Regisseur Lyssy über die Aktualität seines Hits «Die Schweizermacher»
«Die Komödie funktioniert noch immer, weil sie zeitlos ist»

Er machte mit «Die Schweizermacher» den erfolgreichsten Schweizer Film aller Zeiten. Diese Woche wurde Rolf Lyssy 80 Jahre alt. BLICK hat ihn zu Hause besucht.
Publiziert: 23.02.2016 um 20:22 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 10:30 Uhr
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In Deckung: Rolf Lyssy verschanzt sich hinter einem Busch – wie einst die Beamten in seinem Erfolgsfilm.
Foto: Jorma Müller
Peter Padrutt (Text) und Jorma Müller (Fotos)

Max Bodmer, dieser spiessige Einbürgerungsbeamte, hätte es garantiert durchgesetzt: Beim Betreten seiner Wohnung müsste man die Schuhe ausziehen. «Tun Sie das auf keinen Fall», sagt Rolf Lyssy. Über das Gesicht des genialen Komödienmachers, der, auch wenn er scherzt, so ernst wirkt, huscht ein höfliches Lächeln.

Die Wände der Altbau-Oase im Zürcher Quartier Hottingen sind dreieinhalb Meter hoch, es gibt viel Luft für Einfälle. Der Fernseher in der Stube ist klein und alt. «Ich schaue mir Filme nur im Kino an. Ich brauche die grossen Bilder», sagt er. Überall liegen Bücher herum, die er alle noch lesen will, ein Ficus drängt bis zur Decke. Er ist ein Geschenk aus Südamerika, schon 35 Jahre alt.

Eigentlich ist Rolf Lyssys 80. Geburtstag, den er am Donnerstag feierte, hoch politisch. Denn kurz vor der Durchsetzungs-Initiative wird wieder eifrig über seinen Film «Die Schweizermacher» (1978) diskutiert – ein Plädoyer für toleranten Umgang mit Ausländern. «Die Komödie funktioniert noch immer, weil sie zeitlos ist», sagt Lyssy. «Gerade jetzt stellt sich jedes Land in Europa die Frage, wer die Voraussetzungen mitbringt, dass er bei uns leben darf.» Vermiest Lyssy nach dem neuerlichen Hype um die «Schweizermacher» den Befürwortern der Durchsetzungs-Initiative das Geschäft? «Hoffentlich», antwortet er. «Die Stimmung kippt ja gerade – es kommt schon gut», sagt er lächelnd.

Rolf Lyssy war nie ein Spassmacher. Er versteht sich als «atheistischen ­Juden». Woody Allen (80) ist das auch, aber er ist zerbrechlicher, wirkt eher gottverlassen und fabriziert einen Film nach dem anderen. Der Schweizer drehte «nur» 16. Lyssy fühlte sich immer als Filmautor, für den die Regiearbeit an zweiter Stelle kommt. «Komik braucht grösste Ernsthaftigkeit und Genauigkeit, erklärt er.

Sein wichtigster Film war vielleicht «Konfrontation – das Attentat in Davos», in dem er minutiös die Ermordung des Schweizer Naziführers Wilhelm Gustloff durch den Juden David Frankfurter aufarbeitete. Eigentlich wäre der Film Stoff fürs ganz grosse Kino gewesen. Und wer weiss, wäre Rolf Lyssy nach Hollywood ausgewandert wie einst Billy Wilder (†95), vielleicht hätte er auch einen Oscar bekommen.

An einen anderen grossen Stoff – Lyssys Grosseltern wurden im Todeslager von Minsk ­erschossen – hat er sich nie gewagt. «Vielleicht war mir diese Tragödie zu nahe», sagt er. «Aber sie wäre auch kaum zu finanzieren gewesen.» Es verwundert nicht, dass der ­Macher des erfolgreichsten Schweizer Films immer wieder um Geld kämpfen musste. «Ich habe der Schweiz trotzdem die Stange gehalten. Mein Bruder ist schon mit 18 nach Israel ausgewandert, mein Sohn ist seit 27 Jahren in New York, wo er als Kameramann arbeitet. Ich musste immer in einer Umgebung Filme drehen, die ich kenne.»

Aber die Auseinandersetzung mit der Schweizer Filmförderung sei zermürbend gewesen. «Manchmal war sie kränkend und verletzend.» Es sei wohl kein Zufall, dass sich mehrere seiner Regie-Kollegen, darunter Kurt Gloor (†54), das Leben nahmen. Seine eigene Depression, die ihn vor 20 Jahren heimsuchte, will Lyssy allerdings nicht nur auf seine beschwerliche Arbeit zurückführen – es sei viel zusammengekommen. «Aber was ich damals durchmachte, will ich nie mehr erleben.»

Der passionierte Jazzmusiker konnte keine Musik mehr hören. «Auch Lesen und Schreiben ging nicht. Am Ende stand ich vor dem Kleiderschrank und konnte mich nicht einmal mehr entscheiden, welche Hose ich rausnehme.»

Trotz Rückschlägen wagt sich Rolf Lyssy jetzt an ein weiteres Filmprojekt. Er stellt sich auf dem Balkon hinter seine Pflanzen, so wie sich ­damals Walo Lüönd (†85) und Emil Steinberger (83) verschanzten. Einen «Schweizermacher zwei, den gibt es ...» (neckisch grinst er hinter dem Busch hervor) «... nicht mehr. Es wurde da­rin alles gesagt.» Dafür erzählt Lyssy von einer Komödie, die er im Herbst drehen will: «Die letzte Pointe» handelt von einer 89-jährigen Frau, die glaubt, an Demenz erkrankt zu sein, und sich an eine Sterbehilfe-Organisation wendet. Sein Engagement für Exit – Lyssy ist im Patronatskomitee – habe ihn zu diesem Film inspiriert.

Im Frühling will er sich wieder aufs Rennvelo schwingen. Vielleicht käme ihm auf dem Sattel doch noch eine Idee, wie man die Flüchtlingsthematik in die Kinos bringt. Damit die Schweiz wieder lacht und versteht. Und nicht so viel hasst.

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