Ihre Stimme gehörte zur Schweiz wie Schoggi und Sackmesser: Trudi Gerster (†93) hat mit ihren Märchen Generationen geprägt. «Aber Trudi Gerster war noch viel mehr», sagt Franziska Schläpfer (71). «Sie war einst eine der mutigsten, klugsten und modernsten Frauen unseres Landes.»
Hilfe von der Tochter
Mit «Trudi Gerster: Ein facettenreiches Leben» hat Schläpfer nun die erste Biografie der 2013 verstorbenen Märchenerzählerin veröffentlicht. Geholfen hat ihr dabei Gersters Tochter Esther Jenny (66), die den Nachlass betreut. «Die Arbeit während der letzten eineinhalb Jahre war unglaublich intensiv», sagt Schläpfer. «Vom Bussenzettel für ihren Deux Chevaux über handgeschriebene Notizen, Zeitungsartikel und Kassettli: Meine Mutter hat praktisch alles aufgehoben, was in ihrem Leben auch nur die kleinste Rolle gespielt hat», ergänzt Jenny. Und davon sei im Buch sehr viel berücksichtigt worden. So ist eine Biografie entstanden, die akribisch genau das reiche Schaffen von Trudi Gerster nachzeichnet, aber auch voller Zärtlichkeit die persönlichen Schicksalsschläge der gebürtigen Sankt Gallerin beleuchtet.
Pech in der Liebe
In der Liebe beispielsweise hatte Trudi Gerster nicht so viel Glück, sagt Schläpfer. Sie musste ihre beiden Kinder praktisch alleine grossziehen. «Um so bewundernswerter ist es, wie sie damals dennoch Karriere machte und sich darüber hinaus noch politisch engagierte.» Als eine der ersten Frauen in einem schweizerischen Parlament setzte sich Gerster von 1968 bis 1980 im Grossen Rat von Basel für eine grüne Stadt und Benachteiligte aller Art ein.
Von ihren mit unverkennbarer Stimme vorgetragenen Märchen verkaufte Gerster während Jahrzehnten Millionen Schallplatten, Kassetten und CDs. Sie trat regelmässig im Radio und Fernsehen auf. 1998 wurde sie zur beliebtesten Kulturschaffenden der Schweiz gewählt. «Dass sie allerorts als Märlitante betitelt wurde, gefiel meiner Mutter allerdings überhaupt nicht», erinnert sich Esther Jenny. «Sie sah sich als Künstlerin und Schauspielerin, die ein Märchen mit derselben Leidenschaft vortragen konnte wie ein Stück von Shakespeare.»
Gegen Ende ihres Lebens habe ihre Mutter davon geträumt, noch selber eine Biografie zu schreiben, sagt Jenny. Doch das war ihr nicht vergönnt. «Umso glücklicher bin ich, dass dieser Traum für sie jetzt doch noch in Erfüllung ging.»
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