Neue Serie: Transmenschen in der Schweiz
«Für mich ist Andrea immer noch ein bisschen Andy»

Aus Andreas wurde Andrea – und seine Frau liebt ihn jetzt als Frau. Die Geschichte der Carchauffeurin Andrea (49) und der Coop-Verkäuferin Nelly (54) zeigt, wie viel Normalität heute in Beziehungen von Transgender-Menschen herrscht.
Publiziert: 22.01.2018 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:10 Uhr
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Transfrau Andrea von Aesch ist nach ihrem Coming-out weiterhin glücklich verheiratet mit Ehefrau Nelly.
Foto: PHILIPPE ROSSIER SWITZERLAND
Peter Padrutt (Text), Philippe Rossier (Fotos)

Die Geschichte von Andreas (49), der zu Andrea wurde und von seiner Ehefrau Nelly (54) geherzt wird wie früher, ist berührend. Man spürt, wie unaufgeregt und normal das Leben von Transmenschen im Jahre 2018 sein kann. Die Carchauffeurin, die heute als Frau ihre Passagiere durch die Schweiz befördert, widerlegt die klischeehaften Vorstellungen, dass Transmenschen seltsame sexuelle Vorlieben haben, im Sex-Business arbeiten und exaltiert durch das Leben stöckeln.

Mit diesem Ehepaar sind die Transmenschen in der Schweizer Normalität angekommen. Die beiden sind seit 18 Jahren verheiratet und bewohnen seit drei Jahren ein Stöckli in der 340-Seelengemeinde Biezwil SO. Zuvor lebten sie sechs Jahre – damals noch als Mann und Frau – in Südafrika. Im kleinen Dorf fühlen sie sich akzeptiert. Aber das Buschtelefon sei schon heiss gelaufen, sagt Andrea. «Es gibt gelegentlich auch neugierige Blicke von Passanten in unseren Garten. Man will halt wissen, wie diese Andrea heute aussieht.» 

Nelly brachte vier Kinder mit in die Ehe  – zwei Mädchen und zwei Buben. Sie sind mittlerweile erwachsen und können gut mit der Situation umgehen. Nur die älteste Tochter hatte am Anfang Mühe, keinen Vater mehr zu haben. «Sie riet mir sogar, einen Handaufleger im Emmental aufzusuchen», erzählt Andrea.

Das Paar hatte es immer gut miteinander. «Unsere Beziehung ist intimer und liebevoller geworden», sagt Nelly, die im Coop Pronto in Lyss BE arbeitet, über ihren Gatten, der jetzt ihre Frau ist. «Früher liebte ich Nelly als Mann – heute als Frau», erklärt Andrea. Ihre von Veränderungen geprägte Lebensgeschichte erzählen sie zusammen auch im Dok-Film «Das Geschlecht der Seele – Transmenschen in der Schweiz» (Donnerstag, SRF 1, 20.05 Uhr).

Jeder Vierte möchte Sex mit Farfalla

Eine Transfrau im Bett zu haben, ist für viele Männer keine absurde Vorstellung. Im Gegenteil: Mehr als ein Viertel der User der Datingplattform «C-Date» hätte gerne mal Sex mit einer Frau, die früher ein Mann war. 29 Prozent der Männer haben in einer Umfrage angegeben, sie hätten gerne Sex mit Giuliana Farfalla (Bild, 21). Die langbeinige Blondine zierte die «Playboy»-Titelseite und ist jetzt im RTL-«Dschungelcamp» zu sehen. Geboren wurde sie als Pascal Radermacher, mit 16 fing sie ihre Geschlechtsanpassung an.

Eine Transfrau im Bett zu haben, ist für viele Männer keine absurde Vorstellung. Im Gegenteil: Mehr als ein Viertel der User der Datingplattform «C-Date» hätte gerne mal Sex mit einer Frau, die früher ein Mann war. 29 Prozent der Männer haben in einer Umfrage angegeben, sie hätten gerne Sex mit Giuliana Farfalla (Bild, 21). Die langbeinige Blondine zierte die «Playboy»-Titelseite und ist jetzt im RTL-«Dschungelcamp» zu sehen. Geboren wurde sie als Pascal Radermacher, mit 16 fing sie ihre Geschlechtsanpassung an.

40 Jahre verdrängte Andreas, dass er lieber Andrea wäre

Andrea von Aesch fühlte sich als Bub nie glücklich. «Ich wühlte oft im Kleiderschrank der Mutter, bis mich der Vater eines Tages erwischte und drohte, mich in ein Kinderheim zu stecken.» 

Über vierzig Jahre lang verdrängte Andreas, dass er lieber eine Andrea wäre. Und litt darunter, sich niemandem anvertrauen zu können. «Abends, wenn Nelly schlief, schminkte ich mir die Lippen, spazierte am Waldrand in Frauenkleidern durch die Dunkelheit», erinnert sie sich. Passanten habe sie – ganz anders als das Klischee es will – nie verunsichern oder gar erschrecken wollen. Im Gegenteil: «Ich hatte stets Angst, dass ich jemandem begegne», erklärt Andrea.

«Es gibt für mich kein Zurück mehr »

Dieses Gefühl, auch äusserlich die Frau sein zu können, die sie im Inneren bereits war, habe ihr die Tür in eine neue Welt geöffnet. Doch dann fand Nelly die Frauenkleider, die Andrea damals noch als Mann in einem Schrank in der Garage versteckt hatte. Nelly erzählt: «Nachts im Bett fragte ich sie: Hast du eine Freundin? Kaufst du für sie diese sexy Klamotten?». Andrea ergänzt: «Wir sprachen dann lange zusammen – alles musste auf den Tisch.»

2015 hatte Andrea ihr Outing. Seit zwei Jahren nimmt sie Hormone. Im Sommer ist die geschlechtsangleichende Operation im Zürcher Universitätsspital geplant. «Es gibt für mich kein Zurück mehr», sagt sie.

Livetalk mit Raffaela Zollo

Raffaela Zollo (24) wurde als Bub geboren. Mit 19 fing sie ihre Geschlechtsanpassung an und ist heute mit einer Viertelmillion Fans auf Facebook, 170'000 auf Instagram und 115'000 Abonnenten auf Youtube ein Social-Media-Star. Ihre Kandidatur für die Miss-Schweiz-Wahl 2018 wurde aber abgelehnt. Im Livestream morgen Dienstag ab 17.30 Uhr redet Raffaela Zollo über ihr Leben als Transfrau und beantwortet Fragen von BLICK-Leserinnen und -Lesern. Schicken Sie Ihre Frage heute schon an webTV@ringier.ch

Raffaela Zollo (24) wurde als Bub geboren. Mit 19 fing sie ihre Geschlechtsanpassung an und ist heute mit einer Viertelmillion Fans auf Facebook, 170'000 auf Instagram und 115'000 Abonnenten auf Youtube ein Social-Media-Star. Ihre Kandidatur für die Miss-Schweiz-Wahl 2018 wurde aber abgelehnt. Im Livestream morgen Dienstag ab 17.30 Uhr redet Raffaela Zollo über ihr Leben als Transfrau und beantwortet Fragen von BLICK-Leserinnen und -Lesern. Schicken Sie Ihre Frage heute schon an webTV@ringier.ch

«Muss ich jetzt lesbisch werden?»

Viele Fragen gingen Nelly seither durch den Kopf. Zum Beispiel: «Muss ich jetzt lesbisch werden?» Vielleicht sei ihre Beziehung nicht so sehr sexuell geprägt. Tief sei sie auf jeden Fall. Dann macht sie eine Pause, sagt: «Aber manchmal wäre ich froh, die Umwandlung ginge etwas langsamer. Für mich ist sie halt immer noch ein bisschen der Andy.» Andrea wiederum geniesst es, seine Nelly auch heute noch in die Arme nehmen zu können – ganz ohne Angst. «Ich liebe ihr Wesen, ihr Lachen noch immer.» 

Zum Glück konnte Andrea ihren Job behalten, den sie bereits vor dem Coming-out hatte: Sie ist leidenschaftliche Carchauffeurin. «Mein Chef Marco Imperiali hat mich im Willen, auch äusserlich eine Frau zu werden, unterstützt», sagt sie stolz. Auch die Reaktionen der Fahrgäste seien eigentlich immer gut. Nur einmal habe jemand gefragt: «Sass eigentlich vor einem Jahr dein Bruder am Steuer?» Sie habe die Stimmlage nach unten geschraubt und mit einem grossen Lachen gesagt. «Nein, das war ich!»

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