Entspannt sitzen Vater und Sohn zusammen auf dem Sofa. Der blinde Opernstar Andrea Bocelli (64) trägt eine Sonnenbrille, er spricht Italienisch. Matteo Bocelli (24) beantwortet die Fragen von SonntagsBlick über ihr gemeinsames Weihnachtsalbum «A Family Christmas» auf Englisch. Während des Interviews berühren sie sich immer wieder an den Händen.
Herr Bocelli, haben Sie die Weihnachtsgeschenke für dieses Jahr schon gekauft?
Andrea Bocelli: Noch nicht. Shopping gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Ich finde das langweilig. Die Dinge, die mir gefallen oder die ich für meinen Alltag gebrauche, kaufe ich meist online ein. Ans letzte Geschenk meiner Kinder erinnere ich mich aber noch gut, ein wunderbarer Kopfhörer.
Wie kamen Sie auf die Idee, eine Weihnachtsplatte mit der Familie aufzunehmen?
Andrea Bocelli: Die Idee stammt von meiner Plattenfirma. Ich fand aber sofort Gefallen daran. All diese Lieder sind voller Emotionen, voller Wärme und Liebe. Sie mit der Familie zu singen, ist das, was wir ohnehin immer an Weihnachten machen. Das ist das schönste Geschenk, das wir uns gegenseitig machen.
Matteo Bocelli: Diese Lieder sind ja auch eine Botschaft. Die Familie ist das Kernstück unserer Gesellschaft sein. In der Weihnachtszeit sollte man sich dessen besonders bewusst sein.
Ihre zehnjährige Tochter Virginia Bocelli singt ebenfalls mit. Aber warum fehlt Ihr ältester Sohn Amos?
Andrea Bocelli: Er wäre eigentlich das musikalischste Mitglied unserer Familie, er ist ein hervorragender Pianist, hat einen Abschluss der Künste. Aber ihn drängt es nicht ins Scheinwerferlicht. Die kleine Virginia hingegen steht sehr gerne im Mittelpunkt (lacht).
Sie gehören seit Jahrzehnten zu den grössten Opernstars überhaupt. Hatten Sie je einen Plan B zur Musik?
Andrea Bocelli: Ich habe ursprünglich Jura studiert, wollte Anwalt werden. Dass ich meine Familie einmal dank der Musik ernähren könnte, war reine Zockerei mit nur geringer Gewinnchance. Trotzdem bin ich das Risiko eingegangen. Und wurde reich belohnt dafür.
Matteo plant ebenfalls eine Karriere als Sänger. Keine Sorge um seine Zukunft?
Andrea Bocelli: Zugegeben, ich war zu Beginn wenig begeistert, als ich von seinen Plänen hörte. Anderseits ist mir auch bewusst, dass man den Träumen der Kinder nicht im Weg stehen darf. Jetzt unterstütze ich ihn, so gut ich kann, bei seinem ersten Album.
Wie war es für Sie als Kind, Matteo, mit einem berühmten Vater aufzuwachsen?
Matteo Bocelli: Obwohl ich kein anderes Leben kannte, war es tatsächlich nicht immer einfach. Vater war sehr oft und sehr lange weg. War er denn mal physisch präsent, war er sehr beschützerisch. Wir wuchsen wie in einer Blase auf.
Andrea Bocelli: Ich litt sehr darunter, von den Kindern getrennt zu sein, gerade als sie noch jünger waren. Ich hatte immer wahnsinnige Sehnsucht nach ihnen. Mich plagte aber auch das schlechte Gewissen. Kehrte ich von meinen Tourneen nach Hause, waren sie jeweils wie ausgehungert und verschlangen jede Form von Aufmerksamkeit, die sie von mir bekommen konnten.
Sie traten rund um die Welt auf. Worauf sind Sie am meisten stolz?
Andrea Bocelli: Es geht nicht darum, wo ich überall war oder mit wem ich schon die Bühne geteilt habe. Das Wichtigste war mir immer nur die Aufmerksamkeit der Fans. Das ist der Grund, weshalb ich noch heute so oft ins Flugzeug steige.
Sie sangen 2010 bei der Eröffnung der Fussball-WM in Südafrika. Würden Sie auch an der WM in Katar auftreten?
Andrea Bocelli: Ich habe mir das nicht überlegt. Aber ich denke, warum nicht? Es gibt eigentlich keinen Ort auf dieser Welt, den ich nicht besuchen würde. Natürlich sind die Umstände überall unterschiedlich, aber jeder Mensch benötigt Musik im Leben. Musik verbindet die Menschen, sie kann heilen, ist Balsam für die Seele. Musik kann Frieden bringen.
Sie werden nächstes Jahr 65. Wie lange, denken Sie, können Sie noch auf diesem hohen Level singen?
Andrea Bocelli: Das hängt von Gottes Gnade ab. Ich kann aber einen kleinen Beitrag leisten, indem ich mich gesund ernähre, viel schlafe, nicht rauche und nicht trinke. Und ich mache natürlich täglich meine Gesangsübungen. Man darf nie aufhören, sich zu verbessern. Darf ich dazu eine lustige Anekdote von Luciano Pavarotti erzählen?
Natürlich.
Andrea Bocelli: Als Pavarotti ein noch junger Tenor war, besuchte er ein Konzert von Beniamino Gigli. Nach dem Konzert wurde er ihm hinter der Bühne vorgestellt. Pavarotti fragte Gigli: «Maestro, wie lange haben Sie studiert, um dieses Niveau zu erreichen?» Gigli antwortete: «Fünf Minuten vor diesem letzten Auftritt habe ich damit aufgehört. Aber schon morgen werde ich wieder weitermachen.» Gigli hat also nie aufgehört, sich zu verbessern. Und genau das versuche ich auch.
Andrea Bocelli (64) kam mit einer Sehbehinderung zur Welt. Zunächst sang er hauptsächlich Pop, ab den 90er-Jahren veröffentlicht er Klassik-Alben, die sich über 85 Millionen Mal verkauften. Er gilt deshalb als weltweit erfolgreichster Tenor. Aus seiner ersten Ehe hat er zwei Söhne, Amos (27) und Matteo (25). Seit 2014 ist Bocelli mit Veronica Berti (38) verheiratet, mit der er Tochter Virginia (10) hat.
Andrea Bocelli (64) kam mit einer Sehbehinderung zur Welt. Zunächst sang er hauptsächlich Pop, ab den 90er-Jahren veröffentlicht er Klassik-Alben, die sich über 85 Millionen Mal verkauften. Er gilt deshalb als weltweit erfolgreichster Tenor. Aus seiner ersten Ehe hat er zwei Söhne, Amos (27) und Matteo (25). Seit 2014 ist Bocelli mit Veronica Berti (38) verheiratet, mit der er Tochter Virginia (10) hat.
Was kommt nach der Zeit als Sänger?
Andrea Bocelli: Wenn ich mal nicht Rückenweh habe wie jetzt gerade, trifft man mich meist auf einem Pferd an. Das ist meine grösste Leidenschaft. Ich werde also öfter reiten gehen können. Ich spiele aber auch gerne Schach. Und ich liebe das Meer. Das Leben ist ein Geschenk, jeder Tag offeriert uns unzählige Möglichkeiten, die Welt zu erforschen und neue Erfahrungen zu machen. Was für eine Schande, wenn man nur schon eine Minute ungenutzt verstreichen lässt.
Verraten Sie uns noch, wie Sie dieses Jahr Weihnachten feiern werden?
Andrea Bocelli: Wie immer sehr traditionell zu Hause mit der Familie. Der wichtigste Moment an diesem schönsten Fest des Jahres ist für mich jeweils der Gang in die Kirche. Das weckt in mir die wunderbarsten Kindheitserinnerungen. Ich bin ein Mensch, der sich gerne erinnert. Erinnerungen sind wie ein grosser Schatz.