Marc Sway (41) über die Mohrenkopf-Debatte
«Bei Erfolg wird die Hautfarbe nebensächlich»

Er gehört zu den bekanntesten Sängern der Schweiz. Jetzt äussert sich Marc Sway (41) erstmals über Rassismus und Vorurteile. Und er sagt, was er von Christoph Blocher und der Mohrenkopf-Debatte hält.
Publiziert: 05.07.2020 um 23:46 Uhr
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Marc Sway ist einer der bekanntesten Popstars der Schweiz.
Foto: Valeriano Di Domenico
Dominik Hug

Er hat eine der besten Stimmen der Schweiz: Marc Sway (41) spricht im Interview mit BLICK erstmals über seine Erfahrungen mit Rassismus. Und er sagt, was er von alt Bundesrat Christoph Blocher (79) denkt, der dunkelhäutige Menschen immer noch als Neger bezeichnet.

BLICK: Ein Plakat von Ihnen sorgt derzeit mächtig für Aufsehen. Was steckt dahinter?
Marc Sway: Wie viele andere ging auch ich während der Corona-Quarantäne alte Fotos durch. Plötzlich fand ich dieses Bild von 1983. Einerseits war ich schockiert über die Zigarette in meinem Mund. Anderseits auch erstaunt, wie sich die Gesellschaft seither verändert hat. Ein Kind mit einer Zigi ist ja heute ein Unding.

Das blonde Kind auf dem Bild sind tatsächlich Sie?
Ja. Ich sehe aus wie ein kleiner Skandinavier (lacht). Und heute, 37 Jahre später, habe ich einen dunklen Teint und krauses Haar. Ich bin aber noch immer derselbe Mensch. Das sagt doch eigentlich alles über das Thema Hautfarbe aus.

Warum wählten Sie das Foto für das Cover Ihrer neuen Single «Es chunnt eso wies chunnt»?
Um einen Denkanstoss zu geben. Die Gesellschaft kann sich in eine gute Richtung entwickeln. Aber das kommt nicht von selbst. Es ist nicht einfach «Everything's Gonna Be Alright», wie Bob Marley es singt. Für Veränderung muss man etwas tun. Unternimmt man nichts, wird sich nichts verändern.

Die Welt macht nicht nur wegen der Corona-Pandemie Veränderungen durch, auch die «Black Lives Matter»-Bewegung verändert einiges.
Zum Glück! Andererseits gab es schon vor Jahrzehnten Bürgerrechtsbewegungen. Dennoch sind wir noch immer nicht da, wo wir sein sollten. Das ist frustrierend. Und deshalb verstehe ich auch die Wut, die viele verspüren.

Warum fällt uns Veränderung so schwer?
Weil wir sicheres Terrain verlassen müssen. Und davor scheuen wir uns. Dabei ist Veränderung doch meistens positiv. Nicht alles, woran wir uns aus Gewohnheit oder Traditionsgründen festhalten, ist gut. Man denke nur an die Mohrenkopf-Debatte kürzlich.

Christoph Blocher setzte sich noch vergangene Woche dafür ein, am Wort Mohrenkopf festzuhalten.
Das zeugt nicht nur von Sturheit, sondern auch von mangelnder Empathie und einer gewissen Engstirnigkeit. Mein Gott, es geht um den Namen eines Stücks Schokolade. Es verlangt kein Mensch, dass deswegen die ganze Geschichte unseres Landes neu geschrieben werden muss. Diese Debatte ist derart absurd. Aber sie passt irgendwie auch ein bisschen zur Schweiz.

Wie meinen Sie das?
Wir zeigen doch noch heute gerne auf unseren grossen Nachbarn im Norden und sagen: Dort drüben war es noch viel schlimmer als bei uns. Und damit reden wir uns selber schöner, als wir sind. Schweizer sind nicht gut darin, sich unangenehmen Dingen zu stellen. Deswegen sind die meisten von uns auch so reserviert. Und deshalb halten wir gerne an Traditionen fest, selbst wenn diese längst überholt oder politisch nicht mehr korrekt sind.

Wie baut man Vorurteile ab?
Indem man sich konstant hinterfragt. Das sehe ich an mir selber. Kürzlich war ich auf einer Autobahnraststätte, da fuhr ein Aston Martin auf den Behindertenparkplatz vor mir. Ich dachte, was für ein Vollidiot-Bonze, der hat doch bloss Angst, dass jemand sein schönes Auto zerkratzt, deshalb stellt er sein Auto auf den grössten Parkplatz!

Und dann?
Dann öffnete sich die Türe, eine Frau nahm den Rollstuhl heraus. Mein erster Eindruck war also völlig falsch. Es liegt in unserer Natur, schnell Vorurteile zu fällen. Diese revidieren zu können, liegt aber ebenfalls in unserer Natur. Letzteres war besonders wichtig für die Entwicklung der Menschheit.

Ihre Mutter ist Brasilianerin. Sie kam Ende der 70er-Jahre in die Schweiz. Wie war das damals für sie?
Die Familie meines Vaters war sehr offen und tolerant und empfing meine Mutter mit offenen Armen. Mein Grossvater, ein Verdingkind, setzte sich für die Rechte der Schwächsten ein und kämpfte auch politisch für eine fortschrittliche Schweiz. Und trotzdem war es für meine Mutter nicht immer einfach. Sie und mein Vater mussten innerhalb von drei Monaten heiraten, sonst wäre sie ausgewiesen worden.

Ihre Eltern sind noch heute verheiratet.
Ja. Ich könnte urschweizerischer nicht sein. Die Familie meines Vaters geht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Anderseits habe ich von meiner Mutter auch angolanisches Blut in mir von Vorfahren, die als Sklaven vor dreihundert Jahren nach Brasilien verschifft wurden, gemischt mit portugiesischem und indianischem Blut. Ich vereine die Welt in mir.

Mussten Sie schon rassistische Erfahrungen machen?
Natürlich. Es gibt keinen dunkelhäutigen Mann in der Schweiz, der diesbezüglich nicht schon negativ angegangen wurde. Als Dunkelhäutiger sollte man beispielsweise immer die ID bei sich tragen. Denn die Chance, dass du von der Polizei kontrolliert wirst, ist um ein Vielfaches grösser, als wenn du weiss bist.

Heute immer noch?
In den letzten Jahren hatte ich keine Probleme mehr mit Rassismus. Ich bin inzwischen bekannt, ich schreibe positive Lieder. Ich habe einen ähnlichen Status wie jemand, der für die Nationalmannschaft Goals schiesst oder für unser Land Medaillen holt. Ist man erfolgreich, wird die Hautfarbe plötzlich nebensächlich.

Können Weisse überhaupt nachvollziehen, wie es ist, im Alltag dunkelhäutig zu sein?
Nein. Folgerichtig sollte der Entscheid, ob sich jemand durch das Wort Mohrenkopf verletzt fühlen könnte oder nicht, auch nicht bei den Weissen liegen, sondern bei denen, die wirklich betroffen sind. Fühlt sich jemand verletzt, wie das hier ja der Fall war, dann sollte es der Anstand der anderen zulassen, darauf Rücksicht zu nehmen. Da fällt doch niemandem ein Zacken aus der Krone.

Was wünschen Sie sich?
Dass wir neugieriger werden, vermehrt aufeinander zugehen und dabei hoffentlich möglichst viele gute Erfahrungen machen. Denn die formen unser Verständnis. Das sehe ich an den Jungen von heute: Da zeigt keiner mehr auf den anderen und sagt: Guck, ein Asiate. Oder ein Schwarzer. Die machen da keinen Unterschied mehr. Weil die Schweiz in den vergangenen 20, 30 Jahren wirklich sehr multikulturell geworden ist. Die meisten Jungen haben keine Berührungsängste gegenüber Andersfarbigen. Sie sehen nur noch den Menschen. Und genau so sollte es sein.

Die Jungen haben sich auch kaum in die Mohrenkopf-Debatte eingeschaltet.
Genau. Sie sind nicht zuletzt durchs Internet eine farbigere Welt gewohnt als die Generation, die noch Völkerschauen in Zoos besucht hat. Dennoch: Im Jahr 2020 ist es doch nicht zu viel verlangt, dass ein alt Bundesrat das N-Wort nicht mehr gebraucht. Das hat für mich auch mit Höflichkeit und Stil zu tun, eben mit Anstand.

«Hemmigslos Liebe»

Marc Sway kam 1979 als Stefan Marc Bachofen in Männedorf bei Zürich zur Welt. Er machte eine KV-Lehre, interessierte sich aber schon früh für Musik, da sein Vater Rocksänger und seine Mutter Tanzlehrerin war. Mit 17 gewann er den ersten Talentwettbewerb, 2002 erhielt er in Deutschland seinen ersten Plattenvertrag. Zu seinen grössten Hits gehören das Duett «Hemmigslos Liebe», der WM-Song «I Can See the World» und «Severina». 2013 war er Jurymitglied von «The Voice of Switzerland». Sway ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Marc Sway kam 1979 als Stefan Marc Bachofen in Männedorf bei Zürich zur Welt. Er machte eine KV-Lehre, interessierte sich aber schon früh für Musik, da sein Vater Rocksänger und seine Mutter Tanzlehrerin war. Mit 17 gewann er den ersten Talentwettbewerb, 2002 erhielt er in Deutschland seinen ersten Plattenvertrag. Zu seinen grössten Hits gehören das Duett «Hemmigslos Liebe», der WM-Song «I Can See the World» und «Severina». 2013 war er Jurymitglied von «The Voice of Switzerland». Sway ist verheiratet und hat zwei Töchter.

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