Muss eine Frau über 50 auswandern, um eine neue Liebe zu finden?
Milena Moser: Nein. Aber ich bin nach meiner Trennung auf eine Reise gegangen. Ich war erschöpft, und ich wollte herausfinden, was Paare glücklich macht. Dabei habe ich entdeckt, dass es in funktionierenden Beziehungen auch um Freundschaft geht. Mir wurde klar, dass bei mir früher zuerst die Leidenschaft kam. Erst nach dieser Erkenntnis habe ich den Mann an meiner Seite kennengelernt.
Sie sind zum zweiten Mal geschieden. Will man sich da überhaupt nochmals auf eine Beziehung einlassen?
Nach meiner Trennung hörte ich oft, dass «alle Männer» betrügen und lügen und sowieso eine Jüngere wollen. Aber ich habe mich immer geweigert, das zu glauben. Ich bin eine Romantikerin und wollte nicht verbittert werden. Ich habe mir gewünscht, dass ich mich nochmals richtig verliebe.
Fühlt sich das noch gleich an, wie wenn man jünger ist?
Ja. Ich bin genauso verliebt wie mit 16, das Gefühl ist das gleiche. Aber die Liebe ist eine andere. Es geht nicht mehr darum, eine Familie zu gründen, ein gemeinsames Leben aufzubauen. Darum ziehen es viele Frauen in meinem Alter vor, allein zu sein, statt sich auf einen Kompromiss einzulassen.
Kann man sich aussuchen, in wen man sich verliebt?
Nein. Aber ich glaube, man erkennt im anderen unbewusst etwas, das man in dieser Lebensphase braucht.
Ihr Freund ist schwer krank, hat Sie das nicht zögern lassen?
Das bestimmt weder unsere Liebe noch unseren Alltag. Ich erlebe Victor nicht als einen kranken Mann. Er jammert weniger als ein Gesunder mit einer Erkältung. Ich wusste, dass Victor eine Nierentransplantation und ein Koma hinter sich hatte, bevor ich mich in ihn verliebte. Und ich habe mit ihm gleich am Anfang Notfallsituationen erlebt. Ich habe mehr Zeit in Spitälern verbracht, als mir lieb war. Aber ich bin nicht Victors Krankenschwester, er ist sehr selbständig.
Haben Sie keine Angst, dass Sie ihn viel zu früh verlieren könnten?
Mir ist absolut bewusst, dass es wahrscheinlich so sein wird, aber daran denke ich nicht jeden Tag. Man weiss nie, was passieren wird. Ich kann morgen vom Auto überfahren werden. Die Ärzte wissen sowieso nicht, warum Victor überhaupt noch lebt. Er behauptet immer, dass er 180 Jahre alt wird. Ich werde also vor ihm sterben (lacht).
Fühlt sich diese Liebe besser an als die vergangenen?
Ja, aber nicht weil Victor der bessere Mann ist, sondern weil ich besser, das heisst, mehr mich selber bin. In früheren Beziehungen hielt ich immer leicht den Atem an, ständig damit beschäftigt, was ich tun muss, um geliebt zu werden. Das habe ich nicht mehr. Vielleicht dadurch, dass ich eine Weile für mich allein war.
Sie leben in Santa Fe, Victor in San Francisco.
Ja, das sind 1600 Kilometer Distanz. Wir führen also eine Art Fernbeziehung. Ich fliege alle vier bis fünf Wochen zu Victor. Aber ich möchte mein kleines Heim in Santa Fe nicht aufgeben. Das ist das Schöne an unserer Beziehung, es ist eine total freiwillige Liebe. Wir sind beide unabhängig und werden immer auch unsere eigenen Leidenschaften pflegen. Victor wird immer Künstler bleiben und malen, ich werde immer schreiben.
In Santa Fe haben Sie sich ebenfalls verliebt – in ein pensioniertes Sheriff-Pferd.
Ja, in Twain. Ich nenne ihn meinen Boyfriend. Allerdings ist Twain ein Pferd und war früher bei der berittenen Polizei. Dank Twain habe ich die Freude am Reiten wiederentdeckt. Ich war ein Pferdemädchen, las Federica de Cesco und träumte davon, eines Tages einen Indianerhäuptling zu heiraten. Als Teenager bin ich beim Reiten schwer gestürzt. Seither habe ich immer wieder Versuche gestartet, aber die Angst ritt immer mit. Jetzt in Santa Fe wage ich mich endlich wieder auf einen Pferderücken.
Was ist das für ein Gefühl, wenn man seine Angst überwindet?
Das eine ist das Überwinden der Angst, aber das mache ich nicht zum ersten Mal. Das andere hat mit einer feministischen Theorie zu tun, die ich da sehr treffend finde.
Wie lautet die?
Wenn ein Mädchen in die Pubertät kommt, setzen die Hormone ein, und das biologische Programm läuft ab. Dann wollen Frauen den Männern gefallen, Kinder bekommen und Mutter sein. Darum tritt die persönliche Entwicklung für lange Zeit in den Hintergrund. Mit den Wechseljahren werden Hormone weniger dominant, und man kann wieder dort anschliessen, wo man als junges Mädchen aufgehört hat. Für mich fühlt sich das so an. Ich darf wieder ein Pferdemädchen sein, Twain meine Geheimnisse ins Ohr flüstern und mir einbilden, dass er alles versteht – so ein Pferd ist ja sehr geduldig (lacht).