Er ist einer der schillerndsten Stars der Pop-Geschichte: Boy George (57) polarisierte mit seinem Look in den 80er-Jahren die Welt. Jetzt feiert der Sänger mit seiner alten Band Culture Club ein Comeback. Er sei froh, nicht nochmals 20 zu sein, gesteht er am Telefon.
BLICK: Wie waren Sie als Kind?
Boy George: Eine ziemliche Nervensäge. Ich habe gegen alles und jeden rebelliert.
Tun Sie das heute noch?
Nein, ich hatte genug Dramen im Leben. Ich bin viel angepasster geworden. Wer mit 57 noch mit dem Kopf durch die Wand will, hat etwas nicht begriffen.
Auf Ihrem Höhepunkt kannte Sie die ganze Welt ...
Stimmt, ich war ein globales Trauma (lacht).
Inwiefern?
Viele liebten mich, ebenso viele hassten mich. Jene Zeit war für meine Psyche extrem. Ich war so verunsichert und verwirrt. Kaum vorstellbar, wie ich eine Strasse überqueren konnte, ohne überfahren zu werden.
Wie hat Sie der Ruhm verändert?
Erfolg manipuliert die Art, wie man die Welt wahrnimmt. Man beginnt zu glauben, was man über sich hört und liest. Das ist gefährlich. Ruhm ist wie ein Rausch. Wenn er verpufft, steht man da und begreift nichts mehr. Es dauerte lange, bis ich klar sehen konnte.
Gibt es Momente, in denen Sie es leid sind, Boy George zu sein?
Oh ja, täglich! Ich bin der typische Zwilling: Flatterhaft zu sein, gehört zu meinem Wesen. Ich denke oft, mein Leben ist ein Albtraum. Aber dann betrachte ich die vielen grauen Leute draussen und höre sofort auf zu klagen.
Was macht Sie traurig?
Gerade heute sah ich ein Video, wie zwei Kerle Schafe geschoren haben. Sie waren so brutal, es war unerträglich. Ungerechtigkeit gegenüber Tieren, aber auch Menschen betrübt mich zutiefst.
Was macht Sie glücklich?
Frischer Kaffee. Und schöne Menschen! Aber auch schöne Gegenstände und Gebäude. Das tönt oberflächlich, ich weiss. Aber, hey, ich bin ein Mann, wir sind nun mal ziemlich oberflächlich. Ernsthaft: Schönheit bewusst wahrzunehmen, schafft es noch immer, mich atemlos zu machen.
Empfinden Sie sich selbst als schön?
Nein, ich war immer in der Mitte zwischen hübsch und hässlich. Also konnte ich mich jeweils für die eine oder andere Seite entscheiden.
Wären Sie gerne nochmals jung?
Um Himmels willen, nein! Ich geniesse es, älter zu werden. Das Selbstbewusstsein wird stärker. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass man sich einfach nicht mehr gross darum kümmert, was andere von einem denken.
Was gefällt Ihnen sonst noch am Älterwerden?
Die Klarheit. Je mehr Jahre man auf dem Buckel hat, umso weniger Antworten sucht man. David Bowie sagte mal, dass es am Ende nur noch um zwei Fragen geht: Wie viel Zeit bleibt mir noch? Und wie nutze ich sie am sinnvollsten?
Sie nutzen sie mit Ihrer alten Band. Erstmals seit fast 20 Jahren gehen Sie wieder auf Tournee. Warum?
Ich war im letzten Jahrzehnt vor allem als DJ unterwegs. Doch das begann mich zu langweilen. Ich sehnte mich wieder nach Gemeinschaft. Es ist erfüllender, im Kollektiv Musik zu machen, als alleine in einem Club auf Knöpfe zu drücken.
Was bedauern Sie?
Vieles. Doch das ist okay. Was man bedauert, hat einem gezeigt, wo die Grenzen sind. Grenzerfahrungen habe ich bekanntlich einige gemacht.
Sie waren jahrelang drogenabhängig ...
Das ist lange vorbei. Zum Glück!
Und der Alkohol?
Da bin ich nachsichtiger. Ein bisschen Spass muss noch sein. Ich war schliesslich nie ein Kind von Traurigkeit.
Worauf sind Sie stolz?
Darauf, nie rücksichtslos gewesen zu sein. Ich kann jeden Morgen mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen. Auch wenn mir das, was ich sehe, bisweilen Angst einflösst.
Warum?
Weil der Typ im Spiegel in der Regel nicht nach Boy George aussieht. Also mache ich mich jeweils schleunigst an die Arbeit! (Lacht)