BLICK: Erstmals seit fünf Jahren treten Sie wieder als Famiglia Dimitri auf. Mit welchen Gefühlen?
Dimitri: Schon vor fünf Jahren war es wunderbar, mit meinen Töchtern und meinem Schwiegersohn aufzutreten. Zum Schluss sind wir am Broadway in New York gelandet. Aber dieses Mal ist es noch schöner, weil erstmals auch mein Enkel dabei ist. Jetzt stehen sogar drei Generationen auf der Bühne.
Was bedeutet Ihnen das?
Es ist eine grosse Freude zu sehen, wenn ein Beruf, eine Passion in den Kindern und Enkeln weiterlebt. Von meinen fünf Kindern sind drei im Showbusiness tätig. Das macht mich als Vater und Nonno auch ein wenig stolz. Ich schäme mich jedenfalls nicht dafür, dass aus ihnen nichts Rechtes geworden ist, sondern nur Artisten (lacht).
Geben Sie ihnen Tipps?
Das ist schwierig. Clown sein kann man nicht lernen. Diese Begabung muss man haben. Aber wenn ich schon einen Tipp geben sollte, ginge es eher in diese Richtung: Seid bescheiden! Bildet euch nicht ein, weiss nicht wer zu sein. Probt, seid diszipliniert. Es besteht die begreifliche Gefahr, dass man nach dem ersten Applaus abhebt.
Was treibt Sie immer wieder auf die Bühne?
Da muss ich ganz ehrlich sagen, das Auftreten an sich. Ich bin süchtig nach Applaus, Erfolg und vor allem Lachen. Lachen ist meine Droge. Ich bin ein Humoroholiker.
Wer bringt Sie zum Lachen?
Es gibt nichts Lustigeres als eine kleine Katze, die tolpatschig rumspielt. Aber auch Kinder können sehr witzig sein.
Erwachsene bringen Sie nicht zum Lachen?
Doch, vor allem die grossen Komiker wie Buster Keaton oder Charlie Chaplin. Oder als Schweizer Beispiel Gaston, der ja immer im Conelli auftritt. Das ist ein richtiger Clown.
Chaplin haben Sie getroffen.
Ja, sogar zweimal. Zum ersten Mal 1970 im Circus Knie. Er war sehr offen und gesprächig. Ich durfte ihm in der Manege einen Blumenstrauss überreichen, und er sagte zu mir, meine Nummer habe ihm gefallen. Drei Jahre später war ich wieder mit dem Knie unterwegs und traf Chaplin. Da war er schon ganz stumm. Es ging ihm nicht mehr gut. Aber praktisch bis ans Lebensende ist er immer zu den Knie-Vorstellungen gekommen. Eine ganz liebenswerte Erscheinung.
Sind wir Schweizer ein lustiges Volk?
Wir sind ein originelles Volk. Die Vielvölkerschaft, die vier Kulturen, vier Sprachen. Das Berglerische, die Mischung aus städtisch und bäuerisch. Diese Bauernschlauheit. Der Humor der Bauern. Das Wort Clown ist englisch und heisst übersetzt Tolpatsch oder eben Bauer. Der grosse Grock, mein Idol, ist ja sehr bäuerisch, volkstümlich, behäbig. Ein typischer Schweizer.
Wo fehlt es der Schweiz an Humor?
In der Politik. Ich bin immer am Filmfestival Locarno. Da kommen Gott und die Welt. Vor ein paar Jahren traf ich dort auf Couchepin. Ich fragte: «Eh, Monsieur Couchepin, wäre es nicht gut, in Bern in der Regierung einen Verrückten, einen Clown, einen Hofnarren zu haben?» Er lachte und antwortete: «Monsieur Dimitri, wir haben doch schon genügend Clowns da oben.» Ich habe gemerkt, irgendwie hat er ein wenig Humor. Aber ich bin nicht sicher, ob er ihn als Bundesrat benutzt hat.
Sie werden im September 80 Jahre alt. Wo spüren Sie das Alter am meisten?
Ich spüre das Alter schon seit langem, denn ich bin ein Gspüriger. Deshalb habe ich auch mit 50 meinen letzten Salto mortale gemacht. Den Handstand mache ich allerdings noch heute, der ist gut für die Durchblutung. Früher war ich Akrobat und Seiltänzer, und irgendwann habe ich gemerkt, dass ich langsam ein wenig zurückschrauben muss. Man wird älter, der Körper ist nicht mehr derselbe.
Ist das leicht zu akzeptieren?
Ach, so ist nun mal das Leben. Das Alter hat aber auch seine Vorteile: die einsetzende Gelassenheit beispielsweise. Man bekommt mit den Jahren eine andere Optik, hat nicht mehr ständig das Gefühl, etwas zu verpassen. Das finde ich schön.
Sie waren mit Frisch, Dürrenmatt, Tinguely oder Luginbühl befreundet. Macht es Sie manchmal auch traurig, dass diese Freunde heute nicht mehr da sind?
Ja und nein. Denn es ist so erstaunlich, dass eben solche Menschen weiterleben. Sie sind da. In der Erinnerung und in dem, was sie hinterlassen haben. Wenn sie sterben, ist man lange traurig und vermisst sie. Aber irgendwann gewöhnt man sich daran, dann entsteht eine andere Beziehung zu ihnen.
Inwiefern?
Man muss bedenken: Eigentlich sind alle Menschen nicht mehr da – ausser diejenigen, die gerade leben. Menschen, die nicht bekannt waren in ihrem Leben, werden vielleicht schneller vergessen. Sind ihre Nachkommen nicht mehr da, sind sie auch weg. Es sind die kulturellen Menschen, die uns am längsten in Erinnerung bleiben. Klar, ein Hitler bleibt auch, weil er so furchtbar war. Aber reden wir nicht von dem.
Wie stellen Sie sich das Leben nach dem Tod vor?
Sehr interessant. Ich bin überzeugt, dass wir in geistiger Form weiter existieren. Ich stelle es mir so vor, dass Menschen, die eine nahe Beziehung hatten, dann auch wieder zusammenkommen. Aber man muss daran denken, dass man nicht mehr Mann und Frau ist, sondern nur noch eine Seele. (Dann lacht er verschmitzt.) Und Beefsteak kann man dann auch nicht mehr essen. Dessen sollte man sich bewusst sein, bevor es so weit ist.
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