Nachdenklich blickt Jean Eichenberger (83) auf der grossen Terrasse von Lys Assias (†94) Attikawohnung über die Dächer von Erlenbach ZH. «Das hat Lys nicht verdient», klagt der langjährige Sekretär der grossen Schweizer Sängerin, die 1956 mit «Refrain» den ersten Concours Eurovision de la Chanson gewonnen hatte. Über ein Jahr nach Assias Tod werden in ihrer Mietwohnung am Zürichsee ihre Kunst, Antiquitäten und ihr Schmuck verkauft. Eichenberger: «Es war zwar ihr Wunsch, dass ein Teil ihres Besitzes unter den Hammer kommt und der Erlös in ihre Stiftung geht, aber nicht alles.» Dem letzten Wunsch der Verstorbenen werde nicht Rechnung getragen. «Eigentlich wollte sie viele der Sachen vor ihrem Tod noch an ihre Liebsten verteilen», sagt Eichenberger. «Doch dazu kam sie nicht mehr.»
Objekte von 3 bis 120'000 Franken
Punkt 9 Uhr öffnen sich an diesem Donnerstagmorgen die Türen zum Heim der «Oh mein Papa»-Sängerin und 150 interessierte Käufer stürmen rein. Darunter von Schnäppchenjägern über Super-Fans bis hin zu spezialisierten Antiquitäten-Händler. Sie alle wühlen sich durch die Tausenden von Habseligkeiten der Sängerin: Pailetten-Jacken (80 Franken), Krumsäbel (6 Franken), tragbare Schnappsgläser (30 Franken), Porträt-Bilder (280 Franken), Urkunde von Assias Eurovision-Teilnahme (120 Franken) bis hin zu teurem Schmuck (Diamantring für 120'000 Franken).
Am schnellsten verkauft sind das mehrteilige Goldgeschirr und Porzellan aus Asien und Deutschland. Liquidator Jürg Hoss rechnet mit einer Einnahme im sechstelligen Bereich: «Die Liquidation umfasst Tausende von Stücken in allen Preiskategorien. Das reicht vom Schnapsglas für 3 Franken bis hin zum Diamantring mit Smaragd-Schliff für 120'000 Franken.» Nur Assias Ehren-Prix-Walo, den sie 2007 gewann, ist unverkäuflich. Dieser ginge an einen engen Freund der Sängerin, so Hoss.
Sekretär küsst zum Abschied ihr Bild
Lys Assias Weggefährte Jean Eichenberger, der die Sängerin über 60 Jahre begleitete, kämpft während der Liquidation mit den Tränen: «All die fremden Menschen, die durch Lys' Wohnung stapfen, sind an dem Ort auf Schnäppchenjagd, an dem ich so viele schöne Stunden mit ihr verbrachte.» Nun herrsche im Heim der Sängerin Ausverkaufsstimmung. «Es macht mich traurig, nur noch traurig.» Bevor er die Wohnung verlässt, sichert sich aber auch er noch einige Andenken an seine Freundin. «Ich hab mir mehrere Schallplatten und ein Dali-Bild für 850 Franken gekauft», sagt Eichenberger und ergänzt: «Ich bin froh, dass ich nun nicht mehr in ihre Wohnung kommen muss.» Dann küsst er ein letztes Mal das grosse Gemälde seiner verstorbenen Chefin und sagt: «Nun heisst es Abschied nehmen. Ein Abschied für immer.»
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