«Ich (18) onaniere jeden Tag und bekomme trotzdem oft und sehr schnell eine Erektion. Auch in Momenten, wo es nicht passt. Das ist mir peinlich. Was soll ich tun?» Dies war die erste Frage, die Caroline Fux (40) als neue Sexkolumnistin beim Blick am 6. Oktober 2012 beantwortete. Ihr Ratschlag damals an Diego: ruhig bleiben, sich ablenken und entspannen. Seither hat die studierte Psychologin in der Rubrik «Fux über Sex» gegen 2500 Fragen rund um Liebe, Sex und Beziehung beantwortet und Tausende unveröffentlichte Beratungen im Hintergrund geführt. Heute erscheint ihre letzte Kolumne. Im grossen Abschieds-Interview spricht sie über Prüderie, verrückte Fragen und solche, die sie gerne beantwortet hätte, ihr aber nie gestellt wurden.
Sex sei das tollste Thema der Welt, hast du mal gesagt.
Caroline Fux: Ich liebe am Thema Sexualität, dass sich jedes menschliche Lebensthema darin spiegelt: das Selbst, der Umgang mit andern, die eigenen Stärken, Schwächen, Spiritualität, Hochs, Tiefs. Und wenn jemand findet, ihm oder ihr sei das Thema egal, dann geht auch keine Welt unter. Das finde ich toll.
Dein berufliches Leben dreht sich um Sex. Ist das für dein Privatleben abtörnend?
Für mich ist das wie bei jedem anderen Job: Wenn mich mein Beruf erfüllt, dann beflügelt mich das auch privat. Und wenn er nervt, dann kostet es auch mal Energie. Dafür kann ich Selbstbefriedigung jederzeit als persönliche Weiterbildung abbuchen. Es könnte also schlimmer sein (lacht).
Wie reagieren Männer, wenn du von deinem Beruf erzählst?
Ich bekomme ja keinen Rapport zugestellt, was die Leute so denken. Für die einen ist es etwas Besonderes, anderen ist es egal. Ich bin eine Fachperson, habe einen Universtitäts- und einen Hochschulabschluss. Falls jemand denkt: «Hier kommt der Sexzirkus», dann ist dies Sache dieser Person und nicht meine.
Wie haben deine Eltern reagiert, als du ihnen sagtest, dass du Sexologin wirst?
Positiv! Sie haben mich und meinen Bruder immer bei dem unterstützt, was uns glücklich macht. Dafür war und bin ich dankbar, denn es ist nicht selbstverständlich.
Was war der Auslöser für deine Spezialisierung?
Fasziniert hat mich das Thema immer. Ich habe alle Infos dazu aufgesogen und auch die Kolumne im Blick gelesen. Es war aber nicht so, dass ich schon immer Sexologin werden wollte. Das kam erst, als Blick-Sexberaterin Eliane Schweitzer 2012 starb. Ich schrieb damals gerade mit der Sexualtherapeutin Ines Schweizer an meinem zweiten Buch, einem Sexratgeber. Als das Manuskript fertig war, war es wie eine Eingebung: Ich könnte diesen Job machen! Sechs Wochen später hatte ich unterschrieben.
Was braucht es für dich, damit Sex erfüllend ist?
Immer wieder etwas anderes. Sex ist wie gutes Essen: Er muss zur Situation und zum Appetit passen. Mal ist ein Sechs-Gang-Menü mit Musikbegleitung das höchste der Gefühle, mal ein Butterbrot. Beim Sex ist es dasselbe.
Was ist für dich beim Sex tabu?
Ich persönlich ertrage keinen Sex, bei dem Menschen mit ihrem Körper und ihrem Selbst nicht präsent sind. Aber jeder Mensch hat eigene Prioritäten. Ich orientiere mich an der sogenannten Verhandlungsmoral. Also dass etwas okay ist, wenn die Beteiligten urteilsfähig und sich einig sind, dass es okay ist. Ich habe nie verstanden, wie sich Heerscharen von Menschen daran stören können, wenn andere Leute einvernehmlich Analsex haben, sich anspucken oder, was weiss ich, sonst was machen wollen – sie selbst müssen es ja nicht tun.
Fast zehn Jahre lang warst du die Sexkolumnistin vom Blick. Was waren die häufigsten Fragen?
Wir haben den Ratgeber ja «Sex, Liebe und Beziehung» genannt. Das waren proportional auch die wichtigsten Bereiche. Es war also eher eine Liebes- als eine Sexberatung. Unglücklich Verliebte, Erektionsstörungen, Entfremdung, Lustlosigkeit, verzweifelte Singles, spezielle Vorlieben, Kommunikationsprobleme und vieles mehr. Das Spektrum war wirklich enorm breit.
Was waren die verrücktesten Fragen?
Diese Wahl überlasse ich andern. Ich denke nicht in diesen Kategorien. Mich hat dieses Stochern nach dem Verrückten ehrlich gesagt auch immer etwas genervt. Ich kann die Lust am Extremen nachvollziehen, aber es gibt meiner Arbeit einen Dreh, der ihr als Ganzes nicht gerecht wird.
Schockierende?
Nicht so viele. Jedenfalls nicht schockierend für mich. Das war immer mein grösstes Ziel: die Dinge in Liebe annehmen, egal, was kommt. Ich denke, das ist mir gelungen. Immer wieder Aufruhr ausgelöst haben Fragen zu Analsex. Intern und extern. Nicht alle Vorgesetzten haben dies gern publiziert gesehen, und auch einige Leser haben sich daran gestört.
Worin unterscheidet sich im Wesentlichen das Sexleben von Männern und Frauen?
Ich spreche nicht gern von «den Männern» oder «den Frauen». Ja, es gibt Dinge, die für das eine Geschlecht typischer sind. Aber ich arbeite nicht mit Konzepten, die alle in einen Topf werfen, und man trotzdem manche Menschen völlig vergisst. Gleichzeitig finde ich es spannend, über Polaritäten und den Körper zu reden. Etwa darüber, was es für die Sexualität bedeutet, wenn man einen Penis hat oder eine Vulvina. Wie erlebt sich eine Person in ihrer Körperlichkeit? Kann sie mit ihr spielen und in ihr aufblühen?
Wie alt waren die Ratsuchenden?
Zwischen 14- und 94-jährig. 80 Jahre Sex. Nicht schlecht.
Hast du Feedbacks erhalten, dass dein Rat geholfen hat – oder gar geschadet?
Eher selten. Die Beratung funktionierte recht pragmatisch. Es waren ja Tausende Kontakte und Fragen. Wenn ein positives Feedback kam, hat mich das natürlich gefreut. Und wenn jemand gesagt hat, dass es unnütz oder negativ war, dann hat es mich motiviert zu schauen, was besser passen könnte. Aber die grosse Geschichte im Stil von: «Wir haben unser Baby nach dir benannt», fehlt noch. Wobei ich das eher schräg fände (lacht).
Sind Schweizer und Schweizerinnen im Schlafzimmer prüde?
Ich erlebe sie als sehr aufgeschlossen. Die Idee, dass Schweizerinnen und Schweizer schlecht im Bett seien, ist Quatsch. Wir haben unsere Kultur, sie ist einzigartig, vielseitig und sie zeigt sich auch beim Sex. Da ist extrem viel Schönes dabei. Wenn ich den Menschen in der Schweiz etwas wünschen würde, dann ein bisschen mehr Bewusstsein für den Körper und die Lust daran. Wir sind manchmal etwas verkopft.
Wie hat sich unser Sexleben in den letzten 20 Jahren verändert?
Es gibt immer Trends wie digitales Dating oder neue Haltungen, die das Zusammenleben verändern. Aber viele Themen und Wünsche sind sehr alt und universell: die Suche nach Lust, Geborgenheit, Erfüllung, Abenteuer, Liebe. Schön finde ich, dass immer mehr Frauen ihre Sexualität ernst nehmen, fördern und ausleben. Und Nein sagen, wenn es nicht passt. Männer stehen mittlerweile zum Glück öfter hin und sagen: «Ich lasse mich nicht weiter in diese oder jene Schublade stecken.» Daneben gibt es ganz viele Menschen, die sagen: «Hey, ich lebe, liebe und fühle ganz anders, und mich gibts im Fall auch.»
In einer Partnerschaft gilt es oft als Gefühlskiller, über das gemeinsame Sexleben zu sprechen.
Warum sollten Gespräche Gefühlskiller sein? Über Sex zu reden, ist grossartig, wenn man es richtig macht. Spannend, intim, manchmal sehr anstrengend und hoffentlich oft auch rasend komisch. Wenn man redet, heisst das ja nicht, dass man danach nicht auch handeln soll.
Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, heisst es. Das klingt natürlich etwas unpassend, wenn es um eine Kolumne über Sex und Beziehungen geht. Aber so ist es. Heute erscheint «Fux über Sex» zum letzten Mal. Damit verabschiedet sich nicht nur die Psychologin Caroline Fux (40) von den Leserinnen und Lesern – damit endet für Blick auch eine Ära.
Vor 40 Jahren, als es kein Internet und immer noch reichlich Verklemmtheit gab, standen viele mit ihren Fragen über Sex, Liebe und Beziehung alleine da. Deshalb rief Blick 1980 mit Marta Emmenegger den Sex-Ratgeber ins Leben. Die Themen, die Offenheit, die Direktheit – das war neu für die Schweiz. Und aufregend! Die Prüden regten sich auf, die Blick-Leserinnen und -Leser verschlangen die Tipps. In 16 Jahren wurde die «Liebe Marta» zur Institution.
Danach übernahm Eliane Schweitzer das Beantworten der Fragen. Tabulos wie ihre Vorgängerin, etwas psychologischer im Ansatz, dementsprechend hiess die Rubrik «Auf der Couch mit Eliane». Bis kurz vor ihrem Tod 2012 schrieb sie hingebungsvoll und half den Ratsuchenden kenntnisreich.
Die Dritte im Bunde war während der letzten fast zehn Jahre Caroline Fux. Sie führte die Tradition leidenschaftlich weiter und prägte sie mit ihrem eigenen Stil. Sie griff neue Themen auf und fand auf alte Fragen neue Antworten. «Fux über Sex»: Wer den Verdacht hatte, das klinge zu knackig, um wahr zu sein – sie heisst wirklich Fux. Der Name stammt aus dem Wallis und steht so in ihrem Pass.
Die Themen Sexualität, Liebe und Partnerschaft bleiben für den Blick auch ohne Ratgeber-Kolumne wichtig. Das neu geschaffene Ressort Gesellschaft wird in allen Facetten und in verschiedenen journalistischen Formen ausführlich darüber berichten.
Wir danken Caroline Fux für ihr langjähriges Engagement und wünschen ihr alles Gute!
Die Chefredaktion der Blick-Gruppe
Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, heisst es. Das klingt natürlich etwas unpassend, wenn es um eine Kolumne über Sex und Beziehungen geht. Aber so ist es. Heute erscheint «Fux über Sex» zum letzten Mal. Damit verabschiedet sich nicht nur die Psychologin Caroline Fux (40) von den Leserinnen und Lesern – damit endet für Blick auch eine Ära.
Vor 40 Jahren, als es kein Internet und immer noch reichlich Verklemmtheit gab, standen viele mit ihren Fragen über Sex, Liebe und Beziehung alleine da. Deshalb rief Blick 1980 mit Marta Emmenegger den Sex-Ratgeber ins Leben. Die Themen, die Offenheit, die Direktheit – das war neu für die Schweiz. Und aufregend! Die Prüden regten sich auf, die Blick-Leserinnen und -Leser verschlangen die Tipps. In 16 Jahren wurde die «Liebe Marta» zur Institution.
Danach übernahm Eliane Schweitzer das Beantworten der Fragen. Tabulos wie ihre Vorgängerin, etwas psychologischer im Ansatz, dementsprechend hiess die Rubrik «Auf der Couch mit Eliane». Bis kurz vor ihrem Tod 2012 schrieb sie hingebungsvoll und half den Ratsuchenden kenntnisreich.
Die Dritte im Bunde war während der letzten fast zehn Jahre Caroline Fux. Sie führte die Tradition leidenschaftlich weiter und prägte sie mit ihrem eigenen Stil. Sie griff neue Themen auf und fand auf alte Fragen neue Antworten. «Fux über Sex»: Wer den Verdacht hatte, das klinge zu knackig, um wahr zu sein – sie heisst wirklich Fux. Der Name stammt aus dem Wallis und steht so in ihrem Pass.
Die Themen Sexualität, Liebe und Partnerschaft bleiben für den Blick auch ohne Ratgeber-Kolumne wichtig. Das neu geschaffene Ressort Gesellschaft wird in allen Facetten und in verschiedenen journalistischen Formen ausführlich darüber berichten.
Wir danken Caroline Fux für ihr langjähriges Engagement und wünschen ihr alles Gute!
Die Chefredaktion der Blick-Gruppe
Wie sehr hat sich das Sexleben während der Corona-Pandemie verändert?
Die Pandemie hat wie ein Vergrösserungsglas gewirkt: Was gut war, wurde besser, was schon schlecht war, miserabel. Ich hatte 2020 sehr viel zu tun. Vieles passierte in Extremen. Hinzu kamen viele Unsicherheiten, Druck und auch die Spaltung der Gesellschaft, die irgendwann eingesetzt hat. Das war heftig, an einigen Themen nagen wir ja noch jetzt. Aber Krisen gehören zum Leben. Sie sind auch wichtig, um Veränderung zu ermöglichen und anzutreiben.
Gab es Fragen, die du nicht beantworten konntest oder wolltest?
Prinzipiell wollte ich für alle da sein. Aber wenn jemand respektlos, aggressiv oder distanzlos geschrieben hat, dann habe ich mir schon ab und zu gesagt: Das spare ich mir jetzt. Und ich habe nie für andere Leute entschieden, im Sinne von: «Du sollst gehen, du sollst bleiben.» So funktioniert eine gute Unterstützung nicht. Die Verantwortung für das eigene Leben muss bei der betroffenen Person bleiben.
Wie bist du mit perversen Bedürfnissen wie zum Beispiel Pädophilie umgegangen?
Das Wort «pervers» mag ich nicht, es bewertet unnötig. Pädophile haben sich ihre Neigung nicht ausgesucht. Jede Person kann dankbar sein, wenn sie nicht auf Dinge steht, die problematisch sind, weil sie anderen oder sich selbst Schaden zufügen. Was vielen nicht bewusst ist: Längst nicht alle Pädophilen sind auch pädosexuell. Das heisst, sie haben zwar diese Vorliebe, leben sie aber ganz bewusst und unter einem grossen, ihnen selbst wichtigen Verzicht nicht aus. Diese Menschen haben Unterstützung verdient. Pädosexualität hingegen ist ein schlimmes Vergehen, das ich ohne Abstriche verurteile. Aber es braucht diese Differenzierung zwischen Neigung und Tat.
Gibt es eine aufregende Sex-Frage, die dir nie gestellt wurde?
Von denen gibt es sicher unzählige, nur kenne ich sie ja nicht. Ich habe nie an Fragen rumstudiert, die nicht kamen. Was ich allerdings bedauert habe, ist, dass gewisse Themen für meinen Geschmack eher zu kurz kamen.
Nämlich?
Ich hätte gern mehr Fragen aus dem Bereich LGBTQIA+-Bereich beantwortet. Ich kann mich beispielsweise an kaum eine Frage zu Intersexualität erinnern. Aber ich bin immer eisern geblieben: Ich habe keine Fragen erfunden oder irgendwie organisiert, nur damit die Mischung anders gewesen oder sonst ein Bedürfnis erfüllt gewesen wäre.
Blick stellt nach 40 Jahren, davon fast zehn mit dir, die Sexkolumne ein. Wie sehen deine Pläne aus?
Ich mache mich mit psychologischer und sexologischer Beratung selbständig. Ich habe eine virtuelle Praxis auf carolinefux.ch, da bekommt man einfach und unkompliziert Hilfe. In sich selbst zu investieren, kann unglaublich bereichernd sein, Unterstützung zu bekommen, krass entlastend. Oft braucht es gar nicht so viel.
Dein Tipp an unsere Leserschaft: Wie erlange ich ein erfülltes Sexleben?
Vergessen Sie um Himmels willen allgemeine Tipps und Patentlösungen. Das meiste ist Mist. Man sollte diesen Lebensbereich wie jeden anderen behandeln, der einem wichtig ist. Dran bleiben. Investitionen machen. Offen sein. Sich Zeit nehmen. Hochs und Tiefs akzeptieren. Sich selbst kennenlernen und spüren. Dinge ausprobieren. Sein Gegenüber immer wieder neu entdecken. Wachstum und Lebendigkeit fördern. Das alles ist erotisch. Bis zum letzten Atemzug.
Caroline Fux war am Mittwoch live zu Gast im «Fokus» auf Blick TV.
Die Faszination für Liebe, Sex und Beziehungen hat Caroline Fux (40) zu ihrem Beruf gemacht. Nach dem Studium der Psychologie, Psychopathologie und Linguistik folgte ein Masterstudium in Sexologie. Seit 2012 beantwortete sie in ihrer Blick-Kolumne «Fux über Sex» Tausende Leserfragen. In Co-Autorenschaft hat sie beim Beobachter Verlag drei Bücher herausgegeben: «Was Paare stark macht», «Guter Sex» und «Das Paar-Date». Ihr Beratungsangebot ist auf carolinefux.ch zu finden. Die Psychologin lebt mit ihrem Mann in Zug, sie fährt Motorrad, liebt Katzen und trägt gern bunte Socken.
Die Faszination für Liebe, Sex und Beziehungen hat Caroline Fux (40) zu ihrem Beruf gemacht. Nach dem Studium der Psychologie, Psychopathologie und Linguistik folgte ein Masterstudium in Sexologie. Seit 2012 beantwortete sie in ihrer Blick-Kolumne «Fux über Sex» Tausende Leserfragen. In Co-Autorenschaft hat sie beim Beobachter Verlag drei Bücher herausgegeben: «Was Paare stark macht», «Guter Sex» und «Das Paar-Date». Ihr Beratungsangebot ist auf carolinefux.ch zu finden. Die Psychologin lebt mit ihrem Mann in Zug, sie fährt Motorrad, liebt Katzen und trägt gern bunte Socken.
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