Am Donnerstag überschlugen sich die Schlagzeilen zu den Memoiren von Prinz Harry (38): Bereits vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin am 10. Januar wurde unter anderem ein Auszug publik, in der der Herzog von Sussex über seinen Militärdienst in Afghanistan berichtet – auch darüber, dass er während des Krieges im Mittleren Osten 25 Menschen getötet habe. «Das war nichts, was mich zufrieden gemacht hat, aber auch nichts, wofür ich mich geschämt habe», sagte der einstige Offizier.
Und auch wenn der Prinz offen lässt, ob ihn die Einsätze nachhaltig traumatisiert haben: Der Zürcher Psychoanalytiker Nikolaus von Luckner (70) sagt gegenüber Blick, dass es bei ehemaligen Soldaten auf verschiedene Art und Weise zu sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) kommen könne. Dies auch, wenn der Krieg schon lange vorbei sei: «Die Folgen des Traumas können auch Jahre später auftreten.»
Schlafstörungen und Panikattacken
Zwar könne und dürfe man nicht in Abwesenheit über den psychischen Zustand einer anderen Person urteilen, betont Luckner. Er weist aber darauf hin, dass solche Störungen bei Armeeangehörigen oft und in verschiedenen Formen erscheinen können: «Als kurzfristige Symptome können Schlaf- oder Ruhelosigkeit und Panikattacken auftreten. Sie klingen oft aber mehr oder minder schnell wieder ab.»
Problematisch könne später vor allem sein, dass Soldaten das Erlebte nicht verarbeiten könnten. «Menschen, die zum Beispiel einen Verlust verarbeiten müssen oder eine schwere Krankheit durchgemacht haben, haben in der Regel gewisse Selbstheilungskräfte. Wenn man im Krieg war, kann es sein, dass Situationen eins zu eins durch einen gewissen Trigger immer wieder ausgelöst werden – mit all den dazugehörigen Emotionen, als wäre es gerade gestern passiert», führt von Luckner aus. Die Zeit, die nach den Ereignissen verstreiche, werde nicht für die Verarbeitung genutzt. «In ganz krassen Fällen gibt es Menschen, die dann beginnen zu dissoziieren: Das heisst, sie bewegen sich in einer Art Parallelwelt und sind oft nicht mehr ansprechbar. Es handelt sich um einen psychischen Schutzmechanismus.»
Trauma ist möglich – aber nicht sicher
Im Fall von Prinz Harry gestaltet sich die Situation insofern schwierig, als bisher nicht klar ist, ob er nebst militärischen Gegnern beispielsweise auch Zivilistinnen und Zivilisten getötet hat. Seine Aussagen legen aber nahe, dass es sich bei den Opfern um Taliban gehandelt habe: «Ich hätte es natürlich lieber gehabt, diese Zahl nicht auf meinem Militärzeugnis oder in meinem Kopf zu haben, aber ich hätte auch lieber in einer Welt ohne die Taliban gelebt, in einer Welt ohne Krieg.» Unter diesen Umständen, so Luckner, müssen die Erlebnisse nicht unbedingt traumatisierend sein. «Man gibt ja die Verantwortung an die Vorgesetzten ab», sagt er. «Die Chance, dass man von solchen Ereignissen immer wieder eingeholt wird, ist aber gross.»
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Es gebe eine weitere Besonderheit in Prinz Harrys Umgang mit Trauma, so der Psychoanalytiker. «Harry ist durch den Tod seiner Mutter Prinzessin Diana – und vor allem durch die Umstände, die dazu führten, schon vor-traumatisiert.» Es bestehe somit die Möglichkeit, dass eine posttraumatische Belastungsstörung in seinem Fall noch heftiger ausfalle oder dass sich zwei Traumata vermischen. Darüber, ob und wie sich Harrys Taten während des Krieges beispielsweise auf seine Beziehung zu Herzogin Meghan (41) auswirke, könne man nur spekulieren, erklärt von Luckner. Die Öffentlichkeit wird es vielleicht noch in Harrys Memoiren erfahren.