedet. Wir umarmten uns, wünschten uns alles Gute. Dies war uns beiden ein grosses Bedürfnis gewesen, nach all den Auftritten und Konzerten. Nach der ganzen Hektik. Am Sonntag war ich mit meinem Schatz auf der Autobahn am Walensee. Da rief Udos Lebensgefährtin, Frau Moritz, an und sagte: «Komm sofort, Udo ist zusammengebrochen!»
Was haben Sie da empfunden?
Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl. Udo war mit Ausnahme einer Grippe, dem Leistenbruch kürzlich oder solchen Sachen nie ernsthaft krank gewesen. Wir drehten um und fuhren sofort nach Münsterlingen.
Was geschah dann?
Unser Hausarzt und Freund war schon im Spital, nahm mich zur Seite und sagte: «Es sieht nicht gut aus.» Ich wollte nur noch eines: zu Udo.
Udo Jürgens lebte noch?
Er war an der Herz-Lungen-Maschine. Ärzte standen um ihn herum. Leider waren alle Wiederbelebungsversuche erfolglos. Ich habe ihn gehalten, als er starb. Ich war bis zum letzten Atemzug bei ihm.
Seine Freundin Michaela Moritz ...
... (unterbricht) Ich möchte mich nicht zu Frau Moritz äussern. Sie wollte nie an die Öffentlichkeit. Das gilt es zu respektieren.
Trotzdem: Was war das für eine Beziehung, die Udo Jürgens mit der Autorin seiner Biografie «Der Mann mit dem Fagott» führte? Eine Liebesbeziehung?
Auch darüber möchte ich nicht reden.
Es ist erstaunlich, dass es einem grossen Star wie Udo Jürgens gelungen ist, eine langjährige Beziehung zu einer Frau geheim zu halten.
Sie war nicht geheim. Man hat die beiden ja zusammen in Gottlieben gesehen. Es gibt Fotos. Aber man hat seine Privatsphäre respektiert. Es wurde viel über Udo Jürgens erzählt und geschrieben. Es hat nicht immer alles gestimmt. Und er konnte auch vieles für sich behalten.
Udo Jürgens hat einmal gesagt, er hätte jede seiner Frauen geliebt und viel Liebe bekommen – aber selber letztlich nicht genug Liebe gegeben.
Wir haben oft über Liebe diskutiert, und was darunter zu verstehen ist. Jeder fühlt das anders. Wissen Sie, wenn man die Biografien von Künstlern liest, die wirklich gross waren, wie ein Mozart, Beethoven, Chagall, dann erkennt man, dass sie alle ein eher chaotisches Liebesleben führten.
Der Preis des Ruhms?
Vielleicht.
Was hatten Sie selber für eine Beziehung mit Udo Jürgens?
Wir waren sehr symbiotisch. 1977 kam er auf mich zu, hat mich gefragt, ob ich sein Manager sein wolle. Auch sein Vater suchte mich damals auf, um zu schauen, ob ich der richtige für seinen Sohn sein könnte. Udo ging es in der Zeit nicht so gut.
Er war verschuldet, seine Karriere stockte ...
... stimmt. Aber er hatte schon zuvor Erfolg gehabt. 1966 zum Beispiel mit «Merci Chérie», da gewann er den Concours Eurovision de la Chanson, wie das damals noch hiess. Wir haben uns jedenfalls geeinigt: Wir pflanzen einen Baum zusammen, die Früchte ernten wir gemeinsam. Von da an hat er als Musiker, Komponist, Entertainer gearbeitet. Er war vor dem Vorhang tätig und ich habe dahinter den Rest gemacht. Eigentlich war es wie eine gute Ehe.
Sie bezeichnen Ihre Beziehung zu Udo Jürgens als Ehe?
Ja, wirklich. Das kann man so sagen. Wir haben fast alles geteilt. Ausser Tisch und Bett natürlich. (Jetzt lacht Freddy Burger das erste Mal in diesem Gespräch herzlich). Wir haben fast vier Jahrzehnte zusammen verbracht. Nur mit Pepe bin ich länger zusammen. Bald 50 Jahre.
Und wie hat Udo Ihre Beziehung beschrieben?
Er hat mal zu mir gesagt: « Du bist wie ein Vater für mich.» Das war im ersten Moment ziemlich eigenartig, weil ich doch elf Jahre jünger bin als er. Er meinte dann, ich würde zu ihm so gut schauen wie ein Vater. Und wenn ich zu ihm sagte: «Jetzt muss ich mit dir reden», würde er jeweils denken: «Ui, jetzt kommt aber was!»
Es hat auch mal geknallt zwischen Ihnen.
Wie in jeder guten Ehe streitet man auch mal. Dann versöhnt man sich wieder. Das ist ja klar.
Nicht viele kannten Udo Jürgen Bockelmann so gut wie Sie. Was war er für ein Mensch?
Udo war eigentlich nie Herr Bockelmann. Wenn er aufstand, wenn er ins Bett ging, dann war er immer Udo Jürgens. Er war dieser Mann, der singt und auf die Bühne geht. Das war schon so, bevor wir zusammenarbeiteten.
War er heiter oder eher ernst?
Beides, er konnte durchaus herzhaft lachen. Hatte aber eine sehr ernsthafte Seite. Seine Lieder sagen da mehr als meine Worte. Sie kamen aus seinem Bauch, seinem Herzen heraus. Udo war immer Udo. Absolut authentisch. Und ein Perfektionist. Ich habe in meiner ganzen Karriere keinen zweiten Künstler, keinen Weltstar, überhaupt keinen einzigen Menschen erlebt, der so diszipliniert war.
Wie muss man sich das vorstellen?
Udo hat mich zur Pünktlichkeit erzogen. In all den Jahren kam ich vielleicht drei-, viermal ein paar Minuten zu spät. Er war dann immer schon weg. Er hat jeden Auftritt intensiv vorbereitet, egal, ob er für drei Menschen spielte oder 15000. Er wollte immer alles geben.
Hatte er ein Ritual vor den Shows?
Ja, da durfte ihn niemand stören. Auch ich hielt mich da immer zurück. Er hatte eine Massage in der Garderobe, war gedanklich ganz in den nächsten Auftritt versunken. Er hatte Lampenfieber. Das war immer genau gleich, bis zum letzten Auftritt in der «Helene Fischer Show».
Wie sind seine Lieder entstanden?
Er hat die Musik komponiert und mit verschiedenen Textern zusammengearbeitet.Er brachte Themen ein, wählte jeweils die Texte aus und arbeitete mit den Autoren sehr eng zusammen. Jedes Stück war wie die Geburt eines Kindes. Ein intensiver Prozess.
Wer Udo Jürgens auf der Bühne oder im Fernsehen sieht, bleibt automatisch hängen. Auch Leute, die sich nicht unbedingt als Fan verstehen, haben das erlebt. Wie erklären Sie das?
Udo hatte etwas, was nur wenige haben. Eine Aura. Er nahm den ganzen Raum für sich ein. Das war immer schon unglaublich. Seine Musik kam aus dem Herzen, die Texte haben Menschen aller Altersgruppen angesprochen. Ich habe ihm immer gesagt: Du wirst in die Musikgeschichte eingehen. Und so wird es auch sein.
Viele Menschen haben ihn verehrt, sich auf die Tournee nächstes Jahr gefreut.
Wir sind sehr traurig für sie und mit ihnen. Die Tournee ist natürlich abgesagt. Die rund 120000 Tickets, dir wir bereits verkauft haben, werden zurückerstattet.
Was können Sie uns zur Beisetzung von Udo Jürgens sagen?
Noch nicht viel. Dies wird erst nach den Feiertagen im neuen Jahr geschehen. Dann erst wird sich alles weisen, dann erst können wir alles richtig organisieren. Das ist eine grosse Herausforderung, die Anteilnahme der Bevölkerung ist riesig, auch mit der österreichischen Regierung sind wir Kontakt. Ich gehe davon aus, dass es Mitte Januar eine Abdankungsfeier geben wird.
Mit einem kirchlichen Gottesdienst?
Da Udo Jürgens Atheist war, wird es keine kirchliche Abdankung geben.
Wie geht es Ihnen heute?
Es ist ein Chaos. Um mich herum. Und in mir. Ich kann nicht mal richtig trauern. Aber eines macht mein Herz leichter. Drei Tage bevor Udos Vater starb, wollte er mich nochmals sehen. Er sagte zu mir: «Freddy versprich mir, dass du auf meinen Sohn aufpassen wirst.» Ich habe ihm versprochen, alles für seinen Sohn zu tun. Ich konnte dieses Versprechen erfüllen. Bis Udo von uns gegangen ist.