Hellgrün lackierte Nägel, ein transparentes lila Jäckchen über einem gleichfarbigen Top, ausgewaschene, lockere Jeans. So sitzt Paula Dalla Corte (19) bei unserem Skype-Interview im Wohnzimmer in ihrem Elternhaus in Tägerwilen TG. «Wenn Sie ein Video aufnehmen wollen, muss ich aber zuerst noch meine Haare zurechtmachen», sagt sie. Tatsächlich ist ihre charakteristische Löwenmähne momentan mit einem Haargummi gebändigt.
Genau drei Wochen ist es her, dass die 19-jährige Kanti-Schülerin als erste Schweizerin «The Voice of Germany» gewonnen hat. Nun ist sie aus Berlin zurück im Thurgau und hat gerade noch Zeit für ein Interview, bevor die Schule wieder anfängt. Nächsten Sommer steht die Matura an.
Ihr Nachname klingt nicht nach Thurgau. Woher kommt er?
Paula Dalla Corte: Der ist italienisch. Meine Familie kommt ursprünglich aus Spanien und hiess Dalla Cortez. Nachdem meine Vorfahren nach Italien ausgewandert waren, wurde der Name zu Dalla Corte geändert. Das ist aber lange her ... Paulas Vater ruft aus dem Hintergrund: «Irgendwann im 14. Jahrhundert.»
Ihr Vater hat Sie bei «The Voice of Germany» angemeldet. Wie kam er auf die Idee?
Ich habe zu Hause ständig gesungen. Meine Eltern meinten immer, jetzt sei es aber gut. Mein Vater hat mich auch schon öfter auf die Castings hingewiesen, doch ich habe es immer unter den Teppich gekehrt. Also hat er einfach ein Video von mir eingeschickt. Erst als das akzeptiert wurde und ich nach München fahren durfte, habe ich mich bewusst dafür entschieden, dass ich mitmachen möchte.
Was war es für ein Gefühl, eine der sechs Finalkandidatinnen zu sein?
Ich habe plötzlich verstanden, dass meine Stimme wohl bei vielen Menschen ankommt und sie bereichert. Das hat mir erst «The Voice of Germany» klargemacht. Am Anfang dachte ich einfach, ich singe gut. Aber ich habe mich nie als Gewinnerin einer TV-Show gesehen oder damit gerechnet, dass ein Lied von mir in die Charts kommt. Ich habe damals meinen Wert noch nicht richtig verstanden, was logisch ist, weil ich ja nie Feedback zu meiner Stimme bekommen habe.
Sie hatten nie Gesangsunterricht?
Nein. Ich habe mich immer dagegen gesträubt, weil ich Angst hatte, dass man da meine Stimme zu sehr verändern will. Ich habe einfach für mich selber geübt.
Was haben Sie bei «The Voice» in Sachen Technik gelernt?
Sie wollen nicht unbedingt die Technik verbessern, dazu reicht die Zeit nicht. Sie möchten, dass man die eigene Stimme besser kennenlernt. Manchmal haben sie mir Songs gegeben, die nicht mein Stil waren. Dadurch haben sie mir beigebracht, dass man sich jedes Lied zu eigen machen kann.
Was war es für ein Gefühl, neben Sarah Connor auf der Bühne zu stehen?
Sarah Connor ist eine sehr coole, taffe Frau. Sie sagt, was sie will, was ich super finde, denn das mache ich auch. Es war aber eine Herausforderung, auf Deutsch zu singen. Das habe ich noch nie ernsthaft gemacht, und ich höre auch nicht viel deutsche Musik. Ich dachte: Hoffentlich schaffe ich es, mich selbst einzubringen.
Und wie haben Sie das hinbekommen?
Sarah Connor hat mir geholfen. Sie wusste, was mir liegt. Ich liebe zum Beispiel langgezogene, verträumte Töne, und die habe ich dann bei ihrem Lied eingebaut.
Was haben Sie in dem Moment gedacht, als verkündet wurde, dass Sie die Siegerin von «The Voice of Germany» 2020 sind?
Es war sehr surreal. Zuerst dachte ich einfach: Wow – jetzt ist diese Reise vorbei, ich habe mein Bestes gegeben, und dabei ist das Bestmögliche herausgekommen. Und dann ging mir durch den Kopf: Oh, jetzt habe ich einen Seat, den ich nicht fahren kann (lacht).
Auf Instagram kommentierten Fans, dass sie sich eine emotionalere Reaktion auf Ihren Sieg gewünscht hätten. Was sagen Sie dazu?
Ich bin keine Person, die sich auf den Boden wirft und weint. Ich bin immer recht entspannt, egal ob es etwas Positives oder Negatives ist. Manche finden es gut, dass ich nicht so verbissen bin, andere nicht. Das müssen die für sich selber entscheiden. Ich mache einfach immer mein Ding, egal in welcher Situation. Ich will gar nicht damit anfangen, mich zu verstellen. Das bekommt man nachher nicht mehr los.
Nun wollen Sie zuerst das Gymnasium abschliessen und sich dann auf die Musik konzentrieren – was ist konkret geplant?
Ja, die Matura zu machen stand immer ausser Frage. Ich konzentriere mich aber jetzt schon zu einem Teil auf meine Musik. Ich bin mir bewusst, dass mich die Zuhörer an meinem nächsten Lied messen werden. Entweder sie wollen dann mehr davon oder nicht. Deshalb bin ich jetzt dabei herauszufinden, wo ich musikalisch hinwill.
Gibt es schon ein Label, das Sie dabei unterstützt?
Vertraglich kenne ich mich ehrlich gesagt zu wenig aus. In dieser Hinsicht ist die Situation noch sehr neu für mich. Da bin ich selber noch gespannt, was auf mich zukommt. Meine Managerin und ich sind gerade dabei herauszufinden, was in Frage käme. Ich hoffe, in zwei Monaten werde ich mehr wissen.
Wenn Sie nicht gewonnen hätten, was wären nach dem Gymnasium Ihre Pläne gewesen?
Sicher einmal eine Zeit lang das machen, was mir Spass macht. Es wäre für mich nicht in Frage gekommen, mich gleich nach der Matura an der Uni einzuschreiben. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich zwischendurch Zeit nimmt, um herauszufinden, was einem gefällt. Das ist so schwierig, deshalb probiert man am besten einfach mal aus. Vielleicht landet man in irgendeinem Dschungel in Bali und findet da heraus, dass man Kamerafrau werden will.
Das heisst, es hätte auch Reisen auf dem Plan gestanden?
Ich hätte auf jeden Fall aus Tägerwilen heraus gemusst. Erst recht in der Corona-Zeit hat man es irgendwann gesehen. Ich brauche definitiv wieder mehr Action.
Das Lied «Someone Better», das Sie mit Ihren Coaches zusammen fürs Finale geschrieben haben, schaffte es über Nacht auf Platz 3 der Schweizer Charts.
Das war megacool, ich habe mich sehr gefreut. Das Lied ist zwar noch nicht hundertprozentig ich. Aber die Tatsache, dass die Prise Paula, die ich da darübergestreut habe, so gut angekommen ist, macht mir natürlich Hoffnung, dass vielleicht auch nur Paula gut ankommen wird.
Was bedeutet der Song für Sie?
Viele fragen, ob es mal einen Mann mit Tattoos gegeben habe. Aber nein, hat es nicht. Das Lied war eine Kooperation mit Samu Haber und Rea Garvey. In unseren Musikrichtungen könnten wir kaum unterschiedlicher sein, also ging es darum, dass wir uns gegenseitig unseren Platz lassen. Der Text ist meiner Meinung nach sehr cool geworden – ironisch, aber auch intim. Es geht darum, was Liebe mit einem machen kann, wie sie einen verwirren und in ihren Bann ziehen kann.
Ein ironischer Blick auf die Liebe – heisst das, Sie sind keine Romantikerin?
Es geht einfach darum, Liebe mit einem gewissen Abstand zu betrachten. Ich glaube, ich bin sehr romantisch. Vor allem, da ich gerade verliebt bin. Aber ich bin keine verlorene Romantikerin.
Sie sind verliebt – in das 20-jährige Zürcher Male Model Zion Lee Walder, korrekt?
Ja. Wir kennen uns schon ewig und waren bereits vor «The Voice» zusammen. Er interessiert sich auch sehr für Mode und Kunst, das heisst, wir können zusammen kreativ sein. Es ist schön, eine Person zu haben, mit der man sich so gut versteht und die einen unterstützt.
Vor ein paar Tagen gab es einen Aufschrei, Sie hätten Ihren Instagram Account stillgelegt.
Ich habe vorher noch zu meinem Vater gesagt, dass dieses Thema bestimmt kommen wird (lacht). Es war krass – mein Profil war für zwei Stunden offline, und schon erschienen die ganzen Schlagzeilen. Ich glaube, der Account wurde kurz aus dem Verkehr gezogen, weil in wenigen Tagen so viele Follower hinzugekommen waren. Wahrscheinlich hat Instagram den Account überprüft, aber nach ein paar Stunden war wieder alles beim Alten.
Auf sozialen Plattformen gibt es viel Negativität. Wie gehen Sie damit um?
Ich freue mich über jede unterstützende Nachricht. Manche Personen geben sich wahnsinnig Mühe. Negative Kommentare kommen irgendwie nicht bei mir an, mit denen kann ich nichts anfangen. Leute, die sich so äussern, sollte man wohl am ehesten in den Arm nehmen.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit ausser singen?
Momentan bin ich sehr beschäftigt mit der Schule und «The Voice». Vor Corona ist immer viel gelaufen, aber ich habe nicht wirklich ein Hobby. Am liebsten hänge ich mit meiner kreativen Clique ab, weil man dann immer an einem Ort landet, den man nicht vorhergesehen hat. Ich mag es, Kleider umzunähen, und habe mich auch dafür oft mit Freunden getroffen. Und wir sind viel tanzen gegangen. In Konstanz gibt es einen Klub, der einmal im Monat 80er-Musik laufen lässt. Oder wir haben verrückte Sachen gemacht wie nachtwandern.
Und was unternehmen Sie als Erstes, wenn Corona vorbei ist?
Ich veranstalte eine riesige Party und lade einen Haufen Leute ein. Das fehlt mir momentan wirklich sehr. Und auch einfach wieder rausgehen zu können und diese Auswahl zu haben, zu tun, was auch immer man möchte. In irgendeine Stadt gehen, in irgendeinen Klub, alle mitnehmen, die auch Lust haben. Ganz spontan.
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