3+-Chef Dominik Kaiser sucht Zusammenarbeit
SRF liess ihn schon mehrfach eiskalt abblitzen

3+-Senderchef Dominik Kaiser (49) spricht im BLICK-Interview über seine plötzliche Expansion, sagt, warum sein Krimi billiger produziert wurde als der «Bestatter» und erklärt, was er von SRF-Direktorin Nathalie Wappler hält.
Publiziert: 16.12.2018 um 17:24 Uhr
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Senderchef Dominik Kaiser sagt, wie er sich die Zukunft seiner Sender 3+, 4+ und 5+ vorstellt.
Foto: 3+
Remo Bernet und Tom Wyss

BLICK: Sie haben in den letzten Monaten gleich vier neue Shows angekündigt. Warum expandieren Sie auf einen Schlag derart mit Eigenproduktionen?
Dominik Kaiser: Dass es zu dieser Ballung von Ankündigungen gekommen ist, ist ein Zufall. Wir sind beispielsweise beim Krimi «Bernegger & Juric» schon länger dran, es hat sich der Dreh von letztem Jahr auf dieses Jahr verschoben. Und bei «The Voice of Switzerland» haben sich die Verhandlungen total in die Länge gezogen. Wir wollten eigentlich schon diesen Herbst auf Sendung gehen.

Warum haben Sie so lange verhandelt?
Im «Voice»-Vertrag ist jeder Atemzug auf dem Set geregelt. Die wollen akribisch genau sicherstellen, dass die Show sehr gut produziert ist und gleich aussieht wie in den anderen Ländern. Das ist auch nachvollziehbar. Doch es gab Punkte, die für uns nicht passten. Es ging um Nebenrechte, etwa: Wer darf die Sendung nachher noch zeigen? Oder: Wer kriegt was, wenn das dann irgendwo auf der Welt auf Youtube geschaut wird? Es ist alles in allem ein knallharter Vertrag.

Sie werden aber billiger produzieren als das SRF?
Ja klar, es wird jedoch immer noch sehr teuer, die teuerste 3+-Produktion aller Zeiten. Dennoch: Wir produzieren kostenbewusster als das SRF. Also, nicht, dass sie unintelligent produzierten, aber wir schauen zum Beispiel viel stärker darauf, ob wir die Show mit einem anderen Land zusammen produzieren können, reden mit Holländern, Franzosen und Belgiern, um Synergien zu nutzen. Zum Beispiel, ob wir ein fixfertiges Set aus dem Ausland benützen können, statt selber ein eigenes aufzubauen. Wir planen, nächsten Frühsommer oder Herbst auf Sendung gehen zu können.

Was ist mit «Bachelor in Paradise», drehen Sie da bereits?
Noch nicht. Wir casten und sind am Locations recherchieren.

Läuft es 3+ finanziell so rosig, dass sie das Programm plötzlich so krass ausbauen können?
Wir sind bisher schrittweise gewachsen. Wir konnten jedes Jahr mehr Zuschauer erreichen und damit mehr Werbeeinnahmen generieren. Und dieses Geld haben wir jeweils reinvestiert. Im aktuellen Jahr etwas weniger, weil sich Produktionen verzögert haben, nächstes Jahr nun wieder mehr. Alles in allem führen wir die schon seit längerem verfolgte Strategie fort.

Können Sie mit «Bachelor» und «Bachelorette» mittlerweile Geld verdienen?
Nein, und auch mit «The Voice» wird das nicht der Fall sein.

Warum machen Sie es trotzdem?
Weil wir davon ausgehen, weiter wachsen zu müssen. Ich glaube, wir werden mittelfristig um die zwölf Prozent Marktanteil brauchen, um künftig im Kampf um die Werbegelder genug stark zu sein. Momentan sind wir bei etwa neun Prozent. Mit neuen Eigenproduktionen können wir auf 3+ neue Zuschauer generieren. Die auf diesem Sendeplatz wegfallenden guten 3+-Serien oder Filme wandern dann auf 4+ und 5+ – und werten unseren zweiten und dritten Sender auf. Alle drei Sender wachsen und steigern die Einnahmen. Dank einer so grossen Kiste wie «The Voice of Switzerland» steigt zudem die Visibilität: Erste Werbekunden haben sich bereits Sponsorings gesichert.

Ihre Formate sind stets bereits im Ausland erfolgreich, bevor Sie diese adaptieren. Warum wagen Sie keine Innovationen?
Sehr oft wird etwas Bestehendes weiterentwickelt. Viele tolle Ideen gehen auf die 1950er- und 1960er-Jahre zurück. Wirklich Neues gibt es wenig. Neu war etwa «Big Brother». Leute in ein Haus sperren und rund um die Uhr filmen, das gabs davor nicht. Sendungen rund ums Dating gibts schon sehr viele. Wir adaptieren die besten und investieren viel Zeit und Herzblut, diese so zu erzählen, dass sie bei uns in der Schweiz gut laufen. Auch ist die Floprate bei neuen Ideen sehr hoch, sie liegt bei etwa 95 Prozent. Wir sind ein kleiner Sender und spüren die Auswirkungen eines Flops viel stärker, als ein grosser. Trotzdem probieren auch wir immer wieder Mal was Neues aus. «Jung, wild, sexy» gab es so vorher nicht oder auch der Krimi «Bernegger & Juric» ist komplett neu. 

Warum drehten Sie nun auch noch einen Krimi, trotz Überangebot in diesem Genre?
Fiktion ist der nächste Schritt. Es gibt diverse europäische Drama-Serien, die super Zuschauerzahlen erreichen. Das ist auch unser Ziel mit «Bernegger & Juric». Bis dahin wird es aber Zeit brauchen. Fiktionale Produktionen sind eigentlich zu teuer für uns. Wir haben deshalb viel recherchiert und eine eigene Produktionsmethode entwickelt, die es uns erlaubte, deutlich günstiger produzieren zu können. Diese wurde nun erfolgreich getestet, wir haben viel gelernt. 

Wie viel konnten Sie damit sparen?
Nun, 400’000 Franken sind immer noch viel. Aber es ist tatsächlich weniger als etwa eine «Bestatter»-Folge kostet (rund 720’000 Franken, Anm. d. Red.). Erreicht haben wir es unter anderem dank neuer Technik: Bis vor kurzem konnte man Bilder mit dem filmischen Tiefenschärfe-Effekt, Darsteller vorne im Bild sind scharf, der Hintergrund ist verschwommen, den man in der Fiktion gerne sieht, lediglich mit sehr viel Licht und einem entsprechend grossen Team und längeren Auf- und Abbauzeiten bewerkstelligen. Seit zwei Jahren gibt es nun Kameras, die diesen Effekt auch ohne viel zusätzliches Licht hinkriegen. So spart man schnell viel Geld. Das Team ist kleiner und ein Teil der Aufbautage fällt weg.

Sind schon weitere Folgen budgetiert?
Budgetiert ja, es kommt nun darauf an, wie gut die Pilot-Folge, die diesen Sonntag auf 3+ ausgestrahlt wird, beim Publikum ankommt.

Wie viele Zuschauer wären nötig?
Wir werden den Krimi auf mindestens fünf Sendeplätzen testen. Dabei lernen wir, zu welchem Publikum der Krimi auf 3+ am Besten passt und was den Zuschauern besonders gut gefällt. Nebst der ersten Ausstrahlung am Sonntagabend um 20.15 Uhr werden wir auch testen wie «Bernegger & Juric» nach dem «Bachelor» oder direkt nach «Bauer, ledig, sucht...» läuft. Je nach Resultat schauen wir dann, ob wir von diesem Krimi in dieser Art mehr produzieren, den bestehenden Krimi weiterentwickeln oder ob wir etwas komplett Neues kreieren. Bis wir unseren ersten grossen Serienhit haben, wird es wahrscheinlich ein paar Jahre gehen. 

Diverse solcher Hits hat SRF mit «Bestatter» und «Wilder» geschafft. Wie neidisch blicken Sie in Richtung Leutschenbach?
Es gibt einige Sachen, die sie sehr gut machen, etwa die News, die «Rundschau» und eben auch Serien wie «Wilder». Ich würde mich freuen, mit dem SRF mehr zusammenarbeiten zu können. Das hat bislang nur begrenzt funktioniert.

Warum nicht?
Ich weiss es nicht. Wir wollten etwa «The Voice of Switzerland» mit ihnen machen, um die Kosten zu teilen. Wir dachten, wir bringen junge Zuschauer und sie die Älteren. Quasi ähnlich wie die Deutschen bei Pro Sieben und Sat1. Die Kosten hätten wir uns je zur Hälfte geteilt. Aber sie wollten nicht.

Klappt nie etwas?
Doch. Filme kaufen wir zum Teil gemeinsam im Paket mit Telepool ein, machen zusammen ein grosses Paket und jassen dann fair aus, wer was bekommt. Das funktioniert seit vielen Jahren gut. Bei anderen Anfragen klappte es tatsächlich bisher nicht. So wollten wir mit ihnen gemeinsam ein Schweizer Netflix lancieren. Oder wir fragten an, ob wir Schweizer Dok-Filme nachträglich bei uns zeigen könnten. Oder wir wollten Schweizer Fussball-Natispiele mit dem SRF teilen. Alles negativ. Sportrechte könnten wir bekommen, aber nur solche, die das SRF selbst nicht will, nämlich die von Randsportarten. Die wollen wir jedoch auch nicht.

Werden Sie auf die neue SRF-Direktorin Nathalie Wappler zugehen?
Das bin ich schon, ich schrieb ihr gleich nach der Ernennung, dass ich mich auf die Zusammenarbeit freue und ihr viel Glück wünsche. Sie schrieb dann zurück, sie freue sich auch.

Dann gibt es ja doch eine Zusammenarbeit SRF mit 3+?
Mal sehen. Vielleicht klappt es ja nun. Sie hat jedenfalls einen super spannenden Job angenommen. Keinen einfachen. Ich bin sehr gespannt, wie sie das SRF weiterentwickeln wird. 

Wie schauen Sie in die Zukunft?
Wir leben in einer Zeit, in der sich zwar viel verändert, in der aber auch vieles gleichwohl erstaunlich stabil bleibt. Es ist wichtig, ein Gefühl dafür zu bekommen, was man verändern muss und was nicht. Ich bin überzeugt, dass das Fernsehen eine tolle Zukunft hat, sofern es weiterhin die Zuschauer begeistert und berührt. Wir kämpfen alle zusammen jeden Tag dafür, dass wir genau solche Sendungen produzieren können. Aber wir müssen uns auch entwickeln. Unser Geschäft wird nicht einfacher, wir nutzen beispielsweise heute schon auch Künstliche Intelligenz, um ein noch besseres Programm zu machen und investieren viel auch in die sozialen Medien. 

Gibt es 3+ in zehn Jahren noch?
Ich hoffe es (lacht).

Wie sieht es aus?
Schwierig zu beantworten. Zehn Jahre sind eine sehr, sehr lange Zeit. Wir müssen flexibel bleiben, sehr gut beobachten, was es Neues gibt, viel ausprobieren und Sendungen, die funktionieren, schnell auf- und ausbauen. Nach dem Motto: ausprobieren, lernen, ausprobieren, lernen. Bislang fuhren wir gut so.

Privat weiss man Folgendes über Sie: Nichtraucher, kein Alkohol, eifriger Schwimmer, Weltallfan, 80-Stunden-Woche. Wie lange wollen Sie dieses Arbeitspensum noch durchziehen?
(lacht laut) Ich kenne Leute, die noch deutlich länger arbeiten. Ich finde, 80 Stunden sind machbar. Die sind ja auch auf sieben Tage verteilt und nicht auf fünf. Das heisst aber auch, dass ich fast jedes Wochenende arbeite.

Es ist das Doppelte von dem, was die meisten Leute pro Woche arbeiten.
Ich habe das Glück, dass ich etwas mache, dass mir sehr viel Spass macht. Es ist fast wie Hobby und Job in einem. Und wir sind in einem sehr harten und spannenden Geschäft. Wenn man etwas erreichen will, muss man viel Zeit investieren und hart arbeiten. Sonst geht nicht viel. Mir macht mein Job viel Spass, und er fordert mich. Das ist doch toll!

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