Wer aktuell auf den Konzertkalender schaut, fühlt sich zuweilen wie in einer Zeitmaschine. Buddy Holly, Roy Orbison, Ronnie James Dio, Frank Zappa oder Whitney Houston touren durch die Lande, obwohl sie das Zeitliche schon mehr oder weniger lange gesegnet haben. Doch die verstorbenen Stars sind nicht etwa als Zombies unterwegs – böse Zungen sagen, dass noch lebende Bands das bereits zur Genüge abdecken. Nein, die Superstars von gestern begeistern das Publikum von heute als Hologramme, als möglichst lebensnahe 3D-Animationen.
Während eine Live-Band – oft mit Originalmusikern – den Soundteppich legt, rocken die Verblichenen als Lichtbilder über die Bühne. Und das durchaus mit Erfolg: Hologramm-Gigs füllen immer grössere Hallen, und bereits werden Namen ins Feld geführt, die man als Avatare auch gern noch einmal auf der Bühne erleben möchte. Janis Joplin, Freddie Mercury, Michael Jackson, Prince, die Beatles, Nirvana oder Motörhead mit Lemmy Kilmister gelten als aussichtsreichste Kandidaten für eine digitale Auferstehung. Denn eines ist klar: Lebendiger werden diese grossen Namen der vergangenen Jahrzehnte nicht, und das Bedürfnis nach der guten alten Zeit ist auch unter Musikfans enorm. Das beweisen nicht zuletzt die vielen erfolgreichen «Abschiedstourneen» von grossen Bands. Und spätestens seit die schwedischen Superstars Abba ankündigten, ihr Comeback in Form von Avataren zu geben, ist allen im Business klar, wohin die Reise geht.
Hologramm-Gigs seien seelenlos
«Persönlich weiss ich nicht recht, was ich damit anfangen soll», sagt jedoch Stefan Matthey von der Konzertagentur Good News. Aber: «Als Veranstalter werden wir nicht darum herumkommen, uns mit dem Thema Hologramm-Touren zu beschäftigen.» Er selbst hatte das Angebot, die Tour mit der digitalen Version der Heavy-Metal-Legende Ronnie James Dio («Holy Diver») in der Schweiz zu veranstalten. Doch am Ende sah Matthey davon ab. Nicht zuletzt deshalb, weil er nicht genau wusste, worauf er sich da einlassen würde. «Ich kenne bloss Aufnahmen von Youtube. Ich muss mir ein solches Konzert aber zuerst persönlich ansehen, um mir ein Urteil bilden zu können.»
Hologramme sind nichts anderes als gebündeltes Licht Tatsächlich klingen rockende Hologramme für viele nach Science-Fiction. Doch die Ursprünge der Technik reichen bis ins vorletzte Jahrhundert zurück. Die Grundlage für Avatar-Konzerte bildet ein alter visueller Trick namens «Pepper’s Ghost». Dabei nutzte man ursprünglich Spiegel und einen bestimmten Beleuchtungswinkel, um Dreidimensionalität einer Projektion zu erzeugen. Inzwischen werden meistens spiegelnde Metallflächen verwendet. Letzten Endes sind Hologramme also nichts anderes als gebündeltes Licht – und somit eine 3D-Variante eines Fotos.
Dass sich davon nicht alle gleich begeistern lassen, liegt auf der Hand. Der Vorwurf, Hologramm-Gigs seien seelenlos und künstlich, hält sich hartnäckig.
Selbst von Veranstalterseite gibt es kritische Stimmen. Ihm sei das Hologrammformat «aktuell zu wenig emotional umgesetzt», sagt Thomas Dürr von Act Entertainment. «Die Wärme eines echten Konzerts fehlt mir deutlich.» Der Chef jener Agentur, die letztes Jahr das Hologramm-Konzert von Maria Callas in Basel veranstaltete, will deshalb vorerst keine solchen Gigs mehr durchführen: «Wir haben das aktuell nicht weiter vorgesehen.»
Fans werfen Witwe von Ronnie James Dio Abzocke vor
Allerdings macht die Technik laufend Fortschritte. Seit den Anfängen, als der digitale Tupac Shakur auf dem Coachella-Festival 2012 auf der Bühne rappte oder Michael Jackson an den Billboard Music Awards 2014 über die Bühne moonwalkte, ist einiges passiert. Heute arbeitet Dio-Witwe Wendy mit einem Studio, das auch Effekte für «Star Wars» programmiert, an der technischen Weiterentwicklung. So will sie dafür sorgen, dass der Avatar ihres verstorbenen Gatten noch lebensechter wird.
Vor Kritik aus dem Fanlager schützt sie das nicht. Im Gegenteil: Metal-Fans, bekannt sowohl für ihre Loyalität wie auch für ihr Misstrauen gegenüber der Kommerzialisierung ihrer Helden, werfen Wendy Dio vor, dem Vermächtnis des Sängers durch Hologramm-Touren zu schaden und Geldmacherei zu betreiben. Die Witwe rechtfertigt sich damit, dass allein der Dio-Auftritt in Wacken 2016 zwei Millionen Dollar gekostet habe und mitnichten ein gutes Geschäft gewesen sei. Ausserdem habe ihr Mann für seine Shows schon immer auf Spezialeffekte gesetzt. «Ronnie wollte bereits 1986 mit Avataren arbeiten, er war besessen von Disneyland und den Hologrammen dort. Ich glaube, er würde dieser Tour seinen Segen geben», so die Managerin in einem Interview mit «Classic Rock».
Im März können sich Schweizer Fans ein eigenes Bild machen
Ob Hologramm-Gigs ein Dienst am Fan oder clevere Abzocke sind, muss jeder für sich entscheiden. Unbestritten ist, dass das Bedürfnis wächst. Nostalgie war schon immer ein gutes Geschäft (siehe Box links), doch den toten Stars spielt derzeit auch die Schwäche der Musiklandschaft in die Karten. «Ein guter Song ist die Basis unseres Geschäfts. Ich sehe aktuell nur wenige, die mit der Qualität der Stars von früher mithalten können», sagt Stefan Matthey. Mit anderen Worten: Wäre die Musik von Ed Sheeran und Co. nicht so austauschbar, würde sich auch kaum jemand für singende Hologramme interessieren.
Whitney Houston jedoch hat tolle Songs en masse in ihrem Repertoire. Auch deshalb hat sich Veranstalter ABC entschieden, die 2012 verstorbene US-Diva am 19. März als Hologramm in der Zürcher Samsung Hall auftreten zu lassen. «Whitney ist zwar nicht mehr bei uns. Aber ihre Musik wird es für immer sein», lässt sich Pat Houston, Whitneys einstiger Manager, in der Konzertankündigung zitieren. «Ich bin sicher, dass es die richtige Entscheidung war, Whitney als Hologramm zurück auf die Bühnen zu bringen.» Ob das die Fans auch so sehen, wird sich zeigen. Schon jetzt ist aber sicher: Tote Stars stehen auch auf Schweizer Bühnen vor einer rosigen Zukunft.
Der Tod ist im Showbusiness kein Grund zum Lichterlöschen. Seit Jahren dominieren verstorbene Stars die Hitparade der meistverdienenden Berühmtheiten. Der «King of Pop», Michael Jackson (starb 2009), setzte mit Rechten und Albumverkäufen 2018 mehrere Hundert Millionen Dollar um. Auch Reggae-Legende Bob Marley (starb 1981) und Rock-'n'-Roll-Ikone Elvis Presley (1977 verstorben) sind Cash Cows für ihre Hinterbliebenen und Plattenfirmen.
Neben Musikverkäufen und Streaming-Einnahmen wird vor allem auch mit Merchandising oder gebrandeten Produkten (bei Bob Marley etwa Kopfhörer und Plattenspieler) Geld verdient. Zu den lukrativsten toten Stars zählen auch Freddie Mercury, Prince oder die beiden Ex-Beatles John Lennon und George Harrison. Alles Namen, die für Hologramm-Touren hoch gehandelt werden.
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