Auch einem Obdachlosen ist es wichtig, wie er daherkommt. «Trotz oder gerade wegen ihres Schicksals achten diese Menschen auf ihr Äusseres», erzählt Anna Tschannen (42). Alle zwei Wochen richtet die Coiffeuse im Haus für Obdachlose in Basel ihren mobilen Salon ein. Bevor sich die Kunden das erste Mal bei ihr auf den Stuhl setzen, wollen sie wissen, wer Anna Tschannen ist. «Jeder spürt, wie er betrachtet wird. Diese Menschen sind besonders sensibel. Ich glaube, sie nehmen wahr, dass ich diese Arbeit gerne mache.»
Mir ihrer Berührung und einem offenen Ohr gibt Tschannen beim Haareschneiden ein Stück Normalität und Würde zurück. «Mich bereichern diese Begegnungen ebenso. Vieles, was uns so selbstverständlich erscheint, wird dadurch in ein anderes Licht gerückt.»
Erst Tagebuch, jetzt Film
Seit zwölf Jahren ist die zweifache Mutter für Menschen am Rande der Gesellschaft im Einsatz, 150 Personen haben sich von ihr die Haare schneiden lassen. «Armut betrifft viele, dass man sogar das Zuhause verliert, ist in der Schweiz selten. Aber wer kein soziales Netz hat, fällt nach einem Schicksalsschlag oft tiefer.» Allein in Basel leben laut einer aktuellen Studie 100 Menschen auf der Strasse, weitere 200 sind in Notwohnungen untergebracht.
Die Begegnungen hält die Coiffeuse in Tagebüchern fest – jetzt ist daraus ein Dokumentarfilm entstanden. «Im Spiegel – Vom Leben im Verborgenen». Der Film zeigt Menschen auf dem schmalen Grat zwischen Selbstaufgabe und Selbstachtung. «Ich will nicht, dass die Leute denken, dass ich ein armer Tropf bin», sagt Urs Saurer (60). Der Bärtige ist Strassenverkäufer für das Magazin «Surprise». Die Coiffeuse ist beeindruckt von seiner Eigenständigkeit, Sozialhilfe will er nicht, sondern arbeiten. Aarold Huber (42) geriet nach der Trennung in eine Abwärtsspirale, Job weg, Wohnung weg, geblieben sind Schulden und Scham – auf die Beine will er ohne Hilfe kommen.
Gefragt: Ein ordentlicher Haarschnitt
«Es fordert Respekt, wie die Menschen im Film Einblick in ihr Leben geben», so Stefan Gribi, Pressesprecher von der Caritas. «Viele Armutsbetroffene setzen alles daran, dass ihre Probleme nicht erkannt werden, darum spricht man von versteckter Armut.» In der Schweiz sind es 675'000 Menschen, die unter dem Existenzminimum leben. Inzwischen haben alle im Film Porträtierten wieder ein Dach über dem Kopf. Zum Haareschneiden kommen sie immer noch.
In einem unterscheiden sie sich von «normalen» Kunden: «Sie wollen keine verwuschelten Looks, sondern was Ordentliches.» Meist wird viel geschnitten, damit die Frisur länger hält. Kosten: fünf Franken. Tschannen: «Es gibt Menschen, für die ist das viel Geld.»
Der Dok-Film läuft ab Mitte Januar im Kino.
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