So viele Tattoos, Piercings und Lederjacken hat die Zürcher Tonhalle in über 120 Jahren wohl noch nie gesehen. Und so gekocht hat der ausverkaufte Saal mit knapp 1500 Plätzen wohl auch noch nie. Es war ja auch eine irre Mischung auf der Bühne, wo sonst gepflegte Klassik gespielt wird: Statt Mozart gabs Punk von den «Toten Hosen», genial präsentiert vom Kabarettisten Gerhard Polt als schmieriger Künstleragent Schikaneder und begleitet von den Well-Brüdern, einer anarchistisch angehauchten Combo, bestehend aus drei bayrischen Stubenmusikern. Und es gab bitterböseste Texte! So gekonnt politisch unkorrekt durch den Kakao gezogen wird die SVP nie in der Schweiz – dafür brauchts Punker und Alpenanarchisten aus Deutschland.
Punk, Kabarett und hinterhältig verdrehte Alpenfolklore funktionieren hervorragend. Der «Hosen»-Song «Im Gegenwind» wird zur Symbolhymne für das Verhältnis der Schweiz zu Europa – mit den Alpenanarchos aus Bayern mutieren die Punker aus Düsseldorf zu Rock-gegen-Rechts-Vorkämpfern. Und verlieren sich sofort wieder in höherem Blödsinn, wo sich die Rapper-Anspielung «40 Cent» auf «Müller-Milch brennt» reimt. Bis Kabarettist Polt als Agent zur Ordnung ruft: «Lassens des Protestsingen!»
Das Publikum tobte, die Show war grossartig. Alte Songs, neu gehört. Und so haben selbst eingefleischte Fans ihren Campino noch nie gesehen – an der Harfe! Und am Alphorn!