Der Schweiss rinnt in der winzigen Aufnahmekabine. Dort steht Angel Egli alias Mimiks mit nacktem Oberkörper und rappt auf Schweizerdeutsch, als ginge es um Leben und Tod: «Ich gang vo La vida loca grad zu Viva con Agua.» Der Beat klingt afrikanisch, der Text ist eine Mischung aus Schweizerdeutsch, Portugiesisch und Englisch. Das Anliegen ist multinational.
Wir sind hier im sandigen Niemandsland von Mosambik. In Kongolote, einem Vorort von Maputo, etwa 40 Autominuten von der Hauptstadt entfernt, wo die Strassen keinen Teer und keine Namen haben. Hier, im rudimentären Studio des Reggae-Sängers Ras Haitrm, entsteht ein Song, der Schweizer und Mosambikaner für die Wasser-Problematik in Entwicklungsländern sensibilisieren soll.
«Ich habe mir schon lange überlegt, wie ich mich sozial engagieren könnte», erzählt Mimiks auf der holprigen Autofahrt nach Kongolote. Jetzt ist der junge Mann aus Luzern in Afrika mit den Hilfswerken Helvetas und Viva con Agua unterwegs. In der Schweizer Rap-Szene ist Egli ein Star. Von seinen ersten beiden Alben verkaufte er je 5000 Stück und landete zweimal auf dem vordersten Rang der Charts. Bei seinem Auftritt am diesjährigen Open-Air Frauenfeld, dem grössten Hip-Hop-Festival Europas, verwandelte er das Publikum in eine wogende Menge, einen rasenden Pulk. Heute spielen sich bei Mundart-Rap-Konzerten Szenen ab, die man früher nur vom Heavy Metal kannte. Tausende von Fans geraten ob der Musik in Ekstase. Bald soll dies auch mit dem Radiopublikum geschehen. Bald könnte ihn jeder Schweizer kennen.
Ein Schweizer Rapper mit einer anderen Realität
Mimiks macht zeitgenössischen Rap. Er kreiert Slang. Er steht für eine andere Realität, als viele der Schweizer Rapper vor ihm. Er ist kein Maturand, kein Student. Seine Berufslehre als Koch muss er noch abschliessen. Wie man seinen Texten entnimmt, tat er sich schwer damit, sich anzupassen, machte früh seine Erfahrungen mit Drogen und Alkohol, fand im Rap schliesslich eine kreative Ausdrucksform, in die er all seine Energie steckt.
In Afrika ist er fast zu fokussiert auf seine Aufgabe. Er ist für zwei Wochen hier, soll mit der dreiköpfigen Hip-Hop-Crew JAS CRW aus St. Gallen und lokalen Musikern einen Song schreiben, der schliesslich in beiden Ländern für Aufmerksamkeit sorgt. Das setzt ihn unter Druck. Von der Grossstadt Maputo, die so gar nicht aussieht, wie man sich eine afrikanische Grossstadt vorstellt, von der Komplexität und den Problemen von Mosambik kriegt er erst mal gar nicht viel mit. «Ich kann nicht einfach lustig drauflosschreiben. Das funktioniert bei mir nicht», gesteht er. Es ist ihm immer ernst, mit jedem Stück. Auch wenn es manchmal «nur» darum geht, kunstvoll zu beweisen, dass er der beste Rapper ist.
Mimiks will ein neues Publikum erreichen
Die Crew dreht Szenen auf einem Hochhaus im Stadtzentrum, im Studio und im Armenviertel Mafalala, wo sich alle Mitgereisten auch noch gegen eine lokale Mannschaft im Fussball messen. Als der Song und das dazugehörige Video im Kasten sind, fällt der Druck von ihm ab. Es ist Samstagabend, und am nächsten Tag steht der Auftritt an einem Festival im Feima Park an, aber Mimiks entscheidet gutgelaunt, dass es jetzt Zeit sei, die Stadt zu erkunden. Von einem Moment auf den anderen ist er plötzlich kontaktfreudig, spricht alle an, will alles wissen. Er kehrt erst früh am Morgen ins Hostel zurück.
«Ich habe jetzt drei Alben lang über das Rappen gerappt», sagt er mit diesem Ausdruck von innerer Unruhe, den er in den ersten Tagen in Mosambik kaum ablegt. «Jetzt ist es Zeit, etwas Neues zu machen und einen Schritt weiterzugehen.» Einen Eindruck davon, was er damit meint, vermittelt seine aktuelle Single «Million»: ein sonniger Reggaeton-Beat, Filtereffekte, Autotune-Gesang. Statt eines wütenden, hört man einen entspannten Mimiks. Jeder scheint hier willkommen, nicht nur die Hip-Hop-Experten. «Baby, du bisch vil meh als e Million», singt er im Refrain.Sein Baby, Anja Zeidler, ist hier in Maputo nicht mit dabei. Das Fitnessmodel ist weitaus bekannter als sein Freund. Zeidler hat 340 000 Follower auf Instagram (Mimiks 11 000), sie beherrscht den Umgang mit den klassischen und den sozialen Medien, füttert die Kanäle unentwegt mit Storys über sich selber. Mimiks tut es ihr gleich: Auch von Mosambik aus versorgt er seine Fans fast stündlich mit Updates.
So postiert er sich etwa in Kongolote vor dem Verschlag mit Wellblechdach, in dem das Studio untergebracht ist, hält sich das Smartphone vors Gesicht, fährt sich kurz durch die Haare und nimmt dann ein Video auf, in dem er erklärt, was er gerade macht. Das passiert so routiniert, dass die anderen mitgereisten Künstler nur staunen.
In der Gruppe der vier Schweizer Musiker übernimmt Mimiks schnell die Führung. Im letzten Moment überzeugt er die anderen, den Beat für das Stück auszuwechseln. Sein Hausproduzent HSA aus Zürich hat ihm eine neue Kreation geschickt: Hip-Hop mit einer Mischung aus Afro-Beat und Trap. Eine schnelle Gitarrenmelodie führt durch den Song mit dem ungewöhnlich akzentuierten Rhythmus. Innert einer Stunde entsteht der Refrain, gesungen von King James von JAS CRW. Er handelt vom Regen, von Tränen, von Reinigung, von den verbindenden Elementen Musik und Tanz.
Mimiks nimmt seine Strophe als Erster auf. «Ich gang vo La vida loca grad zu Viva con Agua», rappt er in der ersten Zeile. «Damit will ich sagen, dass dieses Leben zutiefst widersprüchlich ist. Oft halten wir uns mit stumpfsinnigem Materialismus auf – und im nächsten Moment stehen wir hier in Afrika und erkennen die wahren Probleme.» Als Reggae-Sänger Ras Haitrm in wenigen Minuten seinen tiefkehligen Gesang aufgenommen hat und die Worte «Water, water, water!» platziert, weicht die Anspannung allgemeiner Begeisterung. In den Gesichtern aller Anwesenden kann man lesen: «Das könnte ein Hit werden.»
Viva con Agua setzt sich für den Zugang zu sauberem Wasser
Angel Egli alias Mimiks, Innerschweizer Rapper mit spanischen Wurzeln, erregte 2012 mit seinem Mixtape «Jong & Hässig» erstmals über die Grenzen seiner Heimatstadt Luzern hinaus Aufmerksamkeit. 2014 veröffentlichte er mit «VodkaZombieRambogang» sein erstes offizielles Album, mit dem er direkt auf Platz 1 der Schweizer Charts einstieg und das ihn als Vorreiter einer neuen Generation des Mundart-Rap etablierte. Mit «Jong & Hässig Reloaded», seinem dritten Longplayer, konnte er diesen Erfolg im April dieses Jahres wiederholen. Neben seiner Rap-Karriere verdient er sein Geld als Koch. Für die Non-Profit-Organisationen Viva con Agua und Helvetas engagiert er sich seit 2016. Egli ist mit dem Fitnessmodel Anja Zeidler liiert.
Angel Egli alias Mimiks, Innerschweizer Rapper mit spanischen Wurzeln, erregte 2012 mit seinem Mixtape «Jong & Hässig» erstmals über die Grenzen seiner Heimatstadt Luzern hinaus Aufmerksamkeit. 2014 veröffentlichte er mit «VodkaZombieRambogang» sein erstes offizielles Album, mit dem er direkt auf Platz 1 der Schweizer Charts einstieg und das ihn als Vorreiter einer neuen Generation des Mundart-Rap etablierte. Mit «Jong & Hässig Reloaded», seinem dritten Longplayer, konnte er diesen Erfolg im April dieses Jahres wiederholen. Neben seiner Rap-Karriere verdient er sein Geld als Koch. Für die Non-Profit-Organisationen Viva con Agua und Helvetas engagiert er sich seit 2016. Egli ist mit dem Fitnessmodel Anja Zeidler liiert.
in Entwicklungsländern wie Mosambik ein. Dabei werden einerseits Wasserprojekte von Helvetas unterstützt, andererseits eigene Sensibilisierungsprojekte umgesetzt.
Hunderte von Menschen stehen am Sonntagnachmittag in einem Park in Maputo und hören Mimiks’ Rapversen auf Schweizerdeutsch zu. Zehntausende werden ab Dezember den Videoclip sehen und mit Ras Haitrm «Water, water, water!» krakeelen. Die Verknüpfung von sozialen Anliegen mit Kultur funktioniert in diesem Fall hervorragend.
Afrika hat den jungen Schweizer Rapper verändert
Einige Tage nach seiner Heimkehr meldet sich Mimiks nochmals per Telefon. Er wirkt verändert, viel umgänglicher, gelöster. Die zweite Woche hat die Gruppe im Norden verbracht, die Wasserprojekte von Helvetas besucht. Untergebracht waren sie bei der lokalen Bevölkerung, in Lehmhütten. «Ich werde noch eine Weile brauchen, um alles Gesehene zu verarbeiten», sagt der Luzerner. «Das klingt vielleicht banal, aber ich sehe unser Leben nun mit anderen Augen. Wir sind so unglaublich privilegiert, dass ich es als unsere Pflicht sehe, uns für Schwächere zu engagieren.» Dann verabschiedet er sich, ein Konzert steht an. Im Ohr rinnt noch das Wasser: «Water, water, water!»