Büezer-Rocker Gölä wird 50!
«Mein Ziel ist, mich weniger über Idioten aufzuregen»

1998 fiel mit dem Album «Uf u dervo» der Startschuss zur einzigartigen Karriere von Büezer-Rocker Gölä. Mit seinen Mundart-Hits hat er die Charts geprägt, Teile seiner Songtexte und Aussagen sind zum Volksgut geworden. Im grossen Jubiläumsinterview mit BLICK zum 50. Geburtstag und zu «20 Jahren Gölä» schaut der Berner Musiker zurück und vorwärts, sagt, was ihn ärgert und was ihn hoffen lässt, was er liebt und was er gar nicht gerne mag. Ohne Blatt vor dem Mund, ohne Netz und doppelten Boden.
Publiziert: 03.06.2018 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 06:25 Uhr
«Ich feiere meinen Geburtstag nie»
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Gölä im Interview:«Ich feiere meinen Geburtstag nie»
Interview: Dominik Hug; Fotos: Philippe Rossier

Er hat die Schweizer Musik geprägt wie kaum ein anderer. Büezer-Rocker Gölä feiert heuer gleich zwei Jubiläen: Er wird am 7. Juni 50 Jahre alt, und vor 20 Jahren begann seine Karriere. BLICK trifft den Mundart-Star zu Hause im Berner Oberland. Um ihn herum spielen seine beiden Töchter und der jüngere Sohn. Gölä ist völlig relaxt.

BLICK: Herzliche Gratulation zum 50. Wissen Sie schon, wie Sie feiern?
Gölä: Nein, ich feiere nie Geburtstag. Das ist ein Tag wie jeder andere. Ich verstehe nicht, warum man sich selber feiern sollte. Ich gehe lieber ein bisschen in mich und sage Danke, dass ich so alt werden durfte. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Was haben Sie in einem halben Jahrhundert gelernt?
Viel zu wenig. Die Zeit geht abartig schnell vorbei. Vor allem, wenn man Kinder hat. Ich glaube, deswegen bekommen auch viele in meinem Alter eine Midlife-Crisis. Weil sie eben realisieren, was sie alles verpasst haben beziehungsweise wie wenig Zeit ihnen noch bleibt.

Hatten Sie auch schon eine Midlife-Crisis?
Immer mal wieder. Ich dachte schon als Teenager, dass ich zu wenig Zeit habe, um alle meine Träume erfüllen zu können. Ich will ja mal mit einem Lachen im Gesicht abtreten können. Und heute ist dieser Druck noch verreckter.

Was machen Sie dagegen?
Noch aktiver sein, noch mehr Sachen in Angriff nehmen. Ich will mein Leben voll auskosten. Und damit meine ich nicht, gemütlich mit einem Bierchen aus dem Liegestuhl in die Sonne glotzen. Das ist genau das, was ich nicht kann. Zu leben bedeutet für mich, mich zu bewegen und etwas auf die Beine zu stellen.

Was gefällt Ihnen am Älterwerden?
Man erkennt besser, was man nicht mehr braucht, wird kompromissloser.

Kompromisslos waren Sie schon immer.
Das stimmt. Aber ansonsten sehe ich nicht viel Schönes am Alter. Traurig finde ich, wenn Leute erst mit 65 zu leben anfangen wollen. Sie arbeiten und arbeiten und vertrösten sich auf die Zeit, wenn sie pensioniert sind. Vergiss es! Wenn du bis 65 nicht gelebt hast, wirst du es auch danach nicht mehr tun.

«I hätt no viu blöder ta»

Gölä wurde am 7. Juni 1968 als Marco Pfeuti in Thun BE geboren. Vor 20 Jahren schrieb er erstmals Schweizer Musikgeschichte, als er mit seiner Band um Slädu Perica, TJ Gyger und die Moser-Schwestern Sandee und Babs «Uf u dervo» einspielte – das erfolgreichste Mundart-Album überhaupt mit über 250'000 verkauften Einheiten. Nach englischsprachigen Produktionen («Burn», «Gimme a Band» u. a.), Kooperationen mit den Bellamy Brothers und dem Hörspielprojekt «Papagallo & Gollo» kehrte er erfolgreich zur Mundart zurück. So triumphierte er im Sommer 2012 mit dem Doppelalbum «Angü u Dämone» in den Charts. Der aktuellste Erfolg gelang ihm 2017 mit der CD «Urchig», die Jodelversionen seiner Hits enthält. Im kommenden Dezember folgen drei Konzerte im Zürcher Hallenstadion. Gölä ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt im Berner Oberland.

Gölä wurde am 7. Juni 1968 als Marco Pfeuti in Thun BE geboren. Vor 20 Jahren schrieb er erstmals Schweizer Musikgeschichte, als er mit seiner Band um Slädu Perica, TJ Gyger und die Moser-Schwestern Sandee und Babs «Uf u dervo» einspielte – das erfolgreichste Mundart-Album überhaupt mit über 250'000 verkauften Einheiten. Nach englischsprachigen Produktionen («Burn», «Gimme a Band» u. a.), Kooperationen mit den Bellamy Brothers und dem Hörspielprojekt «Papagallo & Gollo» kehrte er erfolgreich zur Mundart zurück. So triumphierte er im Sommer 2012 mit dem Doppelalbum «Angü u Dämone» in den Charts. Der aktuellste Erfolg gelang ihm 2017 mit der CD «Urchig», die Jodelversionen seiner Hits enthält. Im kommenden Dezember folgen drei Konzerte im Zürcher Hallenstadion. Gölä ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt im Berner Oberland.

Das Schlimmste am Alter?
Der körperliche Zerfall. Der setzt schleichend ein, schon mit 20 beginnt der Körper abzubauen. Nur merken es die meisten erst ab 40. Plötzlich tun einem die Knie weh oder der Rücken. Als Mann merkt man auch, dass man nicht mehr fünf Meter weit schiffen kann (lacht). Man sollte nie denken, man sei eine Ausnahme: Das Alter holt jeden von uns ein.

Sie trinken kaum mehr Alkohol, haben auch aufgehört zu rauchen.
Jahrzehntelang merkte ich nichts, dann spürte ich es plötzlich auf der Lunge, was mich schliesslich zwang, mit dem Rauchen aufzuhören. Als junger Mann kann man zwei Tage durchtrinken, dann eine Stunde schlafen – prompt ist man wieder fit. Heute hätte ich bei einem solchen Gezeche drei Tage Kopfweh.

Was bereuen Sie?
Eigentlich nichts. Wer keine Fehler macht, bleibt dumm. Aus Fehlern lernen wir, kommen also voran.

Konkret?
Natürlich ist es beschissen, wenn zum Beispiel eine Ehe kaputtgeht. Doch solche Dinge gehören zum Leben, und man versucht, das Beste daraus zu machen. Mein Ziel ist es, weiser zu werden, ruhiger zu sein, mich weniger über Idioten aufzuregen. Ich will mich auf meine Welt konzentrieren und ein guter Mensch für meine Nächsten sein. In meinem eigenen Umfeld habe ich direkt Einfluss darauf, etwas zu bewegen.

Ein Jubiläum feiern Sie auch beruflich: 20 Jahre Gölä! Was war der beeindruckendste Moment Ihrer Karriere?
Es gibt so viele Highlights, ich kann sie unmöglich klassieren. Das Schönste ist für mich, dass ich überhaupt so viel erleben durfte. Jeder einzelne Moment ist ein Teilchen meines Lebens-Puzzles.

Angefangen hat alles 1998 mit ein paar Lumpenliedli. Haben Sie damit gerechnet, dass diese noch heute ziehen?Nein, aber ich hatte damals ohnehin keinen Plan. Ich habe einfach meine Sache gemacht. Ich habe auf dem Bau gearbeitet, an Feierabend die Gitarre in die Hand genommen und Lieder geschrieben.

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Gölä an seinem Wohnort im Berner Oberland. Im Hintergrund der Thunersee, Interlaken und der Brienzersee. Er ist gerne draussen und bei seiner Familie. «Ich habe keine Lust, mit fremden Leuten Cüpli zu trinken.»
Foto: PHILIPPE ROSSIER

Auf welches Lied sind Sie besonders stolz?
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich auf meine Lieder stolz sein sollte. Sie kommen ja nicht aus mir heraus. Ich sehe diese Lieder eher als Geschenk des Himmels. Ich bin wie eine Satellitenschüssel, die sie empfängt. Ich nehme eine Gitarre, eine Stunde später ist der Song fertig. Dahinter gibt es keine grossen Sinn-Interpretationen. Auch keine Leistung.

Warum berühren Lieder wie «Schwan», «Indianer» oder «Uf u dervo» noch heute?
Keine Ahnung, weshalb gewisse Lieder hängen bleiben. Ich schreibe sie ja nur für mich. Es sind Songs über mein Leben, meine Gefühle und meine Gedanken. An meiner Arbeitsweise hat sich seit 1998 nichts geändert. Ich wärche immer noch fast täglich auf der Baustelle. Und an manchen Abenden kommt mir eine Zeile oder Melodie in den Sinn. Die nehme ich dann auf.

Die Musik ist also nicht Ihr Lebensmittelpunkt?
Um Gottes willen, nein! Das war sie nie. Würde ich nur Musik machen, wäre ich unzufrieden. Und so würden dann wohl auch meine Lieder tönen. Ich bin kein Künstler und habe auch Mühe damit, wenn man mich so bezeichnet. Künstler sind oft ziemlich realitätsfremde Menschen, die sich ihre Welt so ausmalen, wie sie sie gerne hätten, und nicht sehen wollen, wie sie wirklich ist. Davon bin ich meilenweit entfernt.

Sie galten schon früh als Sonderfall in der Schweizer Musikszene.
Das ist mir auch ganz recht so. Ich wollte nie allen gefallen. Muss ich auch nicht. Dort, wo alle sind, ist nicht meine Welt.

Sieht man Sie deshalb nie an öffentlichen Anlässen?
Genau. Ich habe keine Lust, mit fremden Leuten Cüpli zu trinken. Dann muss ich über Musik reden, was für ein Witz! Musik muss man hören und fühlen, darüber muss man doch nicht reden. Ich bleibe lieber bei Frau und Kindern. All dieses Gequatsche immer. Die Leute sollen weniger reden, dafür mehr denken.

Der Erfolg freut Sie aber schon, oder?
Natürlich. Es ist wunderbar, geliebt zu werden für das, was man tut. Ich mache ja auch gerne Musik. Umso schöner, wenn die von anderen geschätzt wird. Angenehm ist auch, dass ich mir dank des Erfolgs den einen oder anderen Bagger kaufen konnte. Und zwar nicht auf Pump. Oder dass ich ein eigenes Dach über dem Kopf habe. Aber das hätte ich auch sonst geschafft. Ich hatte nie Existenzängste.

Weshalb nicht?
Es wäre nicht tragisch, wenn niemand mehr meine Musik hören würde. Ich könnte mich auch so durchschlagen. Ich kann krampfen. Zehn, elf, zwölf Stunden am Tag, das ist mir egal. Hauptsache, der Chef ist zufrieden und ich bekomme einen fairen Lohn. Ich glaube, deshalb würde mich auch jeder sofort auf seiner Baustelle anstellen.

Warum interessiert Sie Luxus nicht?
Die Frage ist doch, was wahrer Luxus ist. Jeder, der gesund ist, hat den grössten Luxus überhaupt. Was braucht man denn noch mehr? Alle diese Jammeri, die behaupten, sie hätten nichts, sollten mal in die Welt hinausgehen und sehen, unter welchen erbärmlichen Umständen die Mehrheit auf diesem Planeten leben muss.

Was hat sich in den 20 Jahren verändert in der Musikbranche?
Dass kaum mehr Platten gekauft werden. Alles wird gratis heruntergeladen und gestreamt. Ist schon komisch, beim Bäcker kann auch nicht jeder einfach reinlaufen und sich gratis ein paar Gipfeli schnappen. Aber bei Musik scheint das niemanden zu stören. Wir Musiker verdienen heute eigentlich nur noch an den Konzerten.

Von Ihrer letzten CD «Urchig» haben Sie 60’000 Stück verkauft. Sie behaupten, dass Sie damit kein Geld verdient haben?
Ich beklage mich nicht, sondern beschreibe einfach die Realität. Im Übrigen habe ich mit meinem Team an «Urchig» zehn Monate lang gearbeitet, das war ein richtiger Chrampf. Vor 20 Jahren hätten wir davon vielleicht 300’000 Stück verkauft, also das Fünffache.

Wird das Songschreiben mit den Jahren leichter?
Nein, schwieriger. Die Ansprüche an sich selber sind grösser, und man überlegt mehr. Habe ich diesen Satz schon mal benutzt? Habe ich über dieses Thema nicht bereits einen Song geschrieben? Früher überlegte ich nie, ich schrieb einfach drauflos.

Fragen Sie sich nie, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie nicht als Musiker Karriere gemacht hätten?
Nein. Mein Leben wäre auch sonst hirnrissig herausgekommen. Ich hätte auch ohne Musik kein normaleres Leben geführt. Dann wäre ich halt ohne Geld um die Welt gereist und hätte zwischendurch irgendwo einen Job angenommen. So wie früher, als ich noch jung war. 0815 war nie mein Ding.

Früher?
Mein Erfolg setzte ja relativ spät ein. Ich war schon 30, als es abging. Davor reiste ich in der Welt herum, chrampfte in Australien und Neuseeland. Man kann auch mit sehr wenig Geld viel herausholen. Eine alte Lebensweisheit von mir: Man kann alles erleben. Dazu braucht es bloss ein Paar gute Schuhe und einen Rucksack – und man darf vor nichts Angst haben. Dann steht einem die Welt offen.

Was ist Ihr grösster Traum?
Für mich oder die Menschheit?

Für Sie.
Mit einem Ufo ins Weltall blochen. Und zwar mit einem Offroad-Ufo (lacht). Ich würde gerne andere Galaxien und Völker entdecken.

Sie glauben an Ausserirdische?
Ja, hundert Prozent! Wie im Kleinen so im Grossen, hat mal ein gescheiter Mensch gesagt. Jeder Mensch hat einen Körper. Und jeder Körper ist wie ein eigener Kosmos. Die Bakterien im linken Bein wissen nichts von den Bakterien im rechten. Und noch weniger wissen sie von den Bakterien in den Milliarden anderen Menschen, die auf dieser Welt herumlaufen. Und trotzdem gibt es sie. Warum sollte es also nicht noch viele andere, uns ähnliche Lebensformen da draussen geben?

Und Ihr Traum für die Menschheit?
Keine Kriege und kein Hunger mehr. Aber dieser Traum wird sich in meinem Leben wohl nicht erfüllen. Genauso wenig wie der Traum vom Offroad-Ufo.

Ihre grösste Angst?
Nicht mehr für meine Kinder da zu sein, solange sie nicht auf eigenen Beinen stehen. Ich wäre gerne an ihrer Seite, bis sie erwachsen sind. Mit den Kindern kommen die Sorgen. Es gibt so viele miese Krankheiten, es gibt täglich schlimme Unfälle. Die Welt ist ungerecht. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Aber, hey, man muss immer positiv sein und Vollgas geben.

Anfang Dezember treten Sie gleich dreimal im Zürcher Hallenstadion auf. Schon nervös?
Und wie! Konzerte zu geben, ist für mich bis heute eine Qual.

Haben Sie deshalb schon mehrmals Ihren Rücktritt angekündigt?
Unter anderem, ja. Manchmal scheisst auch mich einfach alles an. Eine solche Karriere ist wie eine Ehe. Man meint, sie hält für immer. Dann beginnt es zu kriseln und irgendwann hat man die Schnauze voll. Was aber niemanden davon abhält, vielleicht nochmals zu heiraten. Als ich meine Rücktritte ankündigte, wollte ich wirklich jedes Mal aufhören. Doch nach ein paar Monaten kamen plötzlich wieder neue Lieder. Ach, das wäre jetzt schon noch geil, die aufzunehmen, dachte ich. Die Freude kehrte zurück. Und päng, bist du wieder voll drin.

Nun machen Sie einfach weiter.
Genau. Ich will nie mehr «nie mehr» sagen. Weil es ohnehin immer anders kommt.

Was ist der Sinn des Lebens?
Die Fortpflanzung. Von der Mikrobe bis zum Blauwal und den Menschen – wir machen doch alle das Gleiche, gopferteli!

Ist Ihre Familienplanung abgeschlossen?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten. In dieser Frage ist meine Frau der Boss (lacht).

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