Nick Cave bringt sein neues Album «Ghosteen» an den Start
Tieftraurig und tröstlich zugleich

Nick Caves neues Album «Ghosteen» ist tieftraurig und tröstlich zugleich – und so bewegend, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen.
Publiziert: 07.10.2019 um 09:31 Uhr
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Das neue Album von Nick Cave stellt einem bereits beim ersten Song die Nackenhaare auf. Im guten Sinne.
Silvia Tschui

Wer Mitte der 1980er-Jahre in der Berliner Besetzerszene unterwegs war, ist vielleicht über eine der aussergewöhnlichsten Darbietungen gestolpert, die er je in seinem Leben gesehen hat: Ein spindeldürrer, bleicher Junkie mit wirrem schwarzem Haar, der sich die Seele aus dem Leib schreit, knurrt, spuckt, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen. Im guten Sinne. Dass der junge Australier Nick Cave ein Ausnahmetalent ist, ist dann schon klar. 

Gut vierzig Jahre später ist Cave (62) längst als eine der musikalischen Grössen unserer Zeit etabliert. Zum einen liegt das wohl am einzigartigen Timbre von Caves Bariton, der noch dem allertrivialsten Reim tiefste Bedeutung einhauchen könnte. 

Ein Duett mit Kylie Minogue bringt Cave 1996 Weltruhm

Mit Trivialem hat sich Cave aber nie abgegeben – sogar wenn er ein Duett mit der Plastikpop-Prinzessin ihrer Zeit singt. Kylie Minogue (51) inszenierte er 1996 in «Where the Wild Roses Grow» kunstvoll als Mordopfer eines obsessiven Liebhabers. Auch die Texte des begnadeten Lyrikers sind Kunst, in seinen Songs erzählt er brachiale Geschichten voller Zynismus, Wut, Rache und Hadern mit Gott.

Die Wut ist längst verraucht. Die Intensität und die poetische Kraft bleiben – und wie jeder Psychologe predigt, sind Reaktionen von Zynismus, Wut und Zorn oftmals der eigentlichen Emotion, der Trauer, vorgelagert.

Trauer ist denn auch die vorherrschende Emotion auf «Ghosteen», ein Name, der übrigens einen kleinen, irrwichtigen Geist bezeichnen soll. Unfassbare Trauer beherrscht Cave auch persönlich, seit sein Teenage-Sohn 2015 in Brighton (GB) von einer Klippe stürzte und starb. 

Trauer verbindet uns alle – und darin findet Cave Trost

Auf seiner Webseite «theredhandfiles» antwortet der Religionskritiker Cave seither auf Fragen von Fans – in einer poetischen, wortgewaltigen und tröstlichen Art und Weise. Das Album «Ghosteen» scheint wie eine Fortführung dieses Dialogs. Cave schafft es, uns gleichzeitig existenzielle Verzweiflung vor Augen zu führen und Trost zu bieten, indem er Antworten auf existenzielle Fragen findet. Etwa darauf, wie man in einer Welt ohne Gott leben soll (indem man etwa das Göttliche in sich selbst und in anderen findet).

Nick Cave

Nick Cave (62) ist Sänger, Musiker, Lyriker, Filmemacher, Schaupieler und Romanautor. Seine Arbeiten wurden mit unzähligen Awards und Preisen ausgezeichnet. Nach jahrelangem Wirken als  «alternativ« angesehener Künstler, gelang ihm mit dem Duett «Where the wild Roses grow» mit Kylie Minogue 1996 der internationale grosse Durchbruch. Er zog nach dem Tod seines Sohns mit seiner Familie nach Los Angeles. 

Nick Cave (62) ist Sänger, Musiker, Lyriker, Filmemacher, Schaupieler und Romanautor. Seine Arbeiten wurden mit unzähligen Awards und Preisen ausgezeichnet. Nach jahrelangem Wirken als  «alternativ« angesehener Künstler, gelang ihm mit dem Duett «Where the wild Roses grow» mit Kylie Minogue 1996 der internationale grosse Durchbruch. Er zog nach dem Tod seines Sohns mit seiner Familie nach Los Angeles. 

Dass Cave angesichts einer solchen existenziellen Tragödie ein solch versöhnliches Album herausgibt, erscheint nicht nur als künstlerische, sondern auch als persönliche Höchstleistung – und es stellt einem bereits beim ersten Song die Nackenhaare auf. Im guten Sinne. 

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