Vor 50 Jahren feierten Hippies weltweit ihren «Sommer der Liebe». Mit geflochtenen Blumen im Haar, bemalten Körpern und guten Gedanken schaffte es die Bewegung, dass sich Menschen aus verschiedenen Kulturen friedlich versammelten. Im Yoga-Sitz wurde über eine bessere Welt philosophiert, es wurde musiziert und das Leben genossen. Feministinnen, Künstler, Studenten und Bürgerrechtler fanden den Dialog zu noch heute brisanten Themen wie: globale Verantwortung, Individua
lismus und Meinungsfreiheit. Auch das sexuelle Erwachen wurde zelebriert. Es war der unvergessliche Sommer vor 1968, das alles verändern sollte.
Tochter im Auto gezeugt
Wald ZH – «Es war eine unglaublich wilde, schöne und intensive Zeit», erinnert sich Musiker Toni Vescoli (75). 1967 tourte er schon mit seiner Band Les Sauterelles durch die Schweiz. «Wir standen jeden Tag mit bemalten Oberkörpern auf der Bühne und die Leute sind ausgeflippt.» Die Mutter eines Bandkollegen habe aus Krepppapier Blumen geformt, die sie um die Mikrofonständer wickelte und auf der Bühne drapierte. «Und wir trugen lange Haare. Mit unserem Stil haben wir uns befreit – von Kleinbürgertum und Intoleranz. Das kam überall sehr gut an. Für unseren Mut, als Individuum den eigenen Weg zu gehen, wurden wir gefeiert.» Es sei auch eine Zeit gewesen, in der die Toleranz eine Revolution im Frieden erlebte, so Vescoli. Auch in der Schweiz sei in kurzer Zeit viel in Bewegung geraten. «Im Zürcher Tanzclub Tabaris gabs jeweils am Sonntagnachmittag eine Flower-Power-Party für Teenager. Nur ein Jahr vorher wäre dies unmöglich gewesen.» Und im «Summer of Love» zeugten er und seine Gattin Ruth (83) Tochter Natalie (49). «Wir fuhren im Auto von einem Konzert zurück, ich mit bemaltem Oberkörper. So ist unser Kind entstanden, und das ist die wohl schönste Erinnerung an den Liebessommer.»
Voller Poesie und Illusion
Luzern – Seit 1962 ist die Erfolgs-Autorin Federica de Cesco (79) mit dem japanischen Fotografen Kazuyuki «Kazu» Kitamura (70) zusammen. Die Hippie-Zeit erlebte das Paar gemeinsam. Ihre Haare waren deutlich länger als heute, die Kleider mit floralen Mustern verziert. Die Schriftstellerin sieht die Epoche der Hippies nicht nur durch die rosarote Sonnenbrille. «Diese Zeit war überschattet vom Krieg in Vietnam. Und leider nahmen die Hippies zu viele Drogen. Aber ihr Leitspruch: ‹Make love not war› klang eindeutig besser als ‹Make America great again›», so de Cesco. «Und eigentlich war es eine wunderschöne Zeit, mit kreativen, friedlichen jungen Menschen, die ein Ideal anstrebten, das es nie gegeben hatte und nie geben wird.» Es sei eine Zeit gewesen, die voller Illusionen, Poesie und Musik war. «Die Musik der Jugend, die nur einmal im Leben erklingt. Aber die Erinnerung bleibt.»
Schmusestündchen im Zug
Zürich – Im «Summer of Love» umarmte Country-Lady Suzanne Klee (71) Bäume, hüpfte durch Blumenwiesen und war durch und durch ein Flower-Power-Girl. «Ich lebte 1967 in London, hing in Klubs rund um die damals schon bekannte Kings Road herum und verbrachte die Nächte in Musikbars. Es war für mich als junge Frau das erste Mal, dass ich mich verstanden fühlte und ausleben konnte.» Da habe sie auch gewusst, dass sie alles auf die Karte Musik setzen wird. «Die Menschen zelebrierten, dass nichts unmöglich ist, wenn man auf sein Herz hört.» Optisch orientierte sie sich am damaligen Supermodel Twiggy oder bummelte durch die Secondhand-Läden in London und stellte sich irgendetwas zusammen. «Make love not war» hat auch mein damaliges Privatleben geprägt, da gedanklich und moralisch alles im Aufbruch war.» So hat Klee in der Zeit auch das «zaghafte sexuelle Erwachen erlebt», wie sie es beschreibt. «Unvergessen bleibt mir, als ich im Nachtzug von London nach Zürich mit einem Mann für ein Schmusestündchen verschwand.» Geblieben ist ihr die Liebe zum Hippie-Stil, zu den Rolling Stones und zur damaligen «Summer of Love»-Hymne «San Francisco (Be Sure to Wear Flowers in Your Hair).»
Cannabis auf den Tischen
Riederalp VS – 1959 wanderte der heutige Hotelier Art Furrer (80) in die USA aus. Er träumte von viel Geld und einer Karriere als Skiakrobat. Im «Summer of Love» war der Walliser 30 Jahre alt. «Ich hing viel in den TV-Studios herum, hatte lange Haare, manchmal mit schwarzem Vollbart», erzählt er. «In den Studios lag überall Cannabis auf den Tischen herum, genauso wie Zigaretten. Gott sei Dank war ich Nichtraucher.» Doch man habe ihn überredet, das Gras mal zu probieren, was er denn auch tat. «Ich hustete wie ein Ross und liess es beim ersten Versuch. Damals war ich ein Dollarsammler und hatte kein Interesse an dem Zeugs.» Als seine heutige Ehefrau Gerlinde (75) in sein Leben kam, «schnitt ich auf ihren Wunsch die Haare, wurde Wirt und Hotelier. Damit war die Hippiezeit beendet. Die langen Haare wichen dem Cowboyhut.»