Weil die Plattform Corona-verharmlosende Podcasts anbietet
Aufstand der Superstars gegen Spotify

Spotify bietet eine breite Auswahl an Musik und Podcasts. Dass auf der Plattform auch Inhalte zu finden sind, die die Corona-Pandemie verharmlosen, löst nun einen Sturm der Entrüstung bei Prominenten aus.
Publiziert: 30.01.2022 um 16:40 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2022 um 16:41 Uhr
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Neil Young ist verärgert. Er liess alle seine Musik von Spotify entfernen.
Foto: keystone-sda.ch

Zwei Musik-Weltstars bäumen sich auf gegen «Lügen» und «unbelegte Verschwörungstheorien»: Nach Neil Young (76, «Heart of Gold») will auch seine Kollegin und Freundin Joni Mitchell (78, «Big Yellow Taxi») in einem Akt der Solidarität ihre Musik vom Streamingdienst Spotify abziehen. Beide protestieren damit gegen einen von zahlreichen Wissenschaftlern als verharmlosend kritisierten Corona-Podcast.

«Ich habe beschlossen, meine gesamte Musik bei Spotify zu entfernen», schrieb Mitchell auf ihrer Website. «Verantwortungslose Menschen verbreiten Lügen, die Menschen das Leben kosten.» Sie sei in dieser Sache solidarisch mit Neil Young und den globalen wissenschaftlichen und medizinischen Gemeinschaften.

Young wirft Spotify vor, Falschinformationen über Corona zu verbreiten

Musikstar Young hatte Spotify vorgeworfen, etwa in Podcasts Falschinformationen über Coronavirus-Impfstoffe zu verbreiten. Auf einer Plattform, die solche Fehlinformationen enthalte und verbreite, wolle er nicht präsent sein - daraufhin hatte der Streamingdienst die Musik des Kanadiers vorerst aus dem Programm genommen.

Er fühle sich nun besser, schrieb der 76-Jährige daraufhin. «Private Unternehmen haben das Recht, das zu wählen, wovon sie profitieren - genauso wie ich mich dafür entscheiden kann, mit meiner Musik keine Plattform zu unterstützen, die schädliche Informationen verbreitet», schrieb er. Er sei glücklich und stolz, sich an die Seite der Mitarbeiter des Gesundheitswesens zu stellen, die jeden Tag ihr Leben riskierten, um anderen zu helfen.

Spotify will «Gleichgewicht» zwischen Sicherheit und Freiheit

Spotify wolle seinen Nutzern alle Musik- und Audioinhalte zugänglich machen, hiess es in einem Statement des schwedischen Streaming-Riesen. «Das bringt eine grosse Verantwortung mit sich, wenn es darum geht, ein Gleichgewicht zwischen der Sicherheit für die Hörer und der Freiheit für die Urheber zu schaffen.»

Das Unternehmen habe umfassende Inhaltsrichtlinien und seit Beginn der Pandemie mehr als 20'000 Podcast-Episoden mit Bezug auf Corona aus dem Angebot entfernt. «Wir bedauern Neils Entscheidung, seine Musik von Spotify zu entfernen, hoffen aber, ihn bald wieder begrüssen zu können.» Young erklärte, Spotify mache etwa 60 Prozent seiner weltweit gestreamten Musik aus - die Entscheidung bedeute also einen grossen Verlust für seine Plattenfirma.

Der Stein des Anstosses: US-Moderator Joe Rogan und sein Podcast

In einem offenen Brief, der später von der Homepage verschwand, hatte Young seine Kritik gegen den äusserst populären Podcast des US-Moderators Joe Rogan (54) gerichtet: «Sie können Rogan oder Young haben. Nicht beide.» Schon Mitte Januar hatten zahlreiche Mediziner und Wissenschaftler Spotify in einem offenen Brief vorgeworfen, mit Rogans Podcast «unbelegte Verschwörungstheorien» und Falschinformationen zu verbreiten.

Rogan kommentierte das Geschehen bislang nicht. Der 54-Jährige wurde als Schauspieler und Comedian bekannt und moderiert seit 2009 den Podcast «The Joe Rogan Experience». Derzeit ist es der meistgehörte Podcast auf Spotify, bei dem Rogan immer wieder mit kontroversen und umstrittenen Aussagen für Schlagzeilen sorgt. Rogan stand bereits in der Kritik wegen beleidigender Kommentare zu Trans-Menschen und weil er in seiner Sendung auch extreme Vertreter des rechten Rands einlud.

Young und Mitchell erkrankten beide an Polio

Young und Mitchell stammen beide aus Kanada, sind seit Jahrzehnten weltweit erfolgreich und eng befreundet. Und beide verbindet noch etwas: In den 50er Jahren erkrankten sie an Kinderlähmung. So musste Mitchell für ihre Virtuosität an der Gitarre hart trainieren und eine besondere Technik entwickeln, weil sie durch die Erkrankung eine Lähmung der linken Hand erlitten hatte.

Die britische Ärztin und Autorin Rachel Clarke schrieb bei Twitter: «Sowohl Neil Young als auch Joni Mitchell erkrankten als Kinder an Polio. Sie haben schmerzlich erfahren müssen, wie viel Schaden, Leid und vermeidbaren Tod Impfgegner anrichten können.»

Prominente Unterstützung gesucht - und gefunden

Schon vergangenen Woche schrieb Young auf seiner Webseite, er hoffe, dass andere Künstler und Plattenlabel seinem Beispiel folgen, um die Verbreitung «lebensbedrohlicher Fehlinformationen» über das Virus zu stoppen. Mitchell ist nun die erste, die seinem Beispiel folgt - aber auch andere bekundeten ihre Unterstützung. «Das macht mich stolz auf ihn», kommentierte Youngs Kollege David Crosby (80). Und der Satiriker Jan Böhmermann (40) twitterte: «Neil Young hat recht.»

Schmusesänger James Blunt (47) ist sich offenbar im Klaren darüber, dass seine Musik den ein oder anderen eher nervt als begeistert: Wenn Spotify Joe Rogan nicht sofort entferne, werde er neue Musik auf der Plattform veröffentlichen, drohte Blunt im Spass.

Sogar Herzogin Meghan und Prinz Harry beschäftigen sich mit dem Thema

Auch Prinz Harry (37) und Herzogin Meghan (40) haben sich mittlerweile mit einem Statement ihrer Organisation Archewell an die Öffentlichkeit gewandt. Eigentlich haben die beiden seit Ende 2020 einen Deal mit dem Streaming-Giganten, um einen Podcast zu produzieren. Erschienen ist bis heute nichts.

«Seit der Gründung von Archewell haben wir daran gearbeitet, die globale Fehlinformationskrise in Echtzeit anzugehen», schreibt ein Sprecher in einer Mitteilung. «Hunderte Millionen Menschen sind täglich von den ernsthaften Schäden durch Fehl- und Desinformationen betroffen.»

Zusammenarbeit wird fortgeführt

Die beiden wüssten schon länger über die Problematik Bescheid: «Im vergangenen April begannen unsere Mitbegründer, unseren Partnern bei Spotify Bedenken hinsichtlich der Folgen von Covid-Fehlinformationen auf der Plattform zu äussern. Wir haben Spotify gegenüber weiterhin unsere Bedenken zum Ausdruck gebracht, um sicherzustellen, dass Änderungen an der Plattform vorgenommen werden, um zur Bewältigung dieser weltweiten Gesundheits-Krise beizutragen.» Die Zusammenarbeit mit dem Streamingdienst werde aber weiterhin fortgeführt. (sda/imh)

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