Filmemacherin Cornelia Gantners Erstlingswerk «That Girl»
Ode an die Selbstbestimmung

Ein selbstbestimmtes Leben führen: Für Frauen in Sambia gibt es wenig Perspektiven. Filmemacherin Cornelia Gantner (48) zeigt im Dokfilm «That Girl» das Leben der jungen Gladys, die gegen Traditionen aufbegehrt – Premiere ist im Herbst.
Publiziert: 26.07.2020 um 00:17 Uhr
|
Aktualisiert: 28.09.2020 um 20:03 Uhr
1/8
Cornelia Gantner in Sambia: Für den Film «That Girl» hat sie die lange Reise nach Chewe elf Mal auf sich genommen.
Foto: Geri Krischker
Katja Richard

Vom Experiment zur Herzensangelegenheit: Sechs Jahre ist es her, seit Filmemacherin Cornelia Gantner (48) mit einem Kameramann nach Sambia geflogen ist, genauer nach Chewe. «Ich habe die Chance gepackt, um unser Hilfsprojekt von A bis Z zu begleiten», sagt Gantner.

Allein der Weg nach Chewe ist ein Abenteuer. Nach dem fast elfstündigen Flug nach Johannesburg gehts mit einem weiteren Flieger in die sambische Hauptstadt Lusaka. Nach einer Übernachtung sind es von dort nochmals 18 Stunden mit dem Auto nördlich bis in das Dorf, das von Google-Maps noch nicht erfasst worden ist. Es ist eine Reise, die nicht nur geografisch weit weg von der unseren ist: Die Menschen hier leben fernab von unserer modernen Welt von dem, was ihr kleiner Acker hergibt, ohne fliessend Wasser oder Strom. Die meisten Kinder verlassen die Primarschule als Analphabeten, medizinische Versorgung ist nicht vorhanden.

Hier startet eines von vielen karitativen Vorhaben, das dank der Stiftung Second Mile möglich ist. Seit 20 Jahren engagieren sich Cornelia und ihr Mann Alfred Gantner (52) damit in Afrika. «Fredy» kommt ursprünglich aus mittelständischen Verhältnissen, machte eine Banklehre und schrieb mit der Gründung von Partners Group eine märchenhafte Erfolgsgeschichte. Heute sind die Gantners vermögend. So vermögend, dass es für sie selbstverständlich ist, einen guten Teil von ihrem Reichtum weiterzugeben.

Märchenhafte Erfolgsgeschichte

Vor Ort trifft Cornelia Gantner zum ersten Mal auf Gladys (30). Die Sambierin ist frisch mit dem Schweizer Thomas Furrer (40) verheiratet. Er arbeitet für die Stiftung und ist dabei, eine Farm zu gründen. Eine Brücke soll gebaut werden, eine Krankenstation und eine Schule. Letzteres liegt Gladys besonders am Herzen. Die ist selber in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Sie weiss, was es heisst, hungrig im Unterricht zu sitzen und keine Perspektive auf ein eigenständiges Leben zu haben. Ein Schicksal, das sie den Mädchen in diesem Dorf ersparen möchte.

Die Filmemacherin ist beeindruckt von Gladys: «Sie trägt das Herz auf der Zunge, ist ein Vulkan voller Emotionen.» Schon als junges Mädchen träumte Gladys von einer besseren Zukunft, lehnte sich gegen Traditionen auf und zog weg in die Hauptstadt, um sich ihr Schulgeld selber zu verdienen. «Ihr Mut und ihre Entschlossenheit haben mich beeindruckt – dieser Wille, mit dem sie für ein selbstbestimmtes Leben kämpft.»

Ein Koffer voller Landjäger und Roggenbrot

Der starke Charakter von Gladys und ihr ungewöhnlicher Lebensweg inspirieren Gantner zu einem ganzen Dokumentarfilm. Innert fünf Jahren nimmt sie die lange Reise nach Chewe elf Mal auf sich, 130 Filmstunden entstehen dabei. Zunächst campiert sie im Dorf, später übernachtet sie dank der fertiggestellten Brücke in einem einfachen Gasthaus, den Koffer voll mit Landjägern und Roggenbrot: «Es war ein bisschen wie im Pfadilager», erzählt Gantner mit einem Funkeln in den Augen. Die Menschen in Chewe und ihre Schicksale seien ihr ans Herz gewachsen, sie vermisse sie bereits. «Mir war es wichtig, einen emotionalen Film zu machen und die Leute für sich sprechen zu lassen.» Darum gibt es in der Doku auch keine Erzählstimme. Nichts soll zwischen Protagonisten und Zuschauern stehen.

Die Frage nach dem Glück ist überall die Gleiche

«That Girl» heisst der Film, der noch dieses Jahr an einem grossen Deutschschweizer Herbstfestival seine Weltpremiere feiern wird. Für Gantner steht Gladys für all jene Mädchen und Frauen, die mutig und konsequent den Weg durchs Leben gehen, den sie für richtig halten, um ihr Glück zu finden. Denn letztendlich sind die Themen, welche die Menschen und speziell die Frauen in Chewe beschäftigen, ähnlich wie bei uns und überall auf der Welt. Gantner ist überzeugt, egal, ob in einer einfachen Hütte in Sambia oder in einer komfortablen Wohnung in der Schweiz: «Die Frage nach dem Glücklichsein dreht sich überall um die gleichen Themen. Es geht um Liebe, Selbstbestimmung, Zukunftsperspektiven und Gesundheit.»

Fünffache Mutter und Journalistin

Gantner hat ursprünglich Journalismus studiert, für die fünffache Mutter ist das Filmprojekt eine Gelegenheit, zu ihren Wurzeln zurückzukehren. Aus dem Projekt in Chewe ist nicht nur eine eindrückliche Dokumentation entstanden, sondern auch eine neue Stiftung: Neben Second Mile will sich Cornelia Gantner damit über die nächsten 25 Jahre ganz besonders für die Selbstbestimmung von Frauen engagieren – nicht nur in Sambia, sondern weltweit, auch in der Schweiz.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?