Dieses Drama geht ans Herz: Im neuen Kinofilm «Finsteres Glück» wird bei einem Autounfall eine ganze Familie ausgelöscht. Nur der achtjährige Yves (gespielt von Noé Ricklin) überlebt. Eine Psychologin betreut den traumatisierten Jungen im Spital – und legt bald ihre professionelle Distanz ab.
SonntagsBlick sprach bei der Vorpremiere in Bern mit Schriftsteller Lukas Hartmann (72), dem Autor von «Finsteres Glück», und seiner Gattin, Bundesrätin Simonetta Sommaruga (56).
SonntagsBLICK: Was ist das für ein Gefühl, wenn der eigene Roman plötzlich auf der Leinwand lebendig wird?
Lukas Hartmann: Ein sehr spannendes. Mich interessiert natürlich, wie nahe die Figuren meinem inneren Bild kommen. Mir gefällt, dass der Film eng an der Romanvorlage bleibt, die Handlungsstränge sind alle vorhanden. Und Noé Ricklin, der den verwaisten Jungen verkörpert, kommt meinem inneren Bild verblüffend nahe.
Was haben Sie sich anders vorgestellt?
H: Nicht vieles. Von Eliane, der Traumatalogin, hatte ich zuerst eine andere Vorstellung. Sie wird ja verkörpert von Eleni Haupt, der Frau von Regisseur Stefan Haupt. Anfangs war ich da etwas misstrauisch, wenn Regisseure ihre Nächsten in ihren Film integrieren. Aber Fellini oder Bergmann haben das ja auch gemacht. Und Eleni hat mich schlussendlich total überzeugt.
Was ist das Risiko bei einer Roman-Verfilmung?
H: Es besteht immer die Unsicherheit, wie weit meine Ideen auf der Leinwand zu tragen vermögen. 1989 wurde mit «Pestalozzis Berg» ein anderer Roman von mir verfilmt. Da hat ein italienischer Star, der inzwischen verstorbene Gian Maria Volonté, den Pestalozzi gespielt – und ich war absolut unglücklich damit. Er hat ihn so unterkühlt dargestellt, ich hatte mir die Figur ganz anders vorgestellt. Und so kann es natürlich bei jeder Verfilmung gehen.
In «Finsteres Glück» wird bei einem Unfall bis auf einen Jungen eine ganze Familie getötet. Wie kommen Sie eigentlich auf die Ideen zu Ihren Geschichten?
H: Das frage ich mich jeweils auch (lacht). Es ist nie gleich. Ich werde von etwas gepackt und will mehr darüber wissen. In diesem Fall war es eine Notiz in einer Westschweizer Zeitung. Zwei Tage nach der grossen Sonnenfinsternis 1999. Ein Unfall, bei dem eine Familie ausgelöscht wurde – mit Ausnahme eines Kindes. Da habe ich mich gefragt: Wie geht das? Wo war diese Familie überhaupt? Und daraus entstand die Geschichte.
Frau Sommaruga, wie hat Ihnen der Film gefallen?
Simonetta Sommaruga: Ich war zu Tränen gerührt, gleich mehrmals. Die Geschichte berührt mich auch in der Filmfassung sehr.
Was hat Sie besonders beeindruckt?
S: Wie Noé Ricklin die Rolle des kleinen Yves verkörpert. Seine Präsenz ist schier unglaublich und prägt den ganzen Film.
Sie haben den Film im Vorfeld bereits gesehen. Wie ist Ihr Eindruck nach der Kinovorstellung?
S: Ich war einmal mehr verblüfft, wie viel stärker ein Film auf der Kinoleinwand wirkt als auf dem kleinen Bildschirm zu Hause. Deshalb: Gehen wir alle so oft wie möglich ins Kino!
Muss man ähnliche Schicksalsschläge erlebt haben, um eine solche Tragödie glaubhaft schildern zu können, Herr Hartmann?
H: Es ist sicher hilfreich und manchmal auch nötig, mit Leuten zu reden, die Ähnliches erlebt haben. Das habe ich gemacht. Aber der Rest, auch mich in diesen Buben hineinversetzen zu können, ist Einfühlung, mein schriftstellerisches Handwerk.
Sie schreiben auch für Kinder. Hat das die Sensibilität für eine solche Geschichte gefördert?
H: Ich denke schon. Ich besuche ja auch oft Schulen. In der letzten Woche war ich in vier Klassen und habe aus meinem letzten Kinderbuch «Mein Dschinn» vorgelesen. Für mich sind die Reaktionen sehr bereichernd. Die Kinder erzählen von sich aus, und wenn man da die Antennen etwas ausfährt, erfährt man sehr viel über sie und ihren Hintergrund.
Zu einem anderen Thema: Was ist Ihre erste Reaktion auf den Wahlerfolg von Donald Trump?
H: Es ist schrecklich. Einfach unglaublich. Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Alle Meinungsumfragen lagen so weit daneben. Was mich ahnen lässt, dass sich bei den Befragungen viele nicht getraut haben zuzugeben, wirklich Trump zu wählen.
War es nicht naiv, nicht mit Trumps Triumph zu rechnen?
H: Vielleicht naiv, vielleicht verkehren wir auch nicht im richtigen Milieu. Man spürt den Puls enttäuschter Menschen nicht richtig, die sich benachteiligt fühlen. Ich glaube schon, dass man sich gerade im intellektuellen Milieu manchmal in einer Art Glasglocke befindet. Auch deshalb tut mir der Kontakt mit Schulkindern gut, die teilweise eine ganz andere Herkunft haben. Es erweitert meinen Horizont.
Wie tief er sein Publikum berührt, ist ihm kaum bewusst: Noé Ricklin (10) spielt den Vollwaisen Yves mit einer Intensität, die unter die Haut geht. Dass ihm an der Premiere in Bern eine Bundesrätin gratulierte, hat er gar nicht gemerkt: «Mir haben ganz viele Leute die Hand geschüttelt. Anfangs zählte ich, wie viele. Aber dann habe ich es aufgegeben, sonst hätte ich einen Taschenrechner gebraucht.»
Mathe und Geometrie sind Noés Lieblingsfächer, er spielt gern mit Lego und wäre am liebsten bei «Harry Potter» dabei. «Aber momentan könnte ich keine Rolle annehmen. Ich habe es in der Schule recht streng. Der Wechsel in die 4. Klasse war anspruchsvoll!»
Das Schicksal seiner Filmfigur Yves hat ihn weder erschüttert noch traumatisiert. «Ich weiss auch nicht, wie ich das mache. Aber ich kann einfach wechseln. Dann bin ich Yves, nachher wieder Noé.»
Ein wenig Schauspielerfahrung hatte er bereits – durch das Kindertheater Metzenthin in Zürich, wo sein Vater auch das Casting-Inserat entdeckte. «Ich habe ihm keine Hoffnung auf die Rolle gemacht, damit er nicht enttäuscht ist», sagt Patric Ricklin (51).
Der Chorleiter war früher Opernsänger. «Ich wollte ihm einen Einblick in diese Welt geben.» Nun ist er stolz auf seinen Sohn, aber auch er macht wenig Aufhebens um dessen Leistung: «Wir freuen uns. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen.» l Katja Richard
Wie tief er sein Publikum berührt, ist ihm kaum bewusst: Noé Ricklin (10) spielt den Vollwaisen Yves mit einer Intensität, die unter die Haut geht. Dass ihm an der Premiere in Bern eine Bundesrätin gratulierte, hat er gar nicht gemerkt: «Mir haben ganz viele Leute die Hand geschüttelt. Anfangs zählte ich, wie viele. Aber dann habe ich es aufgegeben, sonst hätte ich einen Taschenrechner gebraucht.»
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