Bea Tschanz wird 70 Jahre alt
«Ich möchte nicht mehr 30 oder 40 sein»

Heute Sonntag wird Beatrice Tschanz 70 Jahre alt – sie spricht offen über ihr wildes Leben, die späte Liebe und das Loslassen.
Publiziert: 20.07.2014 um 19:52 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:28 Uhr
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Bea Tschanz wird 70 Jahre alt. Happy Birthday!
Foto: Geri Born
Interview: Flavia Schlittler Fotos: Geri Born

Beatrice Tschanz, wie fühlt es sich an, siebzig zu sein?
Beatrice Tschanz: Das Lebensgefühl ist schön und alterslos. Runde Zahlen regen aber auch zum Nachdenken an und machen vieles bewusst. Das, was ich die letzten sieben Jahrzehnte an Schönem und Schwierigem erlebt habe und auch, dass die Endlichkeit des Lebens da ist.

Macht Ihnen das Angst?
Nein. Älter zu werden, ist sicher nicht der Plausch. Doch ich möchte nicht mehr dreissig oder vierzig sein. Ich habe ein sehr reiches Leben gelebt. Und ich freue mich heute über mehr Ruhe und Gelassenheit.

Worauf blicken Sie da besonders gern zurück?
Auf unendlich vieles! Ich hatte eine wunderbare Kindheit in ­einem intakten Elternhaus mit einer liebevollen Schwester. Ich konnte Journalistin werden und eigenständig sein. Das, was ich immer wollte. Zwischen zwanzig und dreissig hatte ich meine wilden Jahre. Es war eine Zeit ohne Grenzen.

Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll!
Drugs nicht, den Rest schon (lacht). Ich war eine Abenteurerin, auch was Männer betraf. Hatte einen grossen Freiheitsdrang, auch wenn ich mich immer zur Disziplin zwang. Es war eine Zeit voller Lebenslust und Leichtigkeit. Ich schaue mit grösstem Vergnügen auf diese Zeit zurück und hatte später nie das Gefühl, etwas verpasst zu haben.

Was bereuen Sie?
Dass ich es in den wilden Jahren mit der Wahrheit nicht immer genau nahm. Und dass ich im Laufe der Jahrzehnte Menschen verletzt habe.

Sie wirken sehr stark. Woher nehmen Sie Ihre Kraft?
Ich bin mit viel positiver Energie gesegnet. Ich war immer ein fröhliches Kind, ein Gute-Laune-Mensch und versuchte auch in schweren Momenten, die Hoffnung nie aufzugeben, dass sich alles zum Besseren wendet, dass man aus Schwierigkeiten sehr viel lernen kann.

Auf welche Schwierigkeiten blicken Sie zurück?
Auf den Verlust von lieben Menschen. Als mein Vater starb, war ich noch sehr jung. Meine Jugend hat mir geholfen, das schnell zu verkraften. Erst viel später hat er mir gefehlt. Meine Mutter durfte 80 werden, und doch vermisse ich sie manchmal heute noch. Und natürlich meinen ersten Ehemann Pierre. Wir hatten 25 glückliche und spannende Jahre. Als er an Krebs erkrankte und starb, war dies ein tiefer Einschnitt. Ich hatte zum ersten Mal im Leben das Gefühl, verlassen zu sein, den Boden unter den Füssen zu verlieren.

Sie erkrankten selbst an Krebs. Wie konnten Sie damit umgehen?
Ja, 1985 wurde bei mir Gebärmutterkrebs diagnostiziert. Ich habe es erstaunlich locker weggesteckt, die OP, die Chemotherapie, den Verlust der Haare. Heute weiss ich, dass es für mich das Beste war, ihn nicht an mich ranzulassen. Das kam erst viel später wieder hoch. Ich hatte viel Glück, den Krebs habe ich überstanden. Seit da gehe ich  sorgfältiger mit dem Leben um. Ich engagiere mich heute für die Krebsprävention als Botschafterin des Pink Ribbon Walk und bei der Krebsliga.

Wie haben Sie den Boden wiedergefunden?
Die viele Arbeit hat mir geholfen und die Zeit, die vergangen ist. Je älter ich werde, desto einfacher und bewusster kann ich loslassen. Das ist sehr wertvoll.

Sie gelten als Kommunikationsikone. Wie wird man das?
Ich bin weder Ikone noch Leuchtfigur. Aber in einer Zeit, als es in Unternehmen angesagt war, alles schönzureden, habe ich das Gegenteil gemacht: offen, gradlinig und echt die Dinge beim Namen zu nennen. Das war damals ungewöhnlich und hat die Menschen berührt.

Ihr Name wird noch heute mit dem Absturz in Halifax vor 16 Jahren in Verbindung gebracht. Nie eine Bürde?
Nein. Ich denke, was dem Swissair-Team und mir als Person in der Öffentlichkeit damals gelungen ist, war die Sorgfalt und die Wertschätzung der Verstorbenen und Hinterbliebenen, die wir vermitteln konnten. Wertschätzung, Menschen ernst nehmen, zuhören, sich einfühlen – all das ist doch etwas vom Kostbarsten und Wichtigsten überhaupt.

Wie präsent ist Ihnen das damalige Drama?
Die Gedanken sind natürlich immer noch da. Umso stärker in Tagen wie diesen. Das Flugunglück in der Ukraine ist einfach nur furchtbar und bringt in mir vieles wieder hoch.

Sind Sie beruflich weiterhin voll aktiv?
Verglichen mit früher ziemlich reduziert. Ich habe noch einige Beratungsmandate und bin in vier Gesellschaften Verwaltungsrätin. Eine schöne Herausforderung ist meine Arbeit in der Eidgenössischen Kommission für Weltraumfragen. Ich habe es da mit bedeutenden Persönlichkeiten zu tun und versuche, ihre oft schwer verständlichen Aussagen in Worte zu fassen, die alle verstehen.

Sie hatten nie eigene Kinder. Weshalb nicht?
Ich hatte mir immer eine Stube voller Kinder gewünscht. Leider habe ich sehr jung erfahren, dass ich keine werde bekommen können. Als meine Schwester und Freundinnen schwanger wurden, hatte ich schon daran zu nagen. Ich habe mir dann gesagt, halte dich nicht mit Dingen auf, die du nicht ändern kannst und habe mich auf meinen Beruf konzentriert.

Warum haben Sie vor elf Jahren wieder geheiratet?
Ich hatte mich bereits ans Alleinsein gewöhnt und mich als Single gut eingerichtet. Dann lernte ich Herbert an einem privaten Abendessen kennen. Mir wurde sofort warm ums Herz, ich habe mich so vertraut mit ihm gefühlt und spürte fast augenblicklich seine menschliche Wärme, seine Grosszügigkeit im Denken. Es ging von ihm eine magische Inspiration aus. Ihm ging es mit mir gleich. Nach wenigen Wochen hat er mir einen Heiratsantrag gemacht und ich habe Ja gesagt. Es war eine wunderbare Entscheidung.

Was haben Sie noch vor?
Ich möchte Chinesisch lernen und jeden Tag neugierig sein.

Ihr wichtigstes Projekt?
Viele Jahre mit Herbert leben, reisen und jeden Tag bewusst geniessen.

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