500-Kilo-Pferd fällt auf Dressurreiterin
So kämpft sich Celine (20) ins Leben zurück

Ihr Pferd kracht mit seinen 500 Kilo auf Kopf und Oberkörper der Dressurreiterin Celine (20). Sie fällt ins Koma, muss ein Jahr im Spital bleiben. Heute hat Celine wieder grosse Freude am Leben.
Publiziert: 12.02.2012 um 20:59 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 02:37 Uhr
Celine hoch zu Ross, bei einem Turnier letztes Jahr.
Von Patrik Berger

Celine van Till (20) aus Gy GE steht in der Box ihres Pferdes und macht Tin Tin (12) für einen Ausritt bereit. Liebevoll legt sie ihm den Zaum an. Die Augen der Marketingstudentin strahlen. Stolz führt sie das  Tier aus dem Stall. Nur ein leichtes Hinken erinnert an das Drama vom 30. Juni 2008.

Die damals 17-jährige Celine ist ein Dressurtalent. Sie ist Mitglied der Junioren-Nationalmannschaft. Zwei Wochen vor einem grossen Turnier trainiert sie in Frankfurt (D). Ihr Pferd erschrickt, wirft Celine ab. Das Tier kracht mit seinen 500 Kilo auf Kopf und Oberkörper der Reiterin. Celine fällt ins Koma.

Im Spital die Schreckensdia­gnose: schwere Hirnverletzungen. Die Ärzte kämpfen um Ce­lines Leben. Tagelang wachen die Eltern am Bett ihrer Tochter.

Ein Monat vergeht, bis Celine aus dem Koma erwacht. Sie wird in die Schweiz verlegt, ihr Zustand bessert sich nur langsam. «Ich habe einen Teil der Sehkraft verloren, konnte nicht mehr schrei­ben, nicht mehr sprechen. Die rechte Seite war gelähmt. Ich konnte nicht mal eine Gabel halten und selber essen», sagt sie. 

Sie fällt in ein Loch. «Ich sah keinen Sinn mehr in all den Therapien. Ich habe meinen Anblick im Spiegel nicht mehr ertragen. Ich wollte nur noch sterben.»

Mutter Simone van Till (53) handelt. «Ich wollte meine Tochter nach Hause nehmen. Nur für ein Wochenende. Sie sollte ihre Freundinnen treffen und auch ihr Pferd streicheln.»

Wie verwandelt kehrt Celine ins Spital zurück. «Jetzt wusste ich wieder, wofür ich all die ­Mühen auf mich nahm. Ich wollte leben. Und wieder reiten.»

Gegen den Willen der Ärzte wird Celine von ihren Eltern auf ihr Pferd gesetzt. «Endlich raus aus dem Rollstuhl! Wieder im Sattel zu sitzen, das war für mich das Grösste.» Angst habe sie ­keine gehabt. «Im Gegenteil, die Liebe zu den Pferden ist noch stärker geworden.» Ein halbes Jahr nach dem Unfall kann Ce­line nach Hause, besucht gar wieder stundenweise die Schule.

Doch ihr Leiden nimmt kein Ende. «Ich konnte nicht richtig laufen. Die Leute haben mich nur angeglotzt.» Die Ärzte diagnos­tizieren eine schwere Depression, sie verschreiben Celine Antidepressiva. «Die machten dick, also habe ich nichts mehr gegessen. Ich wollte mir mit Medikamenten das Leben nehmen. Ich konnte einfach nicht mehr.»

Eine Ärztin schafft es, den Kampfeswillen von Celine erneut zu wecken. Heute hat Celine wieder grosse Freude am Leben. Sie hat gelernt, mit den bleibenden Folgen des Unfalls umzugehen. Ihr Gesichtsfeld ist um 40 Prozent reduziert, manches sieht sie doppelt. Und sie kämpft mit Gleichgewichtsstörungen. Aber: «Es ist ein Wunder, dass ich lebe. Und dass ich all das wieder kann, was ich durch den Unfall verlernt hatte.»

Im Sommer 2010 meldet sich Celine van Till im Reitsport zurück. Bei den Weltreiterspielen in Kentucky (USA) reitet sie in der Kategorie der leicht Behinderten auf Anhieb und ohne viel Training auf die Plätze 4 und 6. «Das war die erste wirklich positive Sache seit meinem Unfall. Das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben.»

Vor kurzem hat Celine ihre Autobiografie veröffentlicht («Pas à pas», Editions Slatkine). Sie studiert an der Uni Marketing, arbeitet als Model und hat sportlich neue Ziele. «Ich stehe zum ersten Mal wieder auf den Ski. Es macht grossen Spass! Und demnächst möchte ich einen Halbmarathon laufen.»

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