Vor diesem Urteil hatte die deutsche Rap-Community gezittert: Gestern Montag entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Sitz in Luxemburg über den nunmehr 22 Jahre (!) dauernden Streit zwischen der Kultband Kraftwerk und dem Hip-Hop-Produzenten Moses Pelham (48). Die Techno-Pioniere hatten gegen Pelham geklagt, weil er in seinem von Sabrina Setlur (45) gesungenen Track «Nur mir» aus dem Jahre 1997 eine zwei Sekunden lange Sequenz aus dem Kraftwerk-Stück «Metall auf Metall» verwendet hatte.
Konkret ging es also um die entscheidende Frage: Verstösst die im Hip-Hop weitverbreitete Sampling-Technik gegen das Urheber- und Lizenzrecht, und ist Hip-Hop im Kern ein illegales Gebastel von Dieben geistigen Eigentums?
Klagenflut hätte gedroht
Der Entscheid in Luxemburg fällt im Grundsatz zugunsten von Pelham aus, die obersten EU-Richter retten also den Rap. Zwar stelle Sampling einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerproduzenten dar, wenn es ohne dessen Zustimmung erfolge, sagen die Richter. Die Nutzung eines Audio-Fragments in geänderter, beim Hören nicht wiedererkennbarer Form, sei jedoch auch ohne Zustimmung kein Rechtsverstoss.
Hätten die Richter zugunsten von Kraftwerk entschieden, hätte dies eine europaweite Flut von Millionenklagen gegen Rap-Produzenten ausgelöst. Das Rap-Genre ist ohne die Sampling-Technik nicht denkbar, sie macht einen bedeutenden Teil seines Reizes aus.
James Brown als Liebling der Sampler
Als meistgesampelter Musiker überhaupt wird oft Soul-König James Brown (1933–2006) genannt, als Sampling-Begründer gilt Hip-Hop-Pionier Afrika Bambaataa (62), der seit Ende 1970 tätig ist. Szenegrössen wie Run DMC, Beastie Boys oder Public Enemy verfeinerten die Technik in den goldenen 1980er-Jahren. Anfang der 1990er-Jahre wurden Rap und Sampling auch in Europa ein ernst zu nehmendes Thema.
1998 fand die erste Verhandlung zwischen Kraftwerk und Pelham statt, 2004 wurde das erste Urteil gesprochen. Im Jahr 2016 entschied das deutsche Bundesverfassungsgericht den Fall Kraftwerk vs. Pelham bereits im Sinne der Kunstfreiheit, der gestrige Richterspruch stützt nun die Vorinstanz.