Einmal Christa de Carouge interviewen – das stand als Modespezialist ganz oben auf meiner To-do-Liste. Natürlich wusste ich, wer die Frau war, die in der Nacht auf gestern mit 81 zu meiner grossen Bestürzung einem Krebsleiden erlag. Mit ihren schwarzen Gewändern war sie in der konformen Schweizer Modewelt wortwörtlich nicht übersehbar. Ihre an japanische Kimonos erinnernden Entwürfe begeisterten und schockierten. Nur kalt liessen sie niemanden.
Vergangenen November besuchte ich Carouge bei sich zu Hause. Sie war mitten in den Vorbereitungen für ihre grosse Ausstellung im Kunsthaus Zug, die einen Schlusspunkt hinter ihre erfolgreiche Karriere als Designerin setzen sollte. Wie macht die das bloss in ihrem Alter, dachte ich mir: eigenhändig eine Retrospektive auf die Beine stellen, gleichzeitig Speisen für rund 80 Vernissagebesucher zubereiten und dazwischen auch noch Fragen eines Journalisten beantworten. «80 ist das neue 60», sagte ich zu meinen Redaktionskollegen nach der Begegnung, vermutete aber auch, dass ich einer der letzte Journalisten gewesen sein könnte, der ein Porträt über de Carouge schrieb.
Denn die Endlichkeit war in unserem Gespräch ein wiederkehrendes Thema. Der Tod ihres letzten, langjährigen Lebenspartners André Hirzel sei «das Leidigste» gewesen, was ihr im Leben widerfahren sei, sagte Carouge. Mit 65 Jahren noch den Mann fürs Leben kennengelernt zu haben – darüber sei sie aber auch sehr, sehr glücklich, fügte sie an.
Dem ersten Tag nach Beendigung der Ausstellung, die noch bis am 18. Februar läuft, sah sie mit gemischten Gefühlen entgegen. Es werde der erste Tag in ihrem Leben sein, an dem sie nichts mehr zu tun habe. Sie habe Angst um die Zukunft der Welt, aber nicht vor der eigenen. Diese sei kurz. «Jetzt tüen mir no chli läbe», sagte die Exit-Befürworterin, doch mit 88 sei Schluss. «Ich habe noch sieben Jahre Lebenslust in mir. Vielleicht werde ich aber auch 90, wer weiss.»
So weit ist es jetzt nicht gekommen. Tröstlich zu wissen, dass Christa de Carouge in ihrem Leben alles erreicht hat, was sie erreichen wollte. Schwarz sei für sie eine Farbe der Freude, sagte sie immer. Für Christa de Carouge Trauerkleidung zu tragen, ist die schönste Ehre, die man ihr jetzt erweisen kann.