Das Streitgespräch mit Schawinski
«Ich hatte immer 12 Mio Reserve»

Radio-Pionier Roger Schawinski über die frühen Jahre, feige Verleger und Geld. Viel Geld. Und warum er sein Herz öffnet.
Publiziert: 22.02.2014 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 05.10.2018 um 01:27 Uhr
1/11
Wer hats erfunden? «Kassensturz», Schweizer Fernsehen.
Foto: SRF
Interview von René Lüchinger und Walter Keller

In den 70er Jahren lancierten Sie die «säg doch Du»-Kampagne. Sollen wir uns duzen?
Leute, die ich kenne, habe ich mich in meinen Sendungen immer geduzt, alle anderen gesiezt.

Für die 100. Ausgabe der TV-Sendung «Schawinski» hast Du Dich interviewen lassen und gesagt: «Memoiren sind Zeitgeschichte.» Und weiter: «Man muss sich öffnen.»  Warum soll man Dein Buch lesen?
Autobiografien von Menschen, die etwas bewegt haben, empfinde ich als spannend und tatsächlich als wichtigen Teil der Zeitgeschichte. Dazu möchte ich mit «Wer bin ich?» einen Beitrag leisten. Ich habe das Buch für Menschen geschrieben, die darüber reflektieren, was in einem Leben richtig und was nicht so gut gelaufen ist.

Du schreibst, Du seist «auch dorthin gegangen, wo es weh tat, denn alles andere wäre feige und unehrlich zugleich gewesen.»
So ist es, ja.

Warum verschweigst Du dann wichtige Fakten, zum Beispiel Zahlen?
Zahlen?

Wie viel hast Du 2001 beim Verkauf von Radio 24 und der TV-Sender TeleZüri und Tele24 erhalten?
Das stand damals sogar in der Pressemitteilung und wurde während vielen Jahren immer wieder kolportiert. Ich habe eine Autobiografie geschrieben, keine Steuererklärung und auch keinen lebenslangen Geschäftsbericht.

Wir fragen, weil Du schreibst, Du habest von Deinem Anteil fünf Millionen an die Mitarbeiter verteilt. Fünf von wie vielen Millionen?
Das mit den gegen 5 Millionen für die Mitarbeiter schrieb ich in erster Linie, weil ich hoffte, andere Verleger würden mir in dieser Geste folgen. Ich nahm dann mit Erstaunen zur Kenntnis, dass das nirgendwo geschah, wenn Verlage verkauft wurden.

Woher weisst Du das?
Weil das mit Sicherheit bekannt geworden wäre.

Aber es war doch damals ein ganz netter goldener Reibach für Dich?
Goldener Reibach? Dieser Ausdruck hat für mich einen recht unangenehmen Unterton.

Du hast TeleZüri 1994 als Partner mit Michael Ringier gegründet. Was hat er beim Verkauf gekriegt?
Ich weiss, ihr arbeitet für Ringier und sorgt Euch inniglich um das Wohlergehen der Besitzerfamilie Ringier ...

Damit hat die Frage nichts zu tun. Sondern mit der Transparenz der Informationen im Buch, das sonst, etwa bei der Geschichte von TeleZüri, sehr detailliert erzählt.
Michael hatte den Glauben an den Erfolg von TeleZüri verloren und wollte aussteigen, weil wir immer noch Verluste schrieben. Trotzdem erhielt er für seinen Anteil einen Millionenbetrag, auch von mir. Aber weshalb recherchiert ihr das nicht bei eurem Verleger?

1998 musstest Du 40 Prozent Deiner Firma an die CS First Boston Private Equity verkaufen. Wie war die Zeit nach dem Verkauf?
Ich musste gar nicht. Ich wollte. Ich dachte damals, dass für mich damit das Thema Geld vom Tisch sei, was ich mir sehnlichst wünschte. Aber das war naiv. Meine neuen Partner waren natürlich in erster Linie am Profit interessiert. Ich musste mich deshalb fast noch mehr ums Geld kümmern als zuvor. Ich fühlte mich moralisch dazu verpflichtet.

Als Unternehmer ist Dir bis jetzt nur Radio 24 gut gelungen?
Naja, Radio 24 war über zwanzig Jahre lang das erfolgreichste Privatradio der Schweiz. TeleZüri feiert sein 20-jähriges Jubiläum, ist also auch eine nachhaltige Sache geworden und wurde vor kurzem für über 20 Millionen weiterverkauft. Bei Sat.1 in Berlin habe ich als Geschäftsführer den Gewinn in drei Jahren von 4 Millionen auf 204 Millionen Euro erhöht. Und der von mir gegründete Kassensturz ist seit 40 Jahren die erfolgreichste Sendung des Schweizer Fernsehens.

Kann man für den Rest sagen: spannende Ideen ohne wirtschaftlichen Erfolg?
Wahrscheinlich kennt ihr haufenweise viel erfolgreichere Schweizer Medienunternehmer. Aber ich investiere nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen. So habe ich mich bei einem Buchverlag beteiligt, um einen kulturellen Beitrag zu leisten. Es gibt noch weitere solche Projekte.

Du deutest im Buch die schwierigen Monate der Jahre 1997/98 an. Pro Monat lief damals bei den TV-Sendern 1 Million Verlust auf. Wie lange hättest Du das durchhalten können?
Ich habe damals mit Radio 24 fast eine Million im Monat verdient. Irgendwann habe ich natürlich trotzdem gemerkt: «Das kann so nicht weitergehen.»

Du warst nie in der Gefahr einer Pleite?
Pleite? Da kennst du, Walter*, dich eindeutig besser aus als ich. Ich hatte bis zum Verkauf im Jahr 2001 immer mehr als 12 Millionen Reserve auf der Bank. Die gingen an den Käufer, ebenso das Haus an der Limmatstrasse.

In den Monaten der Verluste quälten Dich Schlaflosigkeit, rasende Gedanken und Panikattacken. Warum schreibst Du über diese dunkle Zeit gerade mal 13 Zeilen, bei einem Buchumfang von 400 Seiten?
Wollt ihr Euch jetzt gar als Lektor meines Buches einbringen? Ich lege meinen damaligen Zustand im Buch offen, und nicht nur diesen. Da gehe ich viel weiter als wohl alle prominenten Schweizer vor mir, die eine Biografie veröffentlicht haben oder von einem Lohnschreiber** gegen gutes Geld erstellen liessen. Mein Buch behandelt vor allem persönliche Dinge. Aber die scheinen Euch überhaupt nicht zu interessieren.

Dass Dein Problem gelöst werden konnte, verdankst Du einem Zufall. Lukas Mühlemann von der Credit Suisse weilte gleichzeitig mit Dir ferienhalber im gleichen Hotel in Sardinien. Aus Tischnachbar-Gesprächen entstand das Investment der CS First Boston?
Ja. So ist doch das Leben: stets mit Netzwerken, Zufällen und Möglichkeiten verbunden. Auch darüber schreibe ich. Ich hatte allerdings auch noch eine Offerte von einer amerikanischen Firma.

Von welcher?
Langsam beginne ich mich zu langweilen. Euch interessieren offensichtlich nur solche Themen.

Warum nicht einfach präzise sein?
Es war Clear Channel, eine der grössten Radiobetreiber der USA. Glücklich?

Du schreibst, du habest den Journalismus in der Schweiz «revolutioniert». So bei der Boulevardzeitung TAT im Jahre 1977.Nein.

Aber sicher, auf  Seite 137: «Mein Konzept, das ich nach und nach mit meinen engsten Mitarbeitern entwickelte, war revolutionär.»
Es war die erste kleinformatige Tageszeitung, die erste vierfarbige, die erste Boulevardzeitung mit einem Kulturteil und einem juristischen Ratgeberteam. Zudem haben wir die damals üblichen festen Seitenstrukturen aufgebrochen, lieferten als erste eine tägliche Kommentarseite. Wir haben knallhart recherchiert, und den bis dahin grössten Bankenskandal der Schweiz aufgedeckt. Reicht das in der Kurzfassung?

Die Idee der Video-Journalisten bei TeleZüri war vom TV-Sender NY1 kopiert. Eigene Innovation war das nicht.
Richtig. Aber das Sendekonzept schon, eine halbe Stunde News und eine halbe Stunde Talk. Das gab es damals weder in den USA noch in Europa. Und in der Schweiz wurde es von allen später gegründeten Regionalsendern kopiert. Das VJ-Prinzip haben inzwischen alle Sender übernommen, inklusive der SRG.

Über die öffentliche Unterstützung für Radio 24 schreibst Du, es sei «im Nu eine Volksbewegung» entstanden, «wie sie die Schweiz noch nie erlebt hatte.» Es gab damals ja die wirklich politischen Anti-Atom-, die Umwelt- und Friedensbewegungen. War Radio 24 nicht eher eine «Spassbewegung»?
Niemand konnte sich vorstellen, dass in kürzester Zeit 212'000 Unterschriften zusammenkämen, und dies für ein Radio, das in erster Linie Musik und Nachrichten sendete. Innerhalb von fünf Tagen geschah damals Unglaubliches, weil wir einen Nerv trafen. Die Leute hatten genug vom Monopol und wollten selbst entscheiden, welchen Sender sie hören wollten. Das wird von allen ernsthaften Betrachtern als Beginn einer neuen Medienepoche gesehen.

Wer sind Deine Feinde? Doch so ziemlich jeder Verleger in diesem Land.
Die Verleger, die ihren Betrieb in fünfter Generation führen, sind nicht automatisch begeistert, wenn einer wie ich, und dies ohne jeden finanziellen Background, entscheidende Innovationen in die Medienlandschaft einbringe und nicht ihre wohldotierten Entwicklungsabteilungen. Das kann ich nachvollziehen. Bei Ringier ist man aktuell offenbar sauer, weil man den öffentlich ausgetragenen Fight um Radio 105 gegen mich verloren hat. Und dieses Interview soll wohl die Retourkutsche sein.

Ringier verlor nicht, Ringier zog sich zurück. Und: vielleicht sind Michael Ringier und sein CEO Marc Walder einfach irritiert darüber, wie Du Dich verhalten hast.
Da man bei Radio Energy nach der missratenen Vergabe der Radiokonzessionen bereits zum zweiten Mal geschlampt hat, sollte man bei Ringier vielleicht ernsthaft untersuchen, ob man in diesem Bereich Management-mässig richtig aufgestellt ist, statt Schuldzuweisungen gegen Dritte auszustossen.

Sind bei Dir immer die anderen schuld? Bei Deinem Rausschmiss als TAT-Chefredakteur die verknöcherten Migros-Manager, bei Radio 24 waren es die verkrusteten Bürokraten in Bern, bei TeleZüri schreibst Du, die Chefetagen von Ringier und Tamedia hätten sich gegenseitig blockiert.
Dies ist völlig falsch dargestellt. In meinem Buch beschreibe ich die einzelnen Situationen detailliert und differenziert. Davon kann sich jeder Leser überzeugen.

Bezüglich Hörerzahlen bei Radio 1 schreibst Du: Die Schweizer Radiohörer «haben sich in der seit vielen Jahren verkrusteten Landschaft an ihre Lieblingssender gewöhnt und sind kaum neugierig auf Neues.» Warum diese Publikumsbeschimpfung?
Das ist eine Beschreibung der Realität, nicht mehr. Es ist in einer laufend stärker atomisierten Medienlandschaft immer schwieriger geworden, neue Produkte zu lancieren.

Vielleicht würde innovativeres Radio die Neugier wieder wecken?
Es zeigt sich statistisch, dass die ältesten Sender die meisten Hörer haben, und dies unabhängig von ihrer Qualität. Neue Stationen, nicht nur mein Radio 1, haben es da wesentlich schwerer. Aber diese Aufgabe macht mir viel mehr Spass, als eine mit vielen Millionen erkaufte Spitzenposition zu verteidigen.

Interessieren Dich die Menschen, die Du interviewst?
Nicht alle gleichermassen, das ist klar. Aber ich beschäftige mich intensiv und akribisch mit jedem der Eingeladenen. Die Sendung «Schawinski» mussten alle erlernen: die Zuschauer, meine Gesprächspartner und ich. Jetzt funktioniert es immer besser. Und die Einschaltquoten steigen weiter an.

Du machst als Rebell gegen das Monopol eine Sendung beim Monopolsender SRG. Wie geht das zusammen?
Ich habe mehr für ein privates, journalistisch gemachtes Fernsehen in diesem Land gemacht als alle anderen. Mehr auch als alle der grossen Verlage, inklusive Ringier. Aber offenbar war der politische Wille nicht da, das nationale TV-Informationsmonopol der SRG aufzubrechen. Nun präsentiere ich mit meiner langjährigen journalistischen Glaubwürdigkeit eine kritische Talksendung, in der ich sogar dem SRG-Generaldirektor auf den Zahn fühle. Jedenfalls habe ich nirgends ein kritischeres Interview mit Roger de Weck gelesen. Auch nicht im BLICK.

Das Monopol zahlt Dich immerhin.
Ja, für meine Arbeit. Aber Geld war nie mein Hauptmotiv. Sonst hätte ich nach dem Verkauf meiner Firmengruppe nicht einen knallharten Job als Angestellter bei Sat.1 angenommen. Seit vielen Jahren suche ich Aufgaben, die mich faszinieren. Und dabei bin ich immer wieder auf spannende Dinge gestossen. Dies beflügelt mich, und deshalb gehe ich noch lange nicht in Rente.

Das Materielle, liest man im Buch, fasziniert auch Dich. Du bist beim Setzen auf steigende Goldpreise zum Spieler, zum Spekulanten geworden.
Wie die meisten habe auch ich in der Finanzkrise viel Geld verloren. Als einer kam und mir erzählte, er wisse, wie ich das Verlorene wieder wettmachen könne, hat sein Tipp längere Zeit funktioniert. Und plötzlich ist man angefixt und verliert Kopf und Verstand. Wie im Casino. Doch dann bin ich ausgestiegen. Der Stress war zu gross. Und da ich generell kein Suchtmensch bin, habe ich dies mit Leichtigkeit geschafft.

Was rätst Du einem Jungen, der wie Du zum Pionier werden möchte?
Ich bin kein Mensch, der Ratschläge erteilt. Ratschläge sind Schläge. Nur dies: Er soll nicht immer dorthin schauen, wohin alle anderen schauen. Sonst wird er zum Kopisten. Als alle sagten, die Schweiz sei zu klein für privates Fernsehen, habe ich erklärt: Aber Zürich ist gross genug. Weil man im regionalen Bereich eben ohne Konkurrenz war. Das hat funktioniert. Solche Situationen und Gelegenheit gibt es sicher auch heute.

Dich stört die Stossrichtung dieses Gesprächs. Warum?
Weil die Essenz meines Buches wohl bewusst nicht berührt worden ist. Die Essenz von «Wer bin ich» sind nicht irgendwelche Zahlen oder irgendwelche Geschäfte. Die Essenz ist ein Leben. Viele kennen mich aus den Medien als harten Interviewer und haben sich ein entsprechendes Bild von mir gemacht. Doch dies ist nur eine Facette. In meinem Buch lernen die Leser einen Menschen kennen, der sein Herz offenlegt. Einen Menschen mit all seinen Stärken und seinen vielen Schwächen und Niederlagen – nicht nur im geschäftlichen, sondern vor allem im viel wichtigeren privaten Bereich.

Willst Du geliebt werden?
Durch mein öffentliches Auftreten will ich ganz sicher nicht «Everybody’s Darling» sein. Mir geht es vor allem um Information, nicht um mein Image. Was ich mir aber wünschen würde, wäre ein gewisser Respekt. Auch von Journalisten.

* Walter Keller war Gründer des Kunstbuch-Verlags Scalo. 2006 ging er Konkurs

** BLICK-Chefredaktor René Lüchinger hat als Selbständiger mehrere Auftragsbiographien verfasst

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?