Österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart
«Verlogenheit ist ja wohl das grosse Handwerk der Kunst»

Die Österreicherin Lisa Eckhart (27) provoziert und eckt an. Wegen Antisemitismus-Vorwürfen wurde sie von einem Literaturfestival ausgeladen. Am Montag erscheint ihr Debütroman – er handelt von ihrer Grossmutter.
Publiziert: 17.08.2020 um 08:48 Uhr
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Aktualisiert: 28.08.2020 um 11:23 Uhr
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Die 27-jährige Österreicherin Lisa Eckhart ist eine der provokantesten Kabarettistinnen im deutschsprachigen Raum.
Foto: imago images
Interview: Alexandra Fitz

Sie bediene sich Klischees, sei herablassend und verstörend. Lisa Eckhart sagt: Sie mache Satire und kein Wellness. Political Correctness gehöre in die Politik – nicht auf die Bühne. Wem es nicht passe, der solle zu Hause bleiben. Die 27-jährige wortgewandte Österreicherin hat eine Kunstfigur mit enormer Bühnenpräsenz erschaffen: mager, platinblondes Haar, Versace-Kleidung, aufgeklebte Nägel und tiefe, näselnde Stimme. Gerade wurde sie von einem Hamburger Literaturfestival wegen Angst vor linken Protesten ausgeladen. Der Grund: ihre Aussagen in einer WDR-Sendung 2018. Der Kabarettistin wird Antisemitismus vorgeworfen. Derweil ist die Grazerin um die Kultur besorgt und argumentiert mit Kunstfreiheit. Gerade erscheint ihr erster Roman über Oma Helga. Damit bereitet sie langsam den Abschied von der Bühne vor. Doch erst geht es auf Tournee. Anfang Oktober auch in die Schweiz.

Hat Ihre Oma Ihr Buch schon gelesen?
Sie ist noch nicht fertig. Sie liest nur vier bis fünf Seiten am Abend. Sie will sich den ganzen Tag darauf freuen und möchte es so lange wie möglich hinauszögern.

Nicht, weil sie das Buch nicht mehr ertragen kann?
Das weiss ich nicht, sie hat es mir so wie geschildert gesagt.

Also sind Sie noch nicht enterbt?
Ich habe noch nicht in den Briefkasten geschaut. Vielleicht ist der Brief vom Notar schon drin.

Haben Sie früher wirklich bei Ihrer Oma im selben Bett geschlafen?
Da sind wir bereits bei einem Mischverhältnis von Fiktion und Realität. Das ist Betriebsgeheimnis.

Kein Geheimnis ist der Shitstorm, der gerade über Sie hinwegfegt. Werbetechnisch das Beste, was Ihnen vor den kommenden Auftritten passieren konnte.
Ja, aber das ist schon sehr im Sinne dieser Zeit gesprochen, in der Aufmerksamkeit um jeden Preis als positiv empfunden wird. Mir wäre Ansehen lieber als Aufmerksamkeit.

Wer sind Sie in dieser Geschichte?
Die Passagierin. Erstaunt war ich über die Ereignisse im Mai. Über diese Berichterstattung. Über die Ressentiments, die einige Schreiber offensichtlich schon lange gehegt haben.

Im Ernst jetzt: Kennt das Festival, von dem Sie ausgeladen wurden, überhaupt jemand?
Ich kannte es nicht, ich kannte auch den Preis nicht. Ohne unhöflich wirken zu wollen, dieses Festival hat in meinem Kopf nicht existiert.

Umstrittene Kabarettistin

Lisa Eckhart wurde 1992 als Lisa Lasselsberger geboren. Sie wuchs ein paar Jahre bei ihren Grosseltern auf dem Land bei Leoben in der Steiermark auf, bis sie zu ihrer Mutter nach Graz zog. Sie studierte Germanistik und Slawistik in Wien und Paris. Die Österreicherin fing mit Poetry-Slams an, mittlerweile ist sie eine bekannte Kabarettistin im deutschsprachigen Raum. Sie ist regelmässiger Gast in der ARD-Kabarettsendung «Nuhr im Ersten» und tritt mit Soloprogrammen auf. Lisa Eckhart veröffentlichte gerade ihren Debütroman «Omama» und sieht ihre Zukunft mehr als Schriftstellerin als auf der Bühne. Die 27-Jährige lebt in Leipzig.

«Omama», Lisa Eckhart, Paul Zsolnay Verlag

Sie verstört mit grenzwertiger Satire. Lisa Eckhart selbst empfindet es als Kunst.
imago/Future Image

Lisa Eckhart wurde 1992 als Lisa Lasselsberger geboren. Sie wuchs ein paar Jahre bei ihren Grosseltern auf dem Land bei Leoben in der Steiermark auf, bis sie zu ihrer Mutter nach Graz zog. Sie studierte Germanistik und Slawistik in Wien und Paris. Die Österreicherin fing mit Poetry-Slams an, mittlerweile ist sie eine bekannte Kabarettistin im deutschsprachigen Raum. Sie ist regelmässiger Gast in der ARD-Kabarettsendung «Nuhr im Ersten» und tritt mit Soloprogrammen auf. Lisa Eckhart veröffentlichte gerade ihren Debütroman «Omama» und sieht ihre Zukunft mehr als Schriftstellerin als auf der Bühne. Die 27-Jährige lebt in Leipzig.

«Omama», Lisa Eckhart, Paul Zsolnay Verlag

Es geht immer wieder um die Frage: Was darf Kunst, was darf Satire? Sie sagen: «Satire ist böse und unangenehm. Die, denen sie nicht passt, sollen zu Hause bleiben.»
Ich staune immer wieder: Die Leute wissen hysterisch penibel, was ihrem Körper schadet. Man denke nur an Laktoseintoleranz. Diese Leute meiden Milchprodukte und schimpfen nicht auf Kühe. Ich verstehe nicht, weshalb Menschen, die gewisse Allergien haben, was das Wort anbelangt, nicht ebenso eigenverantwortlich meiden, was ihnen Schmerzen bereitet. Stattdessen berufen sie sich auf das Motto: Der Kunde ist König. Was schwierig ist in so einer konsumtollen Welt, wo jeder Kunde ist.

Sie sagen, man solle eher in der Politik schauen, was man sagen kann und darf, und nicht die Kunst noch mehr einschränken. Sind wir zu brav?
Ja, definitiv. Aber auch zu faul. Man gibt sich Mühe in seiner Sittlichkeit, aber man lässt sich absolut gehen, was Ansprüche an Form und Ästhetik betrifft. An dieser Entwicklung arbeiten die Künstler eifrig mit. Da wird nicht von aussen zensiert, da sind schon die Künstler massgebend Mittäter.

Der Künstler auf der Bühne wird nicht von der realen Person getrennt. Aber in der Schauspielerei schon, da wird eine Rolle gespielt. Warum ist das so?
Auch das geht verloren. Mir wurde von Schauspielern schon erzählt, dass sie zunehmend keine unsympathischen Rollen mehr annehmen, weil das Publikum nicht mehr imstande ist zu trennen. Darsteller von Seifenopern werden auf der Strasse angegangen. Man wirft ihnen ihr Verhalten in einer Fernsehserie vor! Verlogenheit ist ja wohl das grosse Handwerk der Kunst. Ehrlichkeit ist ja keine Leistung, das ist absolut anstrengungslos. Die Privatperson hat ja auf der Bühne nichts verloren. Im Idealfall vergessen Sie die Person dahinter. Sobald Sie sich mit ihr identifizieren, ist der Zauber verflogen.

Darin ist ein Publikum schlecht. Es will so viel wie möglich von der echten Person erfahren.
Ja, aber letztlich auch nur, um sich wiederzuerkennen. Das Publikum möchte sich gespiegelt sehen. Die Sache mit dem Spiegelvorhalten – diese Floskel – ist ja der Anspruch ans Kabarett. Das ist aber der grösste Gefallen, den man dem Publikum machen kann und genau deshalb nicht tun sollte.

Ist das auch Ihre Erklärung, warum Sie sagen, auf der Bühne dürfen Sie als Kunstfigur das Wort «Neger» sagen, im privaten Gespräch nicht?
Ich unterscheide auf der Bühne, wann ich es sage und wann nicht. Den Begriff verwende ich an einer Stelle meines Programms, in der es um den Kolonialismus und Sklavenhandel in Amerika geht. Da wird er nicht willkürlich gebraucht. Stumpfe Provokation ist niemals ein Motiv für meine Wortwahl. Wenn sie es auch nicht immer verstehen, können sich die Leute sicher sein, dass ich ganz genau weiss, was ich tue.

Gegen was oder wen würden Sie auf der Bühne nie schiessen?
Themen, die mir zu kurz gehen. Das wären zum einen Menschen, die nicht im Raum sind, zum anderen habe ich gerne würdige Gegner. Da gibt es ganz viele unwürdige. Um die kümmern sich andere. Es ist eine grössere Herausforderung, wenn ich mich mit meinem eigenen Milieu beschäftige, als wenn ich auf Menschen hinunterblicke, mit denen ich wenig gemein habe.

Sie sprachen vorher von Strassenanfeindungen. Erleben Sie das selber auch?
Nein! Im Analogen wurde ich tatsächlich noch nie angefeindet. Da tun die Menschen das, was ich grundsätzlich von ihnen erwarten würde, wenn ihnen etwas nicht gefällt: Sie gehen weiter.

Verstehen Sie aber Heterosexuelle, Schwarze oder Juden, dass sie sich angegriffen fühlen und Ihre Sprüche als grenzüberschreitend empfinden?
Das Schöne war, dass in der «Jüdischen Allgemeinen» auch ein anderer Artikel war; von jemandem der in meinem Programm war. Er fasste sich an den Kopf wegen dem, was da passiert. Ich glaube nicht, dass sich die gesamte jüdische Gemeinde angegriffen fühlt. Anzunehmen, alle Juden seien davon gekränkt gewesen, unterstellt ihnen eine Humorlosigkeit, die schon fast an Antisemitismus grenzt. Es sind ja doch meist Menschen, die sich im Namen anderer empören.

Im «SZ-Magazin» steht, Sie seien nicht minderheitenfeindlich, sondern eher menschenfeindlich.
Steht da wirklich «menschenfeindlich»?

Ja.
Da wollte der Journalist mir wahrscheinlich einen Gefallen tun, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt.

Sie kommen Anfang Oktober in die Schweiz. Was halten Sie denn von den Schweizern?
Nach zwei, drei Auftritten kann ich wenig sagen. Wenn sie schon vier Jahre von meiner Existenz wissen und ich dann zum ersten Mal komme, sind sie naturgemäss ausser Rand und Band. Es ist gar nicht anders möglich, als dass ich da einen guten Eindruck gewinne. Das Schweizer Publikum war durchaus aufgeschlossen gegenüber meinem Vorschlag, sich mit uns, den Österreichern, gemeinsam gegen die Deutschen zu verbünden.

Sie leben in Deutschland. Was hat Corona mit Ihnen gemacht?
Ach! Es hat mich in sehr vielem bestätigt, was immer schon meine Befürchtung war. Mir schien, dass mit dem Lockdown für manche ein feuchter Traum wahr wurde. Jetzt hatten sie endlich ihren Safe Space. Sie konnten tagelang daheim in der digitalen Öffentlichkeit herumbrüllen, nachdem ihnen die analoge immer schon zuwider war. Und die Kirsche des Ganzen: Diesem asozialen Verhalten konnten sie dann noch den Mantel der Menschenfreundlichkeit und Rücksicht überwerfen.

Letzte Frage: Warum leben Sie eigentlich in Leipzig?
Wegen den Rechtsradikalen und der Liebe.

Ich hoffe, das hängt nicht zusammen.
Das sind keine Synonyme.

Sonst hätten Sie den nächsten Shitstorm.
Exakt.

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