Bruno Ganz über seine Rolle als Alpöhi
«Ich bin auch ein Eigenbrötler»

Schauspieler Bruno Ganz spricht über seine Rolle als Alpöhi, wieso Anuk die perfekte «Heidi» für ihn ist und warum er Berge eigentlich gar nicht mag.
Publiziert: 28.11.2015 um 14:44 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:00 Uhr
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Alpöhi (Bruno Ganz) und Heidi (Anuk Steffens) auf dem Weg ins verschneite Dörfli.
Foto: The Walt Disney Company Switzerland
Von Cinzia Venafro
Bruno Ganz (74) im Interview mit BLICK.
Foto: Keystone

Blick: Bruno Ganz, was ist das Schöne am Alleinsein?
Bruno Ganz (74):
Manchmal ist das Alleinsein sehr notwendig, beim Textlernen beispielsweise. In diesen Zeiten kann ich nicht mit anderen Menschen kommunizieren. Das Gegenüber merkt mir an, dass ich nicht bei ihm bin, das ist lästig. Und wenn ich bei einem Dreh sechs Wochen lang ständig Leute um mich habe, entsteht ein grosses Bedürfnis, mich nicht mehr mit anderen beschäftigen zu müssen. Dann gehe ich in die Natur und hänge Tagträumen nach.

So wie Ihr Film-Ich in «Heidi». Wie viel Alpöhi steckt in Ihnen?
Ich bin auch ein Eigenbrötler, aber im Gegensatz zu ihm habe ich keine Vergangenheit, in der mich die Menschen schlecht behandelt haben. Ich erfuhr keine Ungerechtigkeit, die Gesellschaft war gut zu mir.

Das müssen Sie auch zu Heidi-Darstellerin Anuk Steffen gewesen sein. Sie seien sehr lieb und hätten ihr viele Tipps gegeben, sagt das Mädchen. Konnten Sie eigentlich auch etwas von ihr lernen?
Wirklich lernen nicht. Aber die heutigen Kinder sind medial unglaublich geübt. Die wissen intuitiv, wie man Interviews gibt oder sich vor Kameras verhält. Ich hätte das in ihrem Alter niemals gekonnt.

Stimmt es, dass Sie Anuk beim Casting persönlich ausgewählt haben?
Ich wurde in der Endphase beigezogen, als noch zwei Mädchen da waren. Ich musste mit beiden Szenen durchspielen. Nach zehn Sekunden war mir klar, dass es entweder eine richtige Entscheidung gibt – oder eine Katastrophe! Anuk hat sofort auf mich und mein Spiel reagiert. Nach einer Stunde war ich etwas ungehalten und sagte Alain (Regisseur Alain Gsponer – Red.), dass für mich nur Anuk unser Heidi sein kann.

Wie haben Sie sich auf die Dreharbeiten vorbereitet?
Als Bub verbrachte ich meine Schulferien jahrelang bei Bauern aus der Verwandtschaft. Das Melken habe ich nie ganz verlernt, ich brauchte aber einen Crashkurs mit einem echten Sennen. Er hat mir eine Geiss in den Stall geholt, und ich merkte schnell, dass Geissen viel einfacher zu melken sind als Kühe. Ihre Zitzen sind kürzer und weicher. Auch das Mähen mit der Sense hatte ich noch im Blut. Nach einem Nachmittag war ich handwerklich gerüstet für den Berg.

Sie sagten einst, dass Sie die Berge eigentlich gar nicht so mögen.
Das stimmt. Als Spaziergänger bewege ich mich lieber in Landschaften, die mir einen Weitblick ermöglichen. Steile Felswände haben etwas Bedrückendes.

Konnten Sie der Landschaft beim Dreh gar nichts abgewinnen?
Wir waren rund 2000 Meter über Meer auf einer Alp im Bündnerland. Der Transport dorthin war mühsam, und wir hatten Wetterpech, bereits im September schneite es. Aber wenn der Himmel aufklarte und mir den Blick ins Tal eröffnete, war ich schwer beeindruckt. Ich dachte, dass ich geeicht sei gegen die ganzen Bergkulissen, wie sie auf Postkarten abgebildet sind. Falsch gedacht.

Heidi erkrankt im Film an der sogenannten Schweizer Krankheit, dem Heimweh. Kennen Sie diesen Schmerz? Sie lebten fast 30 Jahre in Deutschland.
Ja, ich habe aber einzig in Gegenden Heimweh, in denen ich die Sprache nicht verstehe. Gerade war ich in Mazedonien. In solchen Ländern möchte ich schnell wieder in vertraute Umstände zurück.

Fühlen Sie sich eigentlich als Schweizer? Ihre Mutter war Italienerin.
Das hat in mir eine erste Distanz zum Land ausgelöst, und diese wurde durch die Jahre im Ausland verstärkt. Erst dadurch konnte ich einen differenzierten Blick auf die Schweiz entwickeln. Ich sehe unser Land anders als die Menschen, die einzig für die Ferien über die Grenze gehen. Diese Vollschweizer schlucken viel und hinterfragen wenig. Trotzdem, wenn ich tief in mein Gemüt hineinhorche, bin ich Schweizer und auf eine gespaltene, kritische Weise mit der Heimat verbunden. Und wenn in Italien die Züge nicht pünktlich sind, dann empfinde ich das nicht als schöne italienische Eigenheit. Sondern es ist einfach Scheisse, wenn die Züge nicht pünktlich sind. Egal, wo.

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