Bereits ihr erster Roman war ein Erfolg: Demnächst wird «Jakobs Ross» verfilmt, und seit dieser Woche steht schon das zweite Werk von Silvia Tschui (47) in den Verkaufsregalen: «Der Wod». Die packende Familiensaga hat erneut das Potenzial zum Bestseller. Tschui spannt einen Bogen von Norddeutschland über Berlin und München bis in die Schweiz. Es geht um Nazis, Freimaurer, Uhrmacher und Hells Angels – und um Geheimnisse, die sich auch vier Generationen später noch auswirken, auf rasante, manchmal düstere, manchmal aber auch richtig lustige Art und Weise.
Vertreibung, Flucht und Tod
Die Zürcherin hat selber Wurzeln in Deutschland, ihre Grossmutter ist einst in die Schweiz eingewandert. Die Romanfiguren seien aber alle fiktiv. «Natürlich fliessen aber beim Schreiben immer Erfahrungen mit ein», sagt Tschui. Auslöser, diesen Roman zu schreiben, war, «als ich das Bild von diesem ertrunkenen, an den Strand gespülten Flüchtlingskind sah». Alan Kurdi wurde nur zwei Jahre alt, der Leichnam des syrischen Jungen wurde 2015 an der türkischen Mittelmeerküste angeschwemmt. «Mein Sohn Max war damals fast im gleichen Alter. Die Vorstellung, dass mein Kind auf der Flucht so jämmerlich ertrinken könnte, hat mich nicht mehr losgelassen.» Und Tschui wurde klar, dass es in Europa nicht so lange her ist seit dem Krieg. «Auch hier gab es Vertreibung, Flucht und Tod, das schlägt tiefe Wunden, die über Generationen traumatisieren können.»
Das Buch hat sie ihrem inzwischen neunjährigen Sohn Max gewidmet, fürs Schreiben hat sich die Journalistin des SonntagsBlicks ein halbes Jahr freigenommen. Tschui ist auf viele Weisen kreativ: Sie war Lehrerin, hat Visuelle Gestaltung an der Zürcher Hochschule der Künste und Grafikdesign und Animation am Central St. Martins College in London studiert und dort als Animationsfilm-Regisseurin gearbeitet.
Der Wod ist ein wilder Jäger
Deshalb verspricht auch ihre Lesetour aussergewöhnlich zu werden: «Ich möchte das Publikum auf keinen Fall langweilen, das passiert mir selber öfter an Lesungen.» Darum wird daraus eine Performance mit musikalischen Einlagen. Jeder der sechs Hauptpersonen aus dem Buch wird ein Musikstil zugeordnet, statt nur im Sessel zu sitzen, wird Tschui auch als Sängerin die Bühne rocken, mit Songs von Country über Pop und Punk bis hin zu Jazz – zum Beispiel «Honky Tonk Woman» von den Rolling Stones oder «Sinnerman» von Nina Simone.
Und wer ist eigentlich dieser Wod, der dem Buch den Titel gibt? «Ein wilder Jäger aus einer norddeutschen Sage – eigentlich eine von Wotan abgeleitete Kriegsgottgestalt. Über ihn darf man nicht spotten, sonst lässt er einen nie wieder los», sagt Tschui.
«Der Wod» von Silvia Tschui, Rowohlt Verlag, ab 22 Franken.