«Er kam aus Seebach und eroberte die Welt.» So oder ähnlich lauteten die Titel über den Nachrufen auf Bruno Ganz (✝77). In vielen Artikeln zum Tod des grossen Schweizer Schauspielers ist das nördliche Zürcher Aussenquartier namentlich erwähnt. Dort ist er aufgewachsen, dorthin zog es ihn immer wieder zurück. Ganz, der Seebacher.
Er stand auf den Bühnen von Paris, London, Berlin und Wien, wirkte in Filmen von Hollywood-Grössen wie Francis Ford Coppola, Ridley Scott und Wim Wenders mit, «aber meine Heimat ist immer Seebach geblieben», sagte Ganz noch vor wenigen Jahren in einem Interview der «NZZ».
1941 geboren, wuchs er die ersten zwölf Jahre in einem Mehrfamilienhaus an der Mattackerstrasse 20 auf – zusammen mit dem sechs Jahre jüngeren Bruder Renzo. Die Mutter stammte aus Norditalien, der Vater arbeitete bei der Zahnradfabrik Maag. Damals hatte das Quartier noch einen ländlichen Dorfkern und Bauernhöfe. Bauern waren auch die Verwandten der Familie Ganz. Der Vater reparierte zu Hause deren kaputte Traktorteile, während Bruno draussen spielte.
Die Kirche bot ihm die erste Bühne
Bruno Butti (77), ehemaliger Bauunternehmer, spielte damals viel mit seinem Namensvetter. «Bei uns zu Hause sändelten wir, spielten Räuber und Poli oder Hüraate», sagt Butti. «Wenn wir Heiraten spielten, bekam Bruno Ganz immer das hübschere Mädchen.» Doris Engeli war eines davon. Ihre Schwester, Judith Schlegel-Engeli (73), erinnert sich: «Als wir noch jung waren, fanden wir Bruno Ganz ganz toll.»
Später zog die Familie Ganz in eine Dreizimmerwohnung in der Linth-Escher-Genossenschaft an der Ecke Glatttal- und Birchstrasse in Seebach. Dort hatte Bruno nicht weit in den Wald, wo er mit Kollegen Baumhütten baute und sich in Höhlen versteckte. Doch Bruno Ganz wollte sich auf der Bühne zeigen: «Er hatte schon mit 16 gesagt, er werde Schauspieler», sagt Butti.
Mitte der 1950er-Jahre hatte Bruno Ganz in Seebach seinen ersten Theaterauftritt – im Konfirmandenunterricht führten sie das Stück «Der verlorene Sohn» auf. Berauschend sei das Spiel gewesen, erinnerte sich Ganz später. Anlass der Inszenierung war die Amtseinführung des damals neuen Pfarrers Samuel Schoop. Sein Sohn, Markus Schoop (78), wurde damals ebenfalls konfirmiert.
Letzte Ruhe auf dem Friedhof Rehalp
«Bruno Ganz, dem wir damals den Übernamen Gänse gaben, wollte sich nur konfirmieren lassen, wenn er während der Feier in der Markuskirche vor der ganzen Gemeinde die zehn Gebote vortragen dürfe», sagt Markus Schoop. «Wir staunten, aber er absolvierte diese selbst auferlegte Mutprobe mit Bravour: In reinstem Bühnendeutsch rezitierte er den Bibeltext.»
Mit 20 zog es ihn ins Ausland auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Doch 2001 führte ihn das Heimweh zurück in die Heimat: Ganz kaufte sich an der Buhnstrasse in Seebach eine Attikawohnung, die er bis 2010 bewohnte. Noch letzten Sommer nahm Ganz an einem Public Viewing seines Films «Schwarz und weiss wie Tage und Nächte» (1978) in Seebach teil.
Andi Wüst (57), Präsident des Quartiervereins Seebach, erinnert sich: «Bruno Ganz war offen und beantwortete alle Fragen der Besucher ausführlich und mit Geduld.» Wüst setzt sich dafür ein, dass möglichst bald eine Strasse nach dem grossen Sohn des Quartiers benannt wird. «Bruno Ganz haben wir auf die interne Pendenzenliste aufgenommen», sagt Charlotte Koch Keller, Geschäftsführerin der Strassenbenennungskommission der Stadt Zürich. «Aber lassen wir zunächst ein bisschen Zeit verstreichen und den Verstorbenen bei den Sternen ankommen.»
Die letzte Ruhe findet Bruno Ganz ausserhalb von Seebach: Sein Name steht bereits auf dem Familiengrabstein im Friedhof Rehalp, wo schon seine Eltern und der Bruder beerdigt sind.
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