Eier, Netflix, Rassismus
Der turbulente Start von König Charles III.

Seit dem Tod von Queen Elizabeth II. im September 2022 ist König Charles III. der amtierende Monarch des Vereinigten Königreichs. Sein Start verlief aber alles andere als geschmeidig.
Publiziert: 12.12.2022 um 12:16 Uhr
1/8
Am 17. Dezember 2022 ist König Charles III. seit 100 Tagen amtierender Monarch des Vereinigten Königreichs.
Foto: imago/i Images

Er hat als Monarch bereits zwei Premierminister erlebt, wurde mit Eiern beworfen und muss fast täglich Berichte über den Bruch in seiner Familie erdulden. Zu sagen, dass König Charles III. (74) einen ruhigen Start ins Amt gehabt hätte, wäre wohl eine typisch britische Untertreibung. Am kommenden Samstag ist es 100 Tage her, dass der «ewige Thronfolger» mit dem Tod seiner Mutter Queen Elizabeth II. (†96) an die Spitze des Vereinigten Königreichs rückte.

Es habe sich schon die Frage gestellt, wie es nach 70 Jahren unter der Queen mit einem neuen Monarchen sein würde, sagt der Monarchie-Beobachter Craig Prescott der Deutschen Presse-Agentur. Nur wenige Menschen in Grossbritannien hatten einen anderen Monarchen erlebt als die Queen. Charles war als Thronfolger zwar seit Jahrzehnten prominent in der Öffentlichkeit. Doch lange wurde er eher belächelt als ernst genommen.

Lob der «New York Times»

Das lag auch daran, dass er seine im Volk beliebte Ex-Frau Diana (1961–1997) betrog. Doch mittlerweile ist er mit seiner damaligen Geliebten Camilla (75) seit gut 17 Jahren verheiratet, und die neue Königsgemahlin wird immer mehr respektiert.

Sein Einsatz für Umwelt und Natur galt noch vor wenigen Jahren als grüner Spleen – das hat sich spätestens mit dem Bewusstsein über die Klimakrise geändert. «Seine Thronbesteigung verwandelte den unglückseligen Erben in einen würdevollen Souverän und das Staatsoberhaupt Grossbritanniens», lobt die «New York Times».

So macht sich König Charles auf dem Thron
4:42
Royal-Expertin Schlittler:So macht sich König Charles auf dem Thron

Jahrzehntelange Vorbereitung

Jahrzehntelang konnte sich Charles vorbereiten. Dass er im Schatten der Krone teils eine gewisse Narrenfreiheit genoss, könnte ihm durchaus zugutegekommen sein, meinen Beobachter in London.

Er habe nach dem Tod seiner Mutter die Aufgabe, König zu sein, über seine persönliche Trauer gestellt, sagt Experte Prescott. «Viele Menschen waren überrascht, wie reibungslos der Übergang war. Es war buchstäblich wie ‹Die Queen ist tot, lang lebe der König!›» Der Experte urteilt: «Seine ersten 100 Tage hätten nicht besser laufen können.»

Versprechen zum lebenslangen Dienst

Der Ex-Chef der Zeitung «Daily Mail», Geordie Greig, drückt es so aus: «Die einzigen Gespräche über den König sind: ‹Macht er nicht einen grossartigen Job?›»

Der Auftakt gilt als würdevoll. Gleich am Abend seines ersten vollen Tags im Amt erneuerte Charles das Versprechen seiner Mutter zum lebenslangen Dienst. Damit war der Ton gesetzt – und zugleich jedes Gerücht abgeräumt, der Neue sei nur Platzhalter für seinen ältesten Sohn William (40). Während der Trauerfeiern zeigte sich Charles zurückhaltend – vor allem als Sohn. Seit dem Ende der Trauerzeit aber sucht er offensiv als König den Kontakt mit seinen Untertanen.

Viele öffentliche Auftritte

Kaum ein Tag, an dem sich der 74-Jährige nicht in der Öffentlichkeit zeigt. Einmal empfängt er Würdenträger im Buckingham-Palast in London, den er wieder zum Mittelpunkt der Monarchie gemacht hat, nachdem die Queen – auch wegen der Pandemie – zuletzt Schloss Windsor kaum verliess.

Dann wieder ist Charles gemeinsam mit Camilla in Wales, am nächsten Morgen taucht er im Londoner Speckgürtel auf. «Wir erleben eine Öffnung der Monarchie. Wir sehen den König unterwegs», sagt Experte Prescott. Der Kontakt mit den Schaulustigen wirkt locker. Entgegen des Protokolls lässt sich Charles auch mal umarmen.

Zwei Eierwürfe

Doch ganz so einfach ist es mit dem Wechsel an der Spitze des Staates nicht getan. Zwar empfangen die meisten Menschen den König mit Jubel. Schon zwei Mal aber wurde der Monarch mit Eiern beworfen. Das hätte es wohl bei seiner Mutter nicht gegeben, sind Beobachter sicher.

Der Protest richtet sich offenbar gegen den Umgang des Königshauses mit der britischen Kolonialvergangenheit. Charles, der nicht getroffen wurde, liess sich nicht irritieren, sondern setzte das Händeschütteln demonstrativ fort und blickte nur kurz auf das kaputte Ei vor ihm.

König Charles empfängt Präsident von Südafrika
1:16
Für ein stärkeres Bündnis:König Charles empfängt Präsident von Südafrika

Rassismus-Skandal am Hof

Für mehr Aufsehen sorgte ein Skandal in seinem direkten Umfeld: Eine Hofdame, jahrzehntelange Begleiterin der Queen, hatte sich bei einem Empfang im Gespräch mit einem Gast rassistisch geäussert. Im März 2021 hatten ausgerechnet Charles' jüngerer Sohn Prinz Harry (38) und dessen Ehefrau Herzogin Meghan (41) die Debatte aufgemacht, wie rassistisch der Palast sei. Nun drohte eine neue Eskalation. Doch indem der König rasch die Aussagen der ehemaligen Hofdame verurteilen liess, habe er eine Diskussion im Keim erstickt, lobten Kommentatoren.

Bleibt noch die vielleicht grösste Baustelle für den Monarchen: die eigene Familie. Ausgerechnet kurz vor dem Amtsjubiläum will der Streaming-Riese Netflix den zweiten Teil seiner Dokumentation über Harry und Meghan veröffentlichen. Blieben in Teil eins die Vorwürfe gegen den Palast hinter den Befürchtungen zurück, rechnen Beobachter nun in «Volume II» am 15. Dezember mit heftigerer Kritik.

Druck, Prinz Harry Titel zu entziehen

Nicht nur Experte Prescott erwartet, dass es für das Paar danach kaum einen Weg zurück in den engeren Kreis der Royal Family geben dürfte. Zudem erscheint am 10. Januar Harrys Autobiografie. Dann dürfte es neue Vorwürfe gegen den Palast und vielleicht Charles selbst geben.

Schon jetzt fordern Konservative, Harry und Meghan die Titel zu entziehen, die sie trotz ihres Rückzugs aus dem Königshaus noch haben. Der Druck auf Charles, seinen Sohn zu verstossen, dürfte bald weiter wachsen. Wie der Monarch dann reagiert, könnte seine Regentschaft definieren – weit über die nächsten 100 Tage hinaus. (SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?