BLICK: Sie sind zurück mit der Single «Lah sie redä». Wen lassen Sie reden?
Bligg: Ich bin ein grosser Fan von Visionären, die an ihre Vision glauben. Seien das die Gebrüder Wright mit dem Fliegen oder ein Nicolas Hayek mit seiner Swatch-Uhr. Sie haben ihre Ideen durchgezogen, obwohl sie deswegen oft belächelt wurden. Sie haben gehandelt, statt gross zu reden. Heute ist das oft anders.
Wie meinen Sie das?
Dank der Online-Kommentarfunktionen kann jedermann zu jeder Zeit seinen Senf dazugeben. Mit den neuen Medien ist heutzutage jeder ein Journalist – oder gleich ein Star. Es zählt nur noch, was mehr Likes bekommt. Dies führt mit der Zeit auch zu einem gesellschaftlichen Druck.
Wie wirkt sich dieser Druck aus?
Es soll immer noch höher, noch weiter und noch grösser gehen. Das ist eine ungesunde Tendenz, gerade für die jungen Leute. Man muss unbedingt glänzen. Wer nicht erfolgreich ist, wird klein gemacht.
Sie können sich über mangelnden Erfolg nicht beklagen. Trotzdem wird auch über Sie geredet.
Ich bin jetzt 20 Jahre im Business, 1995 habe ich meinen ersten Tonträger herausgebracht. Damals noch sehr klein. Aber geredet wurde immer. Anfangs meinten die Radios: «Diesen Sprechgesang können wir nicht spielen.» Und als dann poppige Einflüsse dazukamen, hiess es: «Bligg macht jetzt nicht mehr Rap, er ist Kommerz geworden.»
Verletzen Sie solche Stimmen?
Es können Radiostationen kommen und sagen, das ist kein Hit. Es können irgendwelche Leute online ihre negativen Comments raushauen. Am Ende des Tages gibt es nur eine Richtlinie: Wie viele Leute da draussen interessiert, was du machst? Wenn du in der kleinen Schweiz 100 000 Alben verkaufst, Fünffach-Platin einfährst, dann ist eigentlich alles gesagt, was gesagt werden muss.
Verstehen Sie, dass es da Neider gibt?
Ich muss das einfach einmal klarstellen. Ich bin zwar kommerziell wahrscheinlich der erfolgreichste Act dieses Landes, aber wenn es immer nur um Zahlen geht, geht mir das mittlerweile etwas auf den Sack. Ich habe den Erfolg in dieser Grössenordnung nie angestrebt.
Was haben Sie dann angestrebt?
Es ist nicht sehr angenehm, wenn du deine Kunst lebst, aber merkst, dass du auf privater Ebene Probleme bekommst, weil es finanziell nicht reicht. Es gab wirklich Zeiten, da war ich absolut pleite und wusste nicht, wie ich das Essen für die nächste Woche bezahlen soll. Ich wollte nicht mehr mit Sorgen ins Bett gehen, wie ich meine Rechnungen bezahle, und am nächsten Morgen wieder mit denselben Sorgen aufwachen.
Was bedeutet Ihnen Geld heute?
Ich bin im Zürcher Stadtteil Schwamendingen aufgewachsen, komme aus einer sozial eher tieferen Schicht. In der Schweiz kann man kaum von Armut reden, aber meine Eltern hatten beispielsweise nie Geld, um mit uns in die Skiferien zu fahren. Natürlich freue ich mich jetzt darüber, wenn ich meiner Mutter ein Auto kaufen kann. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich Musik mache. Ich hätte auch studieren und Architekt werden können und hätte unter dem Strich wohl insgesamt mehr verdient.
Sie sind vor einem halben Jahr Vater eines Buben geworden. Lio wird in einem anderen Umfeld aufwachsen als Sie damals. Welche Werte werden Sie ihm mitgeben?
Ich will nicht, dass er ein verwöhnter Bengel wird. Darauf bin ich sehr erpicht. Ich werde Lio zeigen, wo ich herkomme, und ihm auch mitteilen, dass es nicht selbstverständlich ist, wie wir leben, und dass ich mir dies alles selbst erarbeitet habe.
Ihr neues Album «Instinkt» erscheint am 4. Dezember. Ihrem Sohn widmen Sie den Song «Drachentöter».
Und dabei habe ich mir zuvor noch gesagt, nur weil meine Partnerin jetzt schwanger ist, muss ich das nicht in einem Song thematisieren. Aber als Künstler wird man natürlich von Emotionen gelenkt. Und Vater zu werden, ist eine überwältigende Emotion.
Haben Sie schon Übung als Vater?
Windelnwechseln erledige ich mittlerweile mit dem linken Fuss (lacht). Im Ernst: Anziehen, spazieren, Schoppen geben – meine Partnerin und ich teilen die Arbeit eigentlich auf allen Ebenen. Aber manches wird von der Natur geregelt. Die Brust geben kann man als Mann nun halt mal nicht. Das hat nichts mit Macho-Gehabe zu tun (lacht).
Wie hat das Vatersein Sie verändert?
Ich bin jetzt kein anderer Mensch. Aber es macht schon etwas mit einem. Man denkt nicht mehr nur an sich. Zum Beispiel beim Autofahren. Ich überlege mir zweimal, ob ich jetzt Gas geben soll oder nicht. Denn wenn etwas passiert, hat mein Sohn keinen Vater mehr. Ein Freund und zweifacher Vater hat es vor Lios Geburt richtig formuliert: «Ich werde nie wieder sorgenlos sein! Aber es ist ein gutes Gefühl.»
Beim Energy Stars For Free stellt Bligg heute Abend seine neue Single «Lah sie redä» vor. Blick.ch überträgt das Konzert-Highlight ab 19 Uhr live.