Smile! Boom! Yes!» Es sind diese Wörter, die auf Niccel Steinbergers Blazer im Cartoon-Look gedruckt sind. Und sie passen – wie die Wolke und die Sieben – zum Ehepaar Niccel (59) und Emil Steinberger (91). Yeah! Denn was für eine Lovestory! Am 13. April 1985, in der Nacht auf ihren 20. Geburtstag, schrieb eine gewisse Niccel Kristuf aus Deutschland dem berühmten Emil in der Schweiz einen Brief. Und fragte ihn, wie man Clown wird. «Der Brief war so gut!», erinnert sich der Kabarettist. «Den musste ich beantworten. Aber ich war grundehrlich und realistisch. Ich schrieb, wenn man ein guter Clown sein will, muss man es in sich haben.»
Niccel begrub ihren Traum, auch nachdem sie die Aufnahmeprüfung für Dimitris Theaterschule nicht bestanden hatte («Ich war einfach viel zu schüchtern»). Aber nicht die Brieffreundschaft mit Emil. Sie schreiben sich zehn Jahre lang, bleiben in losem Kontakt. Bis Niccel ihn zusammen mit ihrer Mutter 1995 in New York besucht. Emil ist damals 62, geschieden, Vater von zwei Söhnen, und hat der Schweiz und seiner beispiellosen Karriere den Rücken gekehrt. «Ich mochte einfach nicht mehr. Immer Hunderte von Kilometern im Auto fahren, immer in Hotelzimmern logieren, nie eine private Umgebung um mich haben. Es war Zeit zum Aufhören, auch wenn ich nie einen leeren Stuhl im Theater zu beklagen hatte. Es war Zeit, mich zu verändern», erzählt er. Deshalb das Sabbatical in den USA.
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Obwohl weder Emil noch Niccel eine Beziehung suchen, ruft er sie ein Jahr später an und fragt, ob sie nicht Lust hätte, noch einmal nach New York zu kommen. Sie hat. Und die beiden verlieben sich ineinander. «Emil sagte mir gleich zu Beginn, dass ich zwei Dinge wissen müsse», so die heutige Lachtrainerin und Autorin. «Erstens werde er mich nicht heiraten, und zweitens möchte er keine Kinder mehr. Das mit dem Heiraten war für mich kein Problem. Aber das mit den Kindern war schon hart. Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich einmal Mama von vier Kindern sein werde. Ich musste mich entscheiden.» Sagts und blickt Emil liebevoll an.
Geheiratet haben sie dann doch, am 28. Mai 1999 in der City Hall in New York. Das kam so: «Ich weiss es noch genau. Es war Weihnachten, der 24. Dezember 1998. Wir waren in einem Hotel, und ich konnte mein Tagebuch nicht finden, in das ich jeden Tag schrieb. Als ich ins Bett ging, merkte ich, dass es unter meinem Kopfkissen lag. Emil hatte es genommen und darin geschrieben: ‹Wir sind ein einmaliges Paar. Deshalb schreibe ich hier meinen Wunsch: Ich werde Dich heiraten! Hoffentlich sagst Du auch Ja!› Und das mit einem Ausrufezeichen», erzählt Niccel und lacht. Emil: «Etwas Verrückteres als Niccel kann man nicht haben. Sie ist eine Wundertüte. Denn alles, was aus dieser Wundertüte herauskommt, ist positiv.»
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Blick+ Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Sie hätten nie ein Hin und Her, seien einfach gleichgespurt. Das mache sie glücklich. Niccel: «Das war von Anfang an so. Wir mussten uns das nicht antrainieren.» Emil unterbricht schmunzelnd: «Darum habe ich dich damals behalten in New York …» Niccel: «Wir haben 32 Jahre Altersunterschied, was bei uns übrigens überhaupt nie ein Thema ist. Wir sind Mann und Frau, ein Schweizer und eine ehemalige Deutsche. Es gibt so viele unterschiedliche Dinge, bei denen wir anders sozialisiert wurden. Trotzdem hat es vom ersten Moment an geklappt. Das ist wie ein Wunder.» Eheringe tragen sie keine, die liegen zu Hause in einer Schmuckdose. Gekauft bei einem kleinen Juwelier in New York für 50 Dollar das Stück.
Sie malt, er schreibt
Kurz nach seiner Hochzeit zieht das Paar wieder in die Schweiz, nach Montreux am Genfersee. Und gründet im Jahr 2000 die Edition E, den «Verlag für gute Unterhaltung». Sie betreuen Webshops, organisieren Niccels «LachsemiNarre», Emils Lesungen und Ausstellungen. Wie beispielsweise die mit ihren sogenannten «Wochenblättern» – Bilder, die sie gemeinsam gezeichnet haben. Dann geht Emil wieder auf die Bühne: 2015 mit seinem neuen Programm «Emil – No einisch!», 2019 mit «Alles Emil, oder?!» und nach Corona bis November 2022 mit «Emil schnädered». Natürlich ist seine Niccel immer mit dabei, als Managerin, Organisatorin und Partnerin. Bis heute haben Emil und Niccel praktisch keinen Tag ohne einander verbracht.
Vor einem Jahr mieten sie ein grosszügiges Atelier mitten in Basel, wo das Paar seit fünf Jahren lebt. Niccel arbeitet nicht nur für den Verlag, sondern malt momentan hauptsächlich. «Irgendwie habe ich zurzeit eine Phase, die bei den Leuten gut ankommt. Es ist etwas Schönes, dies zu erleben. Das ist es, was ich möchte: Bilder malen und Ausstellungen machen.» Während Niccel malt, sitzt Emil ein paar Meter weiter in seinem, wie er es nennt, «Schriibstübli». Und schreibt an seiner Autobiografie.
«Es ist eine verrückte Arbeit», sagt der 91-Jährige und zeigt dabei auf einen grossen Tisch, auf dem wohlsortiert und chronologisch Fotos, Zeitungsausschnitte, Broschüren und so vieles mehr – eben das ganze Emil-Leben – liegen. «Das sind alles Themen, die ich ür die Autobiografie brauche. Trotzdem darf es nicht zu lang werden, das Buch. Die Leute finden doch so dicke Schinken nicht gut.» Und wann glaubt er denn, damit fertig zu werden? «Das ist immer eine gute Frage», sagt Emil und lacht. «Ich hoffe, noch in diesem Jahr. Im Moment wollen aber irgendwie alle etwas von mir. Weiss gar nicht, warum. Deshalb werde ich immer wieder unterbrochen.»
Sie definieren sich eben, sagen Emil und Niccel, nicht so über romantische Momente, sondern über das gemeinsame Arbeiten an tollen kulturellen Projekten. Denn das Harmonieren beim gemeinsamen Verwirklichen von Ideen und Plänen sei ein ebenso kräftiges Erlebnis wie ein Kuss. Gibt es sie gar nicht, die romantischen Momente im Leben der Steinbergers? Niccel überlegt lange: «Ich weiss nicht. Ist es romantisch, wenn Emil letzten Silvester sagte: ‹Weisst du was, Niccel? Jeder von uns nimmt eine Leinwand, und wir malen uns gegenseitig bis Mitternacht.›? Für mich war dies jedenfalls ein sehr spezieller Moment.»
Emil ergänzt: «Auch für mich. Auf der einen Seite lief der Fernseher. Wäre etwas Relevantes gekommen, hätten wir es gesehen. Aber es wurde nur gesungen, gesungen und gesungen. Wir sind uns gegenübergesessen, mit einem Brett und einem Blatt Papier darauf. Näher kann man auf einen Menschen nicht eingehen, als wenn man ihn porträtiert. Oder?» Und: Jede Nacht schlafen sie gemeinsam ein. Ihre Hände finden sich dabei immer – in der einen oder anderen Kombination.
Für immer
Typisch Emil und Niccel: Wie sie ihre Silberhochzeit am 28. Mai feiern werden, wissen die beiden noch nicht. «Ehrlich gesagt haben wir noch nicht darüber nachgedacht», sagt Niccel und lacht. «Wir entscheiden meistens kurzfristig und sind dann gestresst, weil wir denken, wir müssten schon irgendetwas machen.» So geht es ihnen auch mit der Ferienplanung. «Uns fällt immer eine Woche vorher ein, wohin wir in die Ferien möchten. Meistens ist dann schon alles ausgebucht.»
Und für die Zukunft? Was wünschen sie sich? «Dass wir es schaffen, Emils Autobiografie zu beenden und herauszugeben. Das fände ich sehr schön und würde mich freuen. Ich bin natürlich bereit, ihm zu helfen, in jeder Hinsicht», sagt Niccel.
«Und», betont sie, während sie sich zu ihrem Mann dreht und ihn zärtlich anblickt:
«Ich möchte noch viele Jahre mit dir zusammen sein!»
Emil sanft: «Ach ja?»
Niccel: «Ja!»
Emil: «Meinsch?»
Sie lachen. Das silberne Traumpaar mit dem goldenen Herzen.