Morgen Sonntag wird Peter Reber 70 Jahre alt. Für BLICK zieht der Berner Mundartsänger und Hitkomponist Bilanz eine philosophische Zwischenbilanz.
Über die heutige Jugend:
Lange wurde unserer Jugend vorgeworfen, sie sei zu wenig politisch, denke nur an ihr persönliches Wohlbefinden oder an die Karriere. Nun gehen Jugendliche wieder auf die Strasse und demonstrieren für Klimaschutz und den Erhalt unseres Planeten. Recht haben sie! Denn es ist ihre Zukunft und ihre Welt, in der sie morgen leben müssen. Die paar Stunden, die sie in der Schule verpassen, werden längst wettgemacht durch diese staatsbürgerliche und demokratische Erfahrung, seine Meinung auch auf der Strasse äussern zu können, sofern es friedlich geschieht. Es ist etwas Wunderbares und Kraftvolles, jung zu sein, an seine Träume zu glauben und zu versuchen, den einen oder andern umzusetzen, bevor die Kompromissbereitschaft oder manchmal auch die Resignation des Älterwerdens einsetzt.
Über das Alter:
Klar ist, dass man in der Jugend meist gesünder ist als im Alter. Und natürlich ist Gesundheit wichtig. Wer krank ist, Schmerzen hat, vielleicht auch einsam ist, weil er einen Partner verloren hat, für denjenigen oder diejenige ist Altern nicht schön. Wer das Glück hat, einigermassen gesund zu sein, für den kann das Alter auch seine guten Seiten haben. Man braucht nicht mehr an jeder «Hundsverlochete» dabei zu sein. Die Erfahrungen, die man über Jahrzehnte gemacht hat, helfen einem, Entscheidungen besser zu treffen, und weil die Zukunft sehr endlich geworden ist, schafft man es vielleicht, jeden Tag bewusster zu leben und hoffentlich zu geniessen. Für mich persönlich war es auch die Einsicht, dass ich mit meiner Tätigkeit meinem Leben einen Sinn habe geben können. Ich durfte viele Menschen mit meiner Musik im Leben ab und zu begleiten.
Über Familie:
Ich könnte mir mein Leben ohne meine Frau nicht vorstellen. Livia war nicht nur Inspiration für viele meiner Lieder, alle Reisepläne und andern Projekte haben wir gemeinsam ausgeheckt und durchgezogen. Dass wir zwei wunderbare Kinder haben, ist ein weiteres grosses Glück. Ich freue mich riesig, auf meiner Jubiläumstour im Herbst mit Nina auf der Bühne zu stehen. Das kann sicher jeder Vater nachvollziehen. Die zierliche, kleine Person singt mich zwar an die Wand, aber das verkrafte ich gerne. Sie hatte schon als Baby eine riesen Röhre. Ohne ihre Zusage hätte ich es wohl nicht gewagt, als Grossvater noch einmal aufzutreten. Ja, denn ich bin jetzt mit der kleinen Enkelin Ellie auch tatsächlich Grossvater geworden. Die Familie wird grösser, das Leben geht weiter.
Über Publikum:
Zu meinen Konzerten kommen alle Altersgruppen. Aber ich begegne immer wieder auch Fans, die schon zu Zeiten von «Peter, Sue & Marc» dabei waren. Das sind treue Seelen und für mich auch so etwas wie Familie. Oft kommen sie mit ihren Kindern oder Enkelkindern. Es berührt mich immer wieder, wie sie mich seit Jahrzehnten begleiten. Das ist nicht selbstverständlich in einer Welt, die so kurzlebig geworden ist: Heute ein Star, weil man im TV «The Voice of ...» gewonnen hat und morgen schon wieder weg vom Fenster, weil eine weitere Sendung «in» ist. Es ist ein Privileg und ich bin sehr dankbar dafür, dass immer noch so viele Menschen meine Konzerte besuchen. Früher, und das erzähle ich jeweils als Gag, habe ich nach Konzertbeginn die Saaltüren abgeschlossen, damit das Publikum nicht abhauen konnte. Heute bleiben sie freiwillig.
Über Musik und Komponieren:
Es wird sicher nicht einfacher etwas ganz Neues zu schreiben, wenn man schon so viel geschrieben hat. Aber ich bin immer noch kreativ und werde im Herbst eine neue CD herausbringen. Ich möchte auf meiner Jubiläumstour, die Ende Oktober 2019 beginnt, nicht nur Rückschau halten, sondern auch ein paar neue Songs präsentieren. Ich habe schon noch ein paar Ideen. Musik ist für mich nach wie vor etwas Grossartiges und ich liebe fast alle Genres. Ich kann mich als Komponist auch in vielen Sparten ausdrücken und diese Vielseitigkeit hat wohl auch zu meinem Erfolg beigetragen. Besonders freue ich mich, dass das Musical «Io senza te» nächstes Jahr nun auch noch auf die Bühne der Thunerseespiele kommt. All die Melodien, die ich vor vierzig Jahren für Peter, Sue & Marc geschrieben habe, kommen noch einmal in einem ganz neuen Kleid daher.
Über Politik:
Natürlich interessiert mich Politik. Ich verfolge im Fernsehen fast alle Politsendungen. Politik findet aber nicht nur an den Polen statt, entweder ganz links oder ganz rechts. Das ist zwar spektakulärer, war aber nie mein Ding. Sachpolitik ist mir wichtiger als Parteipolitik. Zu einer nachhaltigen Politik gehören Kompromisse, denn es ist selten so, dass die andere Meinung völlig falsch ist. Wir tun in der Schweiz gut daran, den respektvollen Dialog aufrecht zu erhalten. Was in den USA, England oder Italien abgeht, ist nicht nachahmenswert. Ich habe selbst auch schon auf der Strasse gegen die Streichung von Bildungsausgaben demonstriert und als Mitinitiant von Jugend + Musik Unterschriften gesammelt. In abgeänderter Form wurde die Initiative 2012 vom Volk mit grossem Mehr angenommen.
Über Reisen:
Es gibt keine schönere Art des Reisens, als mit einem Segelschiff – sofern man nicht seekrank wird. Bei dieser Reisegeschwindigkeit kann die Seele folgen, man wird nie Jetlag haben und feststellen, dass der Weg manchmal noch interessanter ist, als das Ziel. Eine Nacht oder einen Tag lang im Cockpit zu sitzen und durch die Wellen zu gleiten, ist alles andere als langweilig. Wer Geduld hat und die Rastlosigkeit unserer «Zuvielisation» abstreifen kann, wird die vielen Geheimnisse des Meeres entdecken und von der Schönheit und der Zerbrechlichkeit dieses blauen Planeten fasziniert sein. Man verzeihe mir altem Seemann, dass ich da fast zum Poeten werde. Aber ich habe das halt so erleben dürfen. Livia und ich reisen immer noch sehr gerne. Dank Facebook weiss ich auch, dass unsere «Cindy», die wir während Jahren für verschollen hielten, doch noch unterwegs ist. Sie hatte in der Zwischenzeit ein paar andere Besitzer, ist aber nun in Australien wieder aufgetaucht. Unter einem andern Namen: «Second Wind». Wir wollten sie vorletztes Jahr besuchen, als wir in Australien waren, aber da war sie schon wieder unterwegs nach Neuseeland. Ich hoffe, sie trägt auch die neue Crew, wie uns einst, sicher über Tausende von Seemeilen.
Über Heimat:
Dass Wurzeln gerne Wasser haben, ist ja allseits bekannt. Ich habe mich auf dem Wasser stets zu Hause gefühlt. Das hat auch sein Schönes, denn es ist grenzenlos und man ist irgendwie Weltbürger, frei von irgendwelchem Stammesdenken. Aber natürlich bin ich auch Schweizer und stolz auf unser Land, denn es hat mir sehr viel ermöglicht. Für mich trifft das vielleicht etwas veraltet klingende Zitat von Gottfried Keller zu: «Achte jedes Mannes Vaterland, aber das deinige liebe!» Meine Heimat hat mir ermöglicht, dass mir auch als Arbeiterkind eine sehr gute Schulausbildung zuteil wurde und ich später studieren konnte, Zugang zum Musikunterricht am Konservatorium hatte und so meine Fähigkeiten entwickeln konnte. Das ist nicht selbstverständlich und dafür bin ich sehr dankbar.
Über seinen Geburtstag:
Siebzig ist ja einfach eine Zahl. Aber wir Menschen brauchen Rituale. Nun, es gibt morgen nicht die riesige Geburtstagsparty. Wir gehen schön Essen im kleinen Familienkreis und das ist es dann. Ich habe schon so viel Aufmerksamkeit in meinem Leben erhalten dürfen, das reicht mir. Und wenn ich feiere, dann nicht mich selbst, sondern das Leben. Das Leben ist die grösste Show. Dass es meiner Familie gut geht, und dass ich zusammen mit Livia so viel Spannendes erleben durfte. Um all das zu wissen, brauche ich eigentlich keinen runden Geburtstag. Ich stelle fest, dass mir dies mit zunehmendem Alter immer bewusster wird. Ab sofort wird in diesem Sinn täglich Geburtstag gefeiert.