Erfolgsregisseur Alain Gsponer hat einen Film über eine düstere Zukunft gedreht
«Nach Heidi wars genug»

Alain Gsponer hat mit «Heidi» den erfolgreichsten Film eines Schweizer Regisseurs aller Zeiten gemacht. Sein neuer Film «Jugend ohne Gott» zeigt das Gegenteil von Heidis heiler Welt.
Publiziert: 22.08.2017 um 20:32 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:24 Uhr
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«Ob es Gott gibt, spielt für mich keine Rolle. Er hat keine Wirkung für mich», sagt Alain Gsponer.
Foto: Marcus Höhn
Interview: Christian Maurer

Alain Gsponer (41) ist ein Aussenseiter unter den Schweizer Regisseuren. Er macht seine Filme nicht für Wettbewerbs- und Festivaljurys, sondern für das Publikum. Und dem gefallen seine Filme. «Heidi», seinen letzten Film, haben weltweit 3,5 Millionen Menschen gesehen – es ist der erfolgreichste Film von einem Schweizer Regisseur aller Zeiten.

Grosse Publikumslieblinge waren auch die beiden Martin-Suter Romanverfilmungen «Lila, Lila» und «Der letzte Weynfeldt». Trotzdem lebt der gebürtige Aargauer aus Schinznach-Bad mit Walliser Wurzeln bescheiden am Rande eines Berliner In-Quartiers. Nächste Woche kommt sein neuster Film «Jugend ohne Gott» in die Schweizer Kinos – die Vision einer brutalen Zukunft. SonntagsBlick hat ihn in einem seiner Stammlokale in Berlin getroffen.

BLICK: Herr Gsponer, Sie werden nächste Woche zum ersten Mal Vater. Ist die Grossstadt Berlin ein guter Ort, um Kinder grosszuziehen?
Alain Gsponer: Ja, auf jeden Fall! Für Kinder ist das Angebot toll hier, es hat so viele Kinderspielplätze. Und wir haben hier einen gesetzlichen Anspruch auf einen Gratis-Kita-Platz. Wenn wir keinen Platz in einer Krippe bekommen, muss uns die Stadt eine Tagesmutter bezahlen. Schultechnisch kann man das ein bisschen anders sehen. Berlin ist jetzt nicht die Stadt mit den besten Schulen Deutschlands. Da sind wir in der Schweiz schon sehr verwöhnt.

Ihr jüngster Film heisst «Jugend ohne Gott». Glauben Sie selber an Gott?
Ich bin Agnostiker. Als solcher stelle ich Gott nicht in Frage. Ob es ihn gibt oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Er hat einfach keine Wirkung für mich.

Im Film und auch in der Romanvorlage von Ödön von Horváth steht Gott eigentlich für das Gute im Menschen. Glauben Sie daran?
Ich persönlich glaube an das Gute im Menschen. Wir tragen alle Humanistisches in uns. Auch wenn es immer wieder Entwicklungen gibt, die daran zweifeln lassen. Man kann Horváths Idee von Gott auch als Wahrheit, Liebe oder Werte interpretieren.

Der Film erzählt sehr realistisch von Jugendlichen, die sich in einer total überwachten und egoistischen Gesellschaft behaupten müssen und auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen dürfen, wenn sie Erfolg haben wollen. Haben Sie keine Angst, dass Ihr Sohn in eine solche Welt hineinwächst?
Ein bisschen beunruhigend ist das schon. Das fand vor allem meine Frau. Wir fragten uns, ob jetzt die richtige Zeit ist, ein Kind zu bekommen. Was im Film passiert, ist die negative Seite dessen, was in absehbarer Zeit möglich sein kann: Implantierte Chips, welche die Menschen überwachen, genauso wie der brutale Kampf von jedem gegen jeden und die gesellschaftliche Ausgrenzung jener Menschen, die weniger klug sind oder weniger schnell rennen können. Aber als Gesellschaft haben wir die Option, auch andere Wege zu gehen.

Der Wettbewerb unter den Jugendlichen um einen Studienplatz ist im Film gnadenlos. Auch ein realistisches Szenario?
Es geht um die Aufnahme an eine Elite-Uni und damit um den Zugang zur künftigen gesellschaftlichen Elite. Das Schöne in der Schweiz ist, dass die ETH eine Elite-Uni ist, und trotzdem jeder mit einer Matur dort studieren kann. In den USA ist das allerdings schon lange anders, allein schon wegen der horrenden Studiengebühren.

Wie sind Sie überhaupt auf diese Geschichte gekommen, die an die üblen Zukunftsvisionen in den amerikanischen Science-Fiction-Schockern «The Hunger Games» oder «Divergent» erinnern?
Das Buch war Pflichtlektüre an der Kanti Aarau, und trotzdem habe ich es sehr gerne gelesen. Und ich finde es bis heute faszinierend. Als ich Jahre später hörte, dass ein Produzent den Roman verfilmen will, habe ich – zum ersten Mal in meinem Leben – den Film selber aktiv akquiriert. Zuvor waren die Angebote immer zu mir gekommen.

Wie hat sich das angefühlt?
Es ist schon etwas anderes, ob man ein Angebot annimmt oder ob man für seine Idee selber kämpfen und Leute davon überzeugen muss. Dieser Anfangsmoment verfliegt aber doch recht schnell, und es ist alles wie immer.

Ihr vorheriger Film war «Heidi», ein richtiger Wohlfühlfilm. Haben Sie mit «Jugend ohne Gott» extra ein Kontrastprogramm gesucht, um wieder in der brutalen Realität anzukommen?
Das ist schon ein bisschen so. Aber ich mache generell nie zwei ähnliche Filme, und nach den zwei Kinderfilmen «Das kleine Gespenst» und «Heidi» wars dann eben genug!

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