Es ist der wohl grösste Coup seiner Karriere. Designer Kevin Germanier kreiert die Kostüme für die Schlussfeier der Olympischen Spiele in Paris. Schon während der Eröffnungsfeier hat der 32-Jährige mit seinen Entwürfen begeistert – neben Grössen wie Louis Vuitton oder Dior.
Zum Abschluss der Spiele in Paris sorgt der Walliser, der sich seit Beginn der Karriere von Mutter und strickenden Tanten helfen lässt, noch einmal für Furore – und das vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Ein goldener Reisender aus dem Weltall und über 100 Tänzerinnen und Tänzer wirbeln in Germaniers hautengen schwarz-weissen Kreationen über die Bühne des Stade de France.
Sie nehmen Bezug auf die Raumsonde «Voyager», die seit 1977 ins All vorstösst und sich immer weiter von der Erde entfernt. An Bord hat sie drei goldene Platten, auf denen erklärt wird, was die Menschheit, was die Erde ist. In der Erzählung der Schlussfeier hat eine entfernte Intelligenz im All die Botschaft lesen können, kommt auf die zerstörte Erde und errichtet mit den olympischen Ringen eine neue Zukunft. Für den Schweizer Modedesigner haben die Ringe bereits eine neue Ära eingeleitet.
Kevin Germanier über seinen bisher grössten Auftrag
Kevin Germanier, wie kam es zur Zusammenarbeit?
Kevin Germanier: Daphné Bürki, artistische Leiterin der Spiele, hat mich eingeladen, meine Kreationen zu präsentieren. Bei der Präsentation meiner Ideen spürte ich sofort die positive Energie, wir hatten ähnliche Vorstellungen, und ich wusste, ich werde der Designer sein, den sie auswählen werden.
Was haben Sie gedacht, als die Zusage kam?
Ich versuche immer, kontrolliert zu sein. Aber in diesem Augenblick musste ich weinen. Ich habe hart gearbeitet, um bei der Präsentation zu überzeugen. Aber man weiss vorher ja nie, was passiert. Ich hatte Gänsehaut. Meine Kostüme waren alle schwarz-weiss-gold. Normalerweise bin ich ja sehr bunt. Ich glaube, auch meine Einstellung hat geholfen, meine Bodenhaftung. Sie wollten wohl nicht mit jemandem arbeiten, der oft schlecht drauf ist.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Bereits bei der Eröffnung waren Teile von Ihnen zu sehen …
Bei der Eröffnungszeremonie stammten rund 40 Entwürfe von mir, das «pièce de résistance» trug die italienische Para-Athletin Bebe Vio (27). Für mich ist Bebe eine Heldin, sie besitzt Stärke, Schönheit und Höflichkeit. Eigentlich hätte ich gern meine Grossmutter über den Laufsteg schreiten lassen. Das wäre aber etwas viel für sie gewesen (lacht).
Wie lange dauerte die Vorbereitung?
Seit Anfang Jahr. Vieles war schon parat, und wir haben Unterstützung erhalten von den Organisationen von Paris 2024. Für die Schlussfeier waren es sehr viel mehr Kleidungsstücke, für eine normale Modeschau mache ich 30. Wir waren bis zum Schluss unter Druck. Bebe Vio etwa kam erst am Tag vor der Eröffnung in Paris an. Die Herstellung ihrer Prothesen aus Kristall hat uns die ganze Nacht gekostet.
Woher nehmen Sie Ihre Ideen, Ihre Inspiration?
Aus den Materialien, die ich finde. Germanier ist Upcycling. Ich gehe zur Caritas oder zu weiteren Organisationen und Designern, die Materialien zu vergeben haben. Für die Schlussfeier der Olympischen Spiele hatte ich praktisch freie Hand, ich konnte machen, was ich wollte. Ich bin sehr stolz darauf, dass alle Kostüme Upcycling sind. Das ist meine Goldmedaille für mich, dass ich das geschafft habe (lacht).
Was bedeutet es für Sie, dass so viele Menschen Ihre Entwürfe gesehen haben?
Schauen Sie auf meine Arme – ich habe Gänsehaut. Ich realisiere noch gar nicht, was da passiert ist. Drei oder vier Milliarden Menschen vor dem Fernseher – unglaublich.
Interessieren Sie sich persönlich eigentlich für Sport?
Ja, sehr sogar. Ich habe neun Jahre lang Tennis gespielt, war nicht schlecht, aber auch nicht so gut. Viel zu defensiv. Ich habe nie attackiert. Ich machte zwar keine Fehler, aber auch keine Punkte (lacht). Ich liebe auch Judo, Schwimmen, Basketball oder Kunstturnen. Als Kind machte ich jeden Tag einen anderen Sport. Der Sport hilft mir physisch und mental. Seit vier Jahren trainiere ich mit einem Personal Trainer. Er erzählt mir von seinem Auto, seinen Hobbys, es sind ganz andere Themen. Das tut mir sehr gut.