Ein Weggefährte über das Engagement des Musikers
Polo politique

Pier Hänni gründete einst mit Polo Hofer eine Partei. Er sagt: Der Musiker wurde von vielen falsch verstanden.
Publiziert: 30.07.2017 um 00:11 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:58 Uhr
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Splitternackt posierten die «Härdlütli» 1971 als Kandidaten für den Berner Stadtrat – und gewannen auf Anhieb einen Sitz.
Foto: zvg
Florian Blumer

Pier Hänni kann es bis heute nicht recht glauben: «Das ist, als ob ich den Niesen vor meinem Fenster nicht sehen würde!» Was der politische Mitstreiter der verstorbenen Mundartlegende Polo Hofer damit meint: Ein grosser Teil der Öffentlichkeit blendete Polos schweiz- und gesellschaftskritische Seite einfach aus.

Hänni wohnt in Sigriswil, dem Nachbardorf von Oberhofen am Thunersee, wo Polo Hofer bis zuletzt lebte – im Gegensatz zum Showstar hat er sich aus dem Gesellschaftsleben zurückgezogen, den Kontakt zu Polo aber hat er all die Jahre aufrechterhalten.

Eine patriotische Jubelhymne? Von wegen!

Einer von Polos grössten Hits: «Hopp Schwiiz» aus dem Jahr 1984. Eine Jubelhymne? Von wegen! Polo, der sich als «dunkelgrün» bezeichnete, singt darin:

Hie bruuchts ke Wald, hie bruuchts Schiipischte/Ja und e rächti Induschtrie/Das bringt Arbeit und Tourischte/Nume ne Dumme gsehts nid iii. (...)

Hopp Schwiiz, hopp Schwiiz
Du bisch ds schönschte Shoppyland (...)
Hopp Schwiiz, hopp Schwiiz
Die, wo stier si, stöh am Rand.

«Stier», also blank, war Polo nach eigener Aussage selber oft – er wusste, wovon er sprach.

1971 gründete er nicht nur seine Band Rumpelstilz, sondern unter anderem mit Pier Hänni auch die Partei Härdlütli (Erdleutchen, nach einer Berner Heinzelmännchen-Sage). Für sie hätte er in den Berner Stadtrat nachrücken können – er lehnte dankend ab. Zum Parlamentarier war Polo nicht geboren.

Umso mehr dafür zum Musiker. Und mit dem Blues und Bob Dylan so­zialisiert, sah er die Musik auch als Vehikel, um die Welt zu verbessern.

«Warehuus Blues» – der Urknall für den Mundartrock

So lauten die ersten Zeilen vom «Warehuus Blues», dem ersten veröffentlichten Lied von Rumpelstilz – dem ersten Schweizer Mundartrock-Song der Geschichte überhaupt:

Jede Morge lächlisch du mii dräckig aa
Mit dine Plexiglasouge u dim Reklameblabla.

Polo hatte schon in jungen Jahren den Kon­sumblues. Er blieb ihm erhalten, auch in seinen Liedern. Genauso wie der Herzschmerz über eine Welt, die entgegen seinen Hoffnungen in den frühen 70er-Jahren nicht gerechter geworden ist.

Anaconda: «Er war kein Bolschewik»

Dabei blieb Polo politisch schwierig einzuordnen. «Er war kein Bolschewik», sagt Endo Anaconda von Stiller Has mit einem Augenzwinkern, «kein Linksextremer. Aber er war für eine offene, liberale Gesellschaft».

Pier Hänni meint: «Wenn es gegen Minderheiten ging oder um Nationalismus, konnte er sich schampar aufregen.»Für Hänni bringt das Lied «Dicki Luft» von 1994 Polos Haltung auf den Punkt:

Alles schlaaft, s herrscht Ornig u Rueh
Alli tüe d Ouge u d Ohre zue
U morn luegt wieder jede nume für siich (...)
Jede weiss, es geit bärgab
Aber de meischte isch das schiissegliich.

Über «Dicki Luft» sagte Polo zu Hänni: «Los, die meischte verstöhs niid, si freue sich eifach über e Refrain.» Und das war dann irgendwie auch okay. «Den Glauben, mit Musik die Welt verändern zu können», so Hänni, «hatte er eines Tages plötzlich verloren.»

«Zu faul, ein neues Lied zu komponieren»

Viele warfen Polo Opportunismus vor, etwa als er «Hopp Schwiiz», als «Anti-Olympia-Lied» geschrieben, auf die EM 2004 hin als Auftragsarbeit in eine plumpe Fussballhymne umdichtete. Warum er das getan habe, wurde er in einem Interview gefragt. Polo lapidar: «Ich war zu faul, ein neues Lied zu komponieren.»

Hänni sagt, er würde Polo nicht als Opportunisten bezeichnen: «Die Musikkarriere war ihm einfach wichtiger als fast alles andere. Wenn er ein Publikum hatte, gingen bei ihm alle Lampen an. Er brauchte den Rausch des Rock’n’Roll wie der Fixer sein Heroin.»

Schwer fassbar – bis zum Ende

Bis zu seinem Ende blieb Polo schwer fassbar. Er stand mit Gölä auf der Bühne und genoss das Leben im SVP-dominierten Oberhofen – als Hippie, der er im Herzen immer blieb, als Kiffer, als erklärter Gegner der Volkspartei.

Polo genoss seine Beliebtheit, die Vorzüge des Lebens in der Schweiz – und wähnte sich doch immer wieder im falschen Film.

Hänni erzählt von seiner letzten Begegnung mit Polo, als er ihn, wie so oft, im Bus nach Thun traf. Er habe ihm gesagt, dass er das Album «Welcome i dr Sonderbar» von 1994 noch immer für sein bestes halte, und das Lied zitiert, in dem Polo mehrdeutig singt, «im falsche Lokal» gelandet zu sein. Da habe Polo zum Fenster hinausgeschaut und gemeint: «Ja, im falsche Lokal.»

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