«Wir haben die bunteste Mischung ausgewählt»
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Zu Udos 90. Geburtstag:«Wir haben die bunteste Mischung ausgewählt»

Jenny und John Jürgens und Pepe Lienhard im Interview
«Papa ist sehr präsent»

Ende September würde Udo Jürgens 90 Jahre alt. Seine beiden Kinder Jenny und John sowie Bandleader Pepe Lienhard erinnern sich an den legendären Sänger.
Publiziert: 22.09.2024 um 00:25 Uhr
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Jenny und John Jürgens (links) sowie Bandleader Pepe Lienhard am Freitag im Zürcher Hotel Baur au Lac.
Foto: STEFAN BOHRER

Auf einen Blick

  • Udo Jürgens’ neues Album erscheint am 30. September
  • Sein Werk lebt durch die Orchester-Tournee mit Pepe Lienhard weiter
  • Die Tournee macht am 10. November im Zürcher Hallenstadion Halt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jean-Claude GalliRedaktor People

Blick trifft Udo Jürgens’ Kinder Jenny (57) und John (60) sowie Bandleader Pepe Lienhard (78) zum Interview im Zürcher Hotel Baur au Lac. Am 30. September würde Jürgens 90-jährig. Aus diesem Anlass erscheint am kommenden Freitag das neue Album «udo 90» mit dem neuen Song «Als ich fortging». Und das Orchester Pepe Lienhard lässt Udo Jürgens auf seiner Tournee wieder aufleben. Am 10. November macht sie im Zürcher Hallenstadion Halt.

SonntagsBlick: Was wiegt stärker? Die Freude über das Kommende oder immer noch der Verlust eines geliebten Menschen? Am 21. Dezember jährt sich auch Udos Todestag zum zehnten Mal.
Jenny Jürgens: Natürlich kommen immer wieder Momente, wo es mich kalt erwischt, wo ich feuchte Augen bekomme oder vielleicht sogar weinen muss. Aber dass wir jetzt sein Werk zu den Menschen tragen können, ist in erster Linie eine Freude.

Mussten Sie sich irgendwann auch distanzieren? Durch seine Musik ist er stets präsent.
John Jürgens: Ich glaube, die Zeit, in der man einen Schritt zurückmacht und Abstand nimmt, kommt erst. In den letzten Jahren war dafür keine Zeit, jedenfalls für mich. Papa ist sehr präsent. Und das ist auch gut so. Wir arbeiten ja auch mit seiner Musik und seinem Nachlass. Nach wie vor gibt es Momente, in denen einen die Trauer überkommt. Das muss nicht am 21. Dezember sein. Bei mir passiert das oft dann, wenn ich an einem Ort vorbeikomme, wo ich mit ihm Zeit verbracht habe, wie beim Marienplatz in München.

Herr Lienhard, wann ist Ihnen der Verlust besonders präsent?
Pepe Lienhard: Es gab eine schwierige Zeit gleich nach dem Tod, weil er so unvermittelt nicht mehr da war. Ich war am Abend davor noch mit ihm zusammen und konnte es gar nicht richtig begreifen. Es war eine schmerzliche Zeit, auch weil überall seine Songs liefen. Oft musste ich das Radio ausschalten, weil ich es nicht ertrug. Während der Tour-Vorbereitungen tut es nun nicht mehr weh, aber ich vermisse ihn immer noch stark.

Es gab die Bühnenfigur Udo und den Privatmenschen. War das eine starke Diskrepanz?
Jenny Jürgens: Es gab Schnittmengen. Papa war extrem diszipliniert. Und das hat er auch auf die Familie übertragen. Vor allem beim Thema Pünktlichkeit gab es null Toleranz. Generell war ihm auch wichtig, sich zusammenzureissen und über sich hinauszuwachsen, auch wenn die Voraussetzungen einmal nicht gut waren.

John Jürgens: Es gab den Menschen auf Konzerten und im Studio. Und dann aber auch den Vater, der nach Hause kommt und sich mit uns am Sonntag Winnetou-Filme anschaut und über sehr persönliche Dinge spricht. Das konnte er gut trennen. Aber nie gleich nach einer Tournee. Da musste er zuerst noch alles verarbeiten. 

Konnte er Sie manchmal auch ärgern?
Jenny Jürgens: Mein Vater hat mich nie auf die Palme gebracht. Dafür war uns die gemeinsame Zeit zu wichtig. Manchmal haben wir uns Wochen oder Monate nicht gehabt. Wenn wir zusammen waren, haben wir diese Zeit als sehr schön und kostbar empfunden und genutzt. Und das eine oder andere Problem beiseitegelassen. Das Zusammensein war oft lustig und locker. Er hat gern Quatsch gemacht und rumgealbert, aber auch tiefe, gute Gespräche geführt. Gestritten haben wir nie.

John Jürgens: Papa war sehr harmoniebedürftig, schon beinahe süchtig danach. Streiten war nicht seine Welt, das konnte er nicht.

Lienhard: Wir hatten wirklich nie Konflikte. Ich wusste genau, was er wollte, und habe meine Band dahin geführt, dass sie entsprechend abliefert. Er kam in 37 Jahren Zusammenarbeit nie zu spät. Er tat dies aus Respekt vor dem Publikum. Egal, ob 10'000 Leute in einer Halle oder 500 Leute bei einem Privatkonzert. Immer volle Kanne. Und es gab nie eine Ausrede. Er sagte: ‹Wir sind verantwortlich, dass sie am Schluss auf den Stühlen stehen.› Und sie standen immer. Es war eine grossartige Zeit. Das klingt ein bisschen kitschig, aber es war so.

Es gibt über 500 Singles von ihm. Wie haben Sie die Auswahl für «udo 90» getroffen?
Jenny Jürgens: John und ich haben das nicht allein entschieden. Wir waren eine grössere Gruppe, ein Team aus Leuten von der Plattenfirma und externen Beratern. Das Wichtigste war, eine stimmige Mischung zu haben und die ganze Breite seines Schaffens zu zeigen.

Wie genau wurde das Lied «Als ich fortging» entdeckt?
John Jürgens: Michael Kunze hat den Text geschrieben, und es war fürs Album «Treibjagd» von 1985 gedacht, hat dann aber konzeptionell nicht gepasst, ist in einer Schublade gelandet und vergessen worden. Es wurde später im Nachlass gefunden; wir kamen zusammen und haben es uns angehört und hatten Tränen in den Augen. Diese tolle Geschichte kann man sich nicht ausdenken: Zehn Jahre nach seinem Tod erscheint ein Song mit dem Titel «Als ich fortging». Wir hatten ein Demoband, doch keine einzelne Spur. Im Studio wurde die Stimme von der Musik getrennt und Produzent Curt Cress hat dieses Juwel daraus gemacht.

Lienhard: Es ist nebst dem stimmigen Text einmal mehr eine grosse Ballade von Udo. Er hatte ein Händchen dafür. Das war das Geniale an ihm, dieses Gespür für Melodien und grandiose Bögen.

Eigentlich ähnelt das Stück in seiner Epik und Spannung einem Bond-Titelsong.
Jenny Jürgens: Spannend, dass Sie das sagen. Mittlerweile haben schon ein paar Leute ähnlich reagiert. Mit englischem Gesang könnte man das wirklich unter einen Bond-Film legen.

Lienhard: Das macht diese Veröffentlichung so stark. «Als ich fortging» ist viel mehr als nur ein hübsches Liedchen. Dieser Song hat Gewicht und kann gut auch allein bestehen.

Wann haben Sie sich dafür entschieden, die Orchester-Tournee zu wagen?
Jenny Jürgens: Der Entscheid für unsere Zustimmung fiel vor gut einem Jahr. Für uns war vor allem wichtig, dass Pepe und seine Band dabei sind. Denn sie bringen Udo und seinem Werk in jeder Hinsicht den nötigen Respekt entgegen. So haben mein Bruder und ich volles Vertrauen in den Konzertveranstalter.

Lienhard: Mit Elvis Presley wurde das vor acht Jahren erstmals gemacht. Nun ist technisch aber schon etwas mehr möglich. Semmel Concerts Entertainment trug die Idee an mich heran, und ich war von Anfang an begeistert. Ich habe dann jeden einzelnen meiner Musiker angerufen. Jeder war sofort dabei. Denn 2014 konnte der zweite Teil der laufenden Tournee nicht stattfinden und endete abrupt. Endlich können wir die Sache doch noch zu Ende bringen – und sogar den neuen Song «Als ich fortging» erstmals live performen. Udo soll stolz sein auf uns. Das ist der Anspruch. Er ist hinter uns auf der Leinwand zu sehen, und wir interpretieren alles live. Eingespielt wird nur Udos Gesang und sein Klavier. Das wird sehr stimmig und wirklich «live». Auch wenn er nicht mehr da ist.

Was musikalisch von Udo Jürgens bleibt, werden wir also schon bald live zu hören bekommen. Was aber bleibt von ihm an Werten und Tugenden?
Jenny Jürgens: Dass im Wort Unterhaltung auch das Wort Haltung liegt. Und ganz wichtig war ihm Toleranz. Sein Ziel war, immer ein Ziel zu haben und die Welt mit offenen Augen zu sehen.

John Jürgens: Respekt zu haben. Und das hat er auch von den anderen erwartet. In jungen Jahren war das für uns nicht immer ganz einfach. Da war man rebellischer. Aber man lernt im Leben zum Glück immer dazu.

Persönlich

Jenny Jürgens wurde 1967 in München geboren und ist Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin. Sie lebt mit ihrem Mann, dem spanischen Regisseur David Carreras Solé (63), und dessen zwei Söhnen auf Mallorca. John Jürgens, geboren 1964, ist ebenfalls als Sänger, Schauspieler und DJ tätig. Er ist seit 1998 mit der Deutsch-Koreanerin Hayah (52) verheiratet und hat drei Kinder. Jenny und John sind die beiden Kinder aus Udo Jürgens’ erster Ehe mit Panja Jürgens (74). Der Schweizer Bandleader und Saxofonist Pepe Lienhard leitete 37 Jahre lang, bis zum Tod von Udo Jürgens, dessen Begleitorchester und lebt mit seiner Frau Christine (54) in Frauenfeld TG.

Stefan Bohrer

Jenny Jürgens wurde 1967 in München geboren und ist Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin. Sie lebt mit ihrem Mann, dem spanischen Regisseur David Carreras Solé (63), und dessen zwei Söhnen auf Mallorca. John Jürgens, geboren 1964, ist ebenfalls als Sänger, Schauspieler und DJ tätig. Er ist seit 1998 mit der Deutsch-Koreanerin Hayah (52) verheiratet und hat drei Kinder. Jenny und John sind die beiden Kinder aus Udo Jürgens’ erster Ehe mit Panja Jürgens (74). Der Schweizer Bandleader und Saxofonist Pepe Lienhard leitete 37 Jahre lang, bis zum Tod von Udo Jürgens, dessen Begleitorchester und lebt mit seiner Frau Christine (54) in Frauenfeld TG.


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